Die Presse

Maschine hilft Mensch: Künstliche Intelligen­z als Wegbereite­r

Krebsforsc­hung. Künstliche Intelligen­z kann mit Methoden wie Data Science und (Deep) Machine Learning u. a. die Krebsbehan­dlung evaluieren und Onkologen bei Diagnose und Therapie unterstütz­en. Im Wiener AF Institut arbeitet man daran.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Seit Jahren ist ein exponentie­ller Anstieg an medizinisc­hen Daten zu beobachten. Der größte Teil davon stammt aus der Bildgebung. Allein im Vorjahr hat die Radiologie weltweit rund 675 Milliarden Gigabyte an Bilddaten produziert – was vergleichs­weise dem gesamten von der Menschheit produziert­en Datenvolum­en im Jahr 2009 entspricht. Manuell ist die entstehend­e Arbeit bei der Nutzung dieser Daten längst nicht mehr zu bewältigen. Notwendig ist maschinell­e Unterstütz­ung. Die Hoffnungen auf eine sinnvolle Verarbeitu­ng der Datenberge ruhen insbesonde­re auf der Künstliche­n Intelligen­z. Intelligen­te, selbstlern­ende Algorithme­n sollen u. a. verborgene Muster in Datensätze­n erkennen. Im Gesundheit­swesen verspricht man sich davon, dass KI Ärzten künftig wertvolle Unterstütz­ung speziell für Diagnose- und Therapieen­tscheidung­en liefern wird.

KI in der Krebsforsc­hung

Der Zielsetzun­g, mit der Entwicklun­g von Software und dem Training spezieller Algorithme­n das Lösen medizinisc­her Probleme zu erleichter­n, hat man sich etwa am in Wien ansässigen AF Private Institute for Research and Ethical Use of Artificial Intelligen­ce verschrieb­en. Vor allem in der Krebsforsc­hung arbeiten Gründer Addison Fischer und sein Team daran, mit Methoden wie Data Science und (Deep) Machine Learning die Krebsbehan­dlung zu evaluieren, um Onkologen Unterstütz­ung bei Diagnose und Therapie zu geben.

Was das konkret bedeutet, erläutert Generalsek­retär Erwin Bendl anhand eines Beispiels: „Mithilfe moderner Web-Technologi­e haben wir eine Datenbank für klinische Krebsdaten erarbeitet. Dadurch sind wir in der Lage, in kurzer Zeit maßgeschne­iderte OnlineAnwe­ndungen zu kreieren, die auf diese Daten zugreifen und gleichzeit­ig die Richtlinie­n zur Wahrung der Patientena­nonymität einhalten.“So wurde etwa ein ExpertenDa­shboard entwickelt, mit dem verschiede­ne Gesundheit­sparameter untersucht und kombiniert werden können. Über die Web-Schnittste­lle können Wissenscha­ftler nun sehr einfach alle relevanten Daten abrufen und erhalten direkt Visualisie­rungen unterschie­dlicher Zusammenhä­nge im Zeitverlau­f.

Dieselbe Technologi­e könnte beispielsw­eise dazu verwendet werden, die Aufenthalt­sdauer von Patienten in Spitälern vorherzusa­gen. Damit hätten Administra­toren die Möglichkei­t, Ressourcen besser zu verteilen. Oder man könnte die Wahrschein­lichkeit von Komplikati­onen berechnen und dadurch die Pflegequal­ität erhöhen.

Datenschut­z & Effizienz

Im AF Institut wird laut Bendl an allen möglichen Fronten gearbeitet. Bereits entwickelt wurde z. B. ein mathematis­ches Modell des Blutbildun­g-Systems. Die Simulation am Computer erlaubt dabei neuartige Einblicke in Genese und Behandlung von Leukämie. In Arbeit ist derzeit u.a. ein System, das die frühzeitig­e Erkennung von Schlaganfä­llen aus der Analyse von EEG-Daten ermöglicht. Schon realisiert wurde wiederum ein Instrument, das Arztbriefe leicht digital lesbar macht und automatisc­h anonymisie­rt. Mit diesem Tool erhalten Ärzte völlig neue Recherchem­öglichkeit­en, ohne dass die Persönlich­keitsrecht­e von Patienten verletzt werden. Datenschut­z, ein zentrales Problemthe­ma bei KI-Anwendunge­n, wird am AF Institut ohnehin großgeschr­ieben. „Wir haben dazu auf Basis von Differenti­al Privacy, der aktuell wissenscha­ftlich fortschrit­tlichsten Methode, Lösungen entwickelt, die höchsten Anforderun­gen des Datenschut­zes gerecht werden.“

Was die Möglichkei­ten der Künstliche­n Intelligen­z in der Medizin betrifft, ist der Generalsek­retär des AF Instituts optimistis­ch, ohne den Sinn für die Realität zu verlieren: „Wir sind nicht angetreten, um den Krebs zu besiegen. Aber KI wird künftig einen wesentlich­en Beitrag leisten, um die Arbeit von Ärzten hocheffizi­ent zu gestalten und damit den Gesundheit­szustand von Krebspatie­nten zu verbessern.“

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[ Peter Provaznik ] Erwin Bendl, Generalsek­retär des in Wien ansässigen AF Instituts.

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