Grenz-Skifahren: Es könnte 2021 werden
Geteilte Skigebiete. Wann, wie und wo die Skisaison starten wird, steht in den Sternen. Und weil einige Skigebiete über Landesgrenzen gehen, wird bei unterschiedlichen Regelungen der Ausflug zum Nachbarn ein Thema für den späteren Winter.
Ein Skiwinter wie noch nie: Angesichts der Coronapandemie wird die Öffnung der alpinen Skigebiete im Dezember heiß diskutiert; Italien und Deutschland drängen, anders als Österreich, auf eine Verlegung des Pistenstarts in den Jänner. Vor Weihnachten wird wohl noch viel verhandelt werden, mit täglichen Unwägbarkeiten und Nachjustierungen. Ungeachtet dessen wird in den Skigebieten schon seit Längerem an den neuralgischen Punkten gearbeitet. Lift, Hütte, Quartier – das sind die kritischen Stellen, an denen Skifahrer zusammenkommen. Und hier braucht es jede Menge Abstand, Entflechtung, Sicherheit, ja auch Vertrauen, wie die aktuelle Studie zu „Corona und Skiurlaub 2020/21 in Österreich“des Rheingold Instituts zeigt, die kürzlich von der Österreich Werbung virtuell präsentiert wurde.
Die unterschiedlichen Vorgehensweisen in den Ländern haben auch auf den Skifahrer Einfluss, weil sich gar nicht so wenige Skigebiete auf zwei Staaten verteilen. Denn wo sich einst nur die Säumer und die Schmuggler mit Ski und vollem Rucksack hinauf- und hinuntergeplagt haben, sind zuletzt die Skifahrer herumgedüst, ohne einen größeren Gedanken an die Grenzüberschreitung zu verlieren. Sechs internationale Beispiele:
Nassfeld: Von Kärnten nach Friaul
Mehr als 90 Prozent aller PistenKilometer des Nassfelds befinden sich auf Kärntner Seite und dennoch nennt man es ein grenzüberschreitendes Skigebiet? Aber ja klar doch. Denn: Zum Skifahren gehört auch der Einkehrschwung zwecks Nahrungsaufnahme und Genuss. Und genau zu diesem Zweck kann man am Nassfeld mitten in den Karnischen Alpen einen kleinen Abstecher hinüber nach Italien machen. Genauer gesagt, man schiebt seine Ski am Passo Pramollo entlang des Sees in Richtung Osterie, wo man „original“italienisch schnabuliert – wobei angesichts der guten Kärntner Küche auf den zahlreichen Hütten freilich die Frage auftaucht, ob derlei überhaupt nötig ist. Aber wenn man einmal die Gelegenheit hat, einmal von Kasnudln und Wiener Schnitzel zu Ravioli und Fritto misto hinüberzuwechseln, warum nicht? Zwei Hütten bietet der italienische Part des Nassfelds, wobei die Einheimischen vor allem in die Pizzeria Kabrio pilgern, wo Chefkoch Fausto feinste Wagenräder kreiert. Am besten auf der Sonnenterrasse genießen und die fantastischen Bergformationen der Karnischen Alpen betrachten, die übrigens geologisch ein hochinteressantes Gebiet sind. Gestärkt geht es wieder auf die Pisten – um die Fis-Strecke vom Gartnerkofel oder die steilste Abfahrt in Kärntens größtem Skigebiet – vom Trogkofel – in Angriff zu nehmen. Die Liftprojekte von Pontebba zur Grenze hinauf, sind nach wie vor strichlierte Linien auf dem Pistenplan geblieben.
Tiefster/höchster Punkt: 602 m (Hermagor)/ 2002 m (SkischaukelScheitel). 110 Pistenkilometer (101 km in Österreich/9 km in Italien); Infos: www.nassfeld.at, www.kaer nten.at
Waidring: Von Tirol nach Oberbayern
Die olympischen Goldgewinne der Oberbayerin Rosi Mittermaier sind eigentlich österreichische Medaillen, denn die zweifache Triumphatorin der Innsbruck-Spiele 1976 wuchs auf der legendären Winklmoosalm oberhalb von Reit im Winkl auf – und die gehörte irgendwann mal zu Tirol. Heute sind Tirol und Bayern dort mit einer schönen Skischaukel verbunden: auf österreichischer Seite Waidring mit dem Skigebiet Steinplatte und auf der deutschen Reit im Winkl mit dem Skigebiet Winklmoos. Dieser Zusammenschluss gilt als legendär schneesicher.
