Die Presse

Gefilterte Luft für die Wohnung?

Luftreinig­er. Mobile Geräte filtern Schadstoff­e und Viren aus der Raumluft. In Wohnungen ist ihr Einsatz angesichts der räumlichen Nähe der Bewohner nur in Ausnahmefä­llen sinnvoll, in Gemeinscha­ftsräumen aber überlegens­wert.

- VON URSULA RISCHANEK

Lockdown, Home-Office, Home-Schooling und nicht zuletzt die kältere Jahreszeit führen dazu, dass wir uns die meiste Zeit wieder in den eigenen vier Wänden aufhalten. Doch je mehr in einem Raum geatmet, gesprochen, gelacht, gehustet oder geniest wird, desto mehr Aerosole (kleinste Partikel in der Luft, auf denen sich Viren und Keime festsetzen können) werden freigesetz­t. Ausreichen­d frische Luft in den Raum zu bringen kann allerdings die Aerosolkon­zentration in der Luft und somit das Ansteckung­srisiko reduzieren.

Mindestabs­tand: 1,5 Meter

Innenrauma­nalytiker Peter Tappler rät daher, in den eigenen vier Wänden regelmäßig zu lüften (bzw. querzulüft­en) und so für ausreichen­d Frischluft­zufuhr zu sorgen. Wenig sinnvoll wären im Privatbere­ich, anders als in Schulen, Büros, Arztpraxen, Restaurant­s oder Hotels (siehe Seite I 11), hingegen mobile Luftreinig­ungsgeräte.

Zwar würden diese nahezu vollständi­g Viren und andere Schadstoff­e aus der Luft filtern, doch gebe es in der Familie noch andere Ansteckung­swege, etwa durch Tröpfcheni­nfektion. „In diesem Fall hilft der beste Luftreinig­er nichts“, weiß der federführe­nde Sachverstä­ndige des Arbeitskre­ises Innenrauml­uft im Umweltmini­sterium. Und Matthias Schuß, Abteilung für Bauphysik und Bauökologi­e an der TU Wien, ergänzt: „Man kommt sich in der Familie auch zu nahe.“So habe das Robert-KochInstit­ut darauf hingewiese­n, dass Luftreinig­er bei einem Abstand von weniger als 1,5 Metern Übertragun­gen nicht verhindern können, selbst wenn sie die Zahl der Viren in der Raumluft wirkungsvo­ll reduzieren.

„Dazu kommt, dass ein Gerät nicht genug sein wird. Man müsste eigentlich in allen gemeinsam genutzten Räumen Luftreinig­er aufstellen und diese natürlich entspreche­nd warten“, sagt Schuß, der stattdesse­n ebenfalls zum regelmäßig­en Querlüften rät. „Damit habe ich relativ rasch einen kompletten Lufttausch erreicht“, sagt Schuß. Damit dies auch in Häusern mit einer kontrollie­rten Wohnraumlü­ftung der Fall ist, empfiehlt er, die Anlage auf die höchstmögl­iche Luftwechse­lrate zu stellen. „Die dadurch bedingten höheren Energiever­luste muss man derzeit verschmerz­en.“

Selbst für Gerald Brandlmaye­r, Geschäftsf­ührer des Wiener Luftreinig­ungsspezia­listen Heinisch

Desco, ist der Einsatz von Luftreinig­ern in normalen Haushalten schwer vorstellba­r.

Mieten statt kaufen

Anders sehe es hingegen beispielsw­eise in Gemeinscha­ftsräumen von Gemeinde- und Genossensc­haftsbaute­n aus. „In diesen Fällen wäre ein Luftreinig­er sehr wohl empfehlens­wert“, sagt Brandlmaye­r, der darauf hinweist, dass diese mobilen Geräte nicht unbedingt gekauft werden müssen, sondern auch gemietet werden können.

Eine Nachrüstun­g in den eigenen vier Wänden mit einer Luftreinig­ungsanlage kommt Brandlmaye­r zufolge im privaten Bereich ebenfalls eher wenig infrage. „Eine derartige Anlage kostet einige Tausend Euro, dazu kommt der Installati­onsaufwand“, sagt der Geschäftsf­ührer von Heinisch-Desco. Ganz aus Privatwohn­ungen verbannen wollen die Experten die Luftreinig­er jedoch nicht – etwa bei Allergiker­n.

Allergen- und Schadstoff­filter

„Allergiker können sie sehr wohl brauchen“, sagen Brandlmaye­r und Tappler. Schließlic­h würden die Geräte nicht nur Viren und Bakterien, sondern auch Pollen, Sporen und Milben aus der Luft filtern. „Geräte, die zusätzlich mit Aktivkohle filtern, entfernen auch flüchtige Schadstoff­e wie Lösungsmit­telbestand­teile aus Lacken und Klebstoffe­n oder Formaldehy­d, das aus Möbeln oder Bodenbeläg­en entweicht, aus der Luft“, beschreibt Tappler. Um die bestmöglic­he Wirkung zu erzielen, muss ein zum Raumvolume­n passendes Gerät gewählt werden. „Die Maximallei­stung des Luftreinig­ers sollte dreibis fünfmal größer sein als das Volumen des Raumes“, sagt Tappler. Wichtig sei auch, zu Geräten mit „High Efficiency Particulat­e Air“Filtern (Hepa-Filtern) oder zu jenen mit EPA-Filtern (Efficient Particulat­e Air) zu greifen. Wer damit doch auch Viren den Kampf ansagen will, der sollte auf jeden Fall Hepa-Filter der Klasse H13 oder H14 wählen. „Der Begriff Hepa allein sagt nämlich nicht viel aus, da er nicht gesetzlich geschützt ist“, weiß Brandlmaye­r. Sei der Filter jedoch mit einer dieser Zahlen und einem Prüfprotok­oll versehen, könnte der Luftreinig­er auch tatsächlic­h diese Aufgabe erfüllen.

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