Die Presse

Raum für Poesie, Fotografie, Musik

Wohngeschi­chte. Seit 2011 wohnt Fotograf Georg Oberweger in der Ottakringe­r Wichtelgas­se, 2016 gründete er hier den Vorstadtsa­lon Ebene 45 – integriert in die eigene Wohnung.

- VON DORIS BARBIER

Von Anfang an wollte ich hier Arbeit und Wohnen miteinande­r verbinden und einen Ort schaffen, an dem sich Menschen und Kunst begegnen und gegenseiti­g inspiriere­n“, erzählt Georg Oberweger. „Als ich nach Wien zog, kannte ich nur wenige Leute. Das änderte sich aber rasch. Wofür ich dieser Stadt noch immer dankbar bin. Sie lässt einen ankommen und nimmt einen auf.“Diese Offenheit wollte er weitergebe­n – und bekomme sie während der Veranstalt­ungen im Vorstadtsa­lon auch immer wieder zu spüren.

Begegnungs­zone Erdgeschoß

Die 80-Quadratmet­er-Wohnung des Fotografen befindet sich in der Wichtelgas­se. „Die ist etwas sprunghaft, fühlt sich manchmal dem 17. Bezirk und dann wieder dem 16. Bezirk zugehörig und ist nach Benedikt Wichtel benannt, der hier 1850 die ersten Häuser erbauen ließ,“erklärt Oberweger.

Ursprüngli­ch beherbergt­e das Haus, ein kleiner Vierkanter, die Brotfabrik Lohr – mit eigenem Turn- und Veranstalt­ungssaal für die Mitarbeite­r. Der vordere Teil des Hauses stammt von 1890, angebaut wurde in den 1920er- und 1950er-Jahren. Ab 2000 erfolgten diverse Umbauarbei­ten, die den Innenhof neu gestaltete­n und diverse Dachterras­sen ermöglicht­en. Heute gibt es acht Parteien im Haus – „eine wirklich feine Hausgemein­schaft.“Die Wohnung Oberwegers, der in den Bereichen Baukunst, Industrie, Technik, Produkt und Design tätig ist und der die Reportage als sein bevorzugte­s Stilmittel sieht, liegt aber nicht in luftiger Höhe, sondern im Erdgeschoß – deswegen auch der Name für seinen Vorstadtsa­lon, die „Ebene 45“. 2016 ins Leben gerufen, nennt er als bisherige Highlights Abende mit Lukas Lauermann, Peter Ahorner, Nihan Devecioglu oder Mali Moha. „Dieses Jahr hat mir leider die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber sie soll nicht das letzte Wort haben.“

Jalousien statt Wände

Die Wohnung besteht nur aus einem Raum, der mit Jalousien abgeteilt wurde. „Sie ist nicht gerade von Licht durchflute­t, was je nach Jahreszeit Vor- und Nachteile mit sich bringt. Ich mag aber dieses leicht höhlenhaft­e Gefühl.“

Da das Wohnatelie­r sowohl zum Leben als auch zum Arbeiten benutzt wird, sind die Übergänge zwischen diesen Bereichen fließend. „Anfangs nutzte ich die Wohnung auch noch als Fotostudio und meine Kunden durften sich hier dann ein wenig wie zu Hause fühlen.“So verloren sie auch die Scheu vor der Kamera. „Für manche Menschen ist der Gang zum Fotografen ja genauso angstbeset­zt besetzt wie der zum Zahnarzt. Da ist es dann hilfreich, dass ich im Zweitberuf Sozialarbe­iter bin.“So wie die Nutzung der Wohnung sehr vielfältig ist, so sind es auch die Möbel. Ein Sammelsuri­um aus verschiede­nen Lebensabsc­hnitten und Stilen, vom IkeaBett bis zum Gemüserega­l aus dem alten Lebensmitt­elgeschäft der Eltern, vom harten Futon bis zur gemütliche­n Couch.

Hier treffen nicht nur unterschie­dliche Künstler und Kreative aufeinande­r, sondern auch ein altes Rennrad auf Miniatur-Auto und -Lokomotive. Hingucker sind auch eine Studiolamp­e, ein alter Wecker und zahlreiche Fotografie­n. Die bestimmend­en Elemente der Wohnung sind aber ein schon in die Jahre gekommener Esstisch – und sehr viel freier Platz.

Terrasse gibt es in der Erdgeschoß­wohnung keine. Zieht es ihn in die Natur, profitiert er von der Nähe zum Wienerwald, zum Wilhelmine­nberg oder zu den Steinhofgr­ünden. „Wenn’s lebendiger werden sollte, gehe ich zu Fuß zum Brunnenmar­kt.“

Hang zum Wesentlich­en

Farblich dominieren Weiß-, Blauund Erdtöne. Zuviel Ornament würde die Stimmung drücken – die Blumen in den drei Fensterbän­ken und seine Fotografie­n an der Wand zeugen von einem gewissen Hang zum Wesentlich­en. Dass Oberweger auch noch in der Kunstvermi­ttlung und als Dozent in Kooperatio­n mit Erwachsene­nbildungse­inrichtung­en, Schulen, Museen und Sozialinst­itutionen tätig ist , bietet Abwechslun­g, erfordert aber auch viel Energie. „Da ist es dann hilfreich und sehr angenehm, nach der Arbeit auf kürzestem Weg – quer durch die Wohnung – nach Hause zu kommen“, meint Oberweger.

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„Vorstadtsa­lon“mit Esstisch mit Sesseln (links), Bilder (oben), Georg Oberweger (unten).
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[ Oberweger, Michaela Noll ]
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