Tiefster/höchster Punkt: 696 m (Reit im Winkl)/1860 m (Skischaukel-Scheitel). 42 Pistenkilometer (30 km in Österreich, 12 km in Deutschland); Infos: www.waidring.at, www.steinplatte.at, www.reitimwinkl.de
Ischgl: Aus Österreich in die Schweiz
In keiner der Skischaukeln, die hier aufgeführt sind, tritt der Unterschied zwischen „herüben“und „drüben“so deutlich auf wie hier: Hier das tirolerische Ischgl mit all seinen bekannten Attributen – da das beschauliche schweizerische Samnaun in Graubünden. Zwei Welten, aber verbunden durch die beeindruckende Silvretta-Ski-Arena. Die Ischgl-Samnaun-Kombination verkörpert einfach alles, was ein grenzüberschreitendes Ski-Dorado besitzen muss – Abwechslung, hochalpine Landschaft, ja, auch den Gegensatz zweier Ski-Kulturen – und vor allem eine lange Geschichte des inoffiziellen Warenverkehrs: Sprich, hier wanderten die Schmuggler zwischen dem Engadin und dem Paznaun hin und her. Heute ist das Samnaun ein Zollausschlussgebiet mit vielen Dutyfreeläden und einer Tirolerischen Sprachtradition. Diese Geschichte greift die „Schmugglerrunde“auf: Eine Tour für fleißige Skifahrer mit 59 Seilbahnund 36 Pisten-Kilometern, um sich auf den Spuren historischer Schleichhändler zu bewegen. Dabei überwindet man 6463 Höhenmeter, nicht ganz unsteil – eine der längsten Skirunden weltweit.
Tiefster/höchster Punkt: 1400 m Ischgl (Talstation)/2872 m (Greitspitze). 238 Pistenkilometer (169 km in Österreich und 69 km in der Schweiz); Infos: www.ischgl. com, www. samnaun-engadin.ch
Zermatt: Aus der Schweiz ins italienische Aostatal
Ein Erlebnis, das man unbedingt zumindest einmal in seinem Skifahrer-Leben absolviert haben muss: Die nichtmehrendenwollende 22-Kilometer-Freeride-Genussabfahrt vom schweizerischen „Matterhorn ski paradise“hinunter ins italienische Cervinia/Valtournenche. Am besten absolviert man diese Tour mit einem Guide. Und nicht auf Tempo, sondern mit Gemach – sprich zwischendurch immer wieder stehen bleiben und die grandiosen Gipfel reihum bestaunen: den Monte Rosa etwa und natürlich das Matterhorn und alle unglaublichen Gletscher, die zwischen ihnen liegen.
Ja, es ist tatsächlich eine fabelhafte Verbindung zwischen dem schweizerischen Wallis und dem italienischen Aostatal. In der anderen Richtung ist es übrigens mindestens so empfehlenswert: Von ganz oben am Juchee führt eine 25 Kilometer lange Abfahrt nach Zermatt hinunter – Europas längste Skiabfahrt. Wobei eines schon erstaunlich ist: Das Matterhorn zeigt seine bekannte Silhouette nur Richtung Schweiz, von italienischer Seite erkennt man es als solches gar nicht so.
Tiefster/höchster Punkt: 1620 m (Talstation Zermatt)/3899 m (Gobba di Rollin). 360 Pistenkilometer (davon 200 km auf Schweizer und 160 auf italienischer Seite).
Infos: www.zermatt.ch, www. matterhornparadise.ch, www.gornergratbahn.ch, www.cervinia.it
Les Portes du Soleil: Aus Frankreich in das Wallis
Von den „Sonnentoren“in Hochsavoyen hinüber ins Wallis – allein die Ausblicke, die man in diesem Skigebiet genießt, vermitteln der Gebirgslandschaft eine Aura der Erhabenheit. Wo sonst hat man immer wieder Aussicht auf den Mont Blanc, Europas höchsten Berg und seiner mächtigen Präsenz? Dass zugleich auch Portes du Soleil das Höchste ist, was grenzüberschreitende Skigebiete der Alpen (wenn nicht der gesamten Welt) betrifft, steht unzweifelhaft fest. Selbst wenn manche das Gefühl beschleicht, dass die Franzosen es mit den Pistenkilometerangaben nicht ganz so genau nehmen wie die Bergbahn-Kollegen in Österreich. Aber 580 Kilometer sind ein Trumpf, der selbst bei jeder Menge Abzüge dem Skigebiet immer noch die Spitzenposition sichern würde. In Frankreich, also den Hochsavoyen, liegen im Skigebiet Portes du Soleil unter anderen die Stationen Avoriaz, La Chapelle d’Abondance, Les Gets, Morzine und St.-Jean-d’Alps. Wallis in der Schweiz glänzt hingegen mit
Fortsetzung auf Seite R2