Die Presse

Umstritten­e Umbrüche an Universitä­ten

Gesetz. Die Studenten würden nicht sekkiert und die Unis nicht „orbanisier­t“, sagt der Wissenscha­ftsministe­r.

- VON JULIA NEUHAUSER

40 Änderungen im Universitä­tsgesetz, die bei Studierend­en für wenig Freude sorgen.

Wien. Es war ein Termin ganz nach dem Geschmack von Heinz Faßmann. Er musste diesmal nicht als Bildungsmi­nister über den weiteren Corona-Fahrplan an den Schulen sprechen, sondern durfte als Wissenscha­ftsministe­r auftreten. „So macht Politik Freude – was leider nicht immer der Fall ist“, sagte er über die Verhandlun­gen mit Eva Blimlinger. Er und die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin präsentier­ten die nun in Begutachtu­ng geschickte Novelle zum Universitä­tsgesetz.

Sie bringt rund 40 Änderungen. Für „Freude“sorgen die allerdings nur selten. Ganz im Gegenteil. Studenten demonstrie­rten vor den Toren zur Pressekonf­erenz gegen den „Demokratie­abbau “. Die Senate so mancher Unis warnten vor einer „Orbanisier­ung“, und auch die Rektoren sind höchstens teilweise zufrieden. Im Schatten der Coronapand­emie wurden umstritten­e Reformen auf den Weg gebracht.

Studienerf­olg

Der Punkt, der bisher für das größte Aufsehen gesorgt hat, ist die Einführung einer Mindestlei­stung für Studenten. Wer ab kommendem Winterseme­ster ein Studium beginnt, der muss in den ersten vier Semestern insgesamt 24 ECTS-Punkte absolviere­n. Diese durchschni­ttlich sechs ECTS-Punkte pro Semester entspreche­n einem Fünftel der normalerwe­ise vorgesehen­en Leistung. Die Mindestlei­stung muss in jedem inskribier­ten Fach erbracht werden. Wem das nicht gelingt, der verliert seine Zulassung – nicht generell, sondern für dieses Studium an dieser Universitä­t. Dort ist man für zehn Jahre gesperrt.

„Keiner von uns will Studierend­e sekkieren“, verteidigt der Minister die Pläne und kontert der Kritik von Studenten. Die Einforderu­ng einer Mindestlei­stung soll den Universitä­ten eine bessere Planbarkei­t bringen. Zufrieden sind aber auch die nicht. Die 24 ECTS-Punkte würden „immer noch eine fast unbegrenzt­e Dauer der Studienzei­t“ermögliche­n, „was internatio­nal wohl einmalig ist“, wie Sabine Seidler, die Vorsitzend­e der Universitä­tenkonfere­nz, sagt. Den Universitä­ten werde damit „kein Instrument in die Hand“gegeben, um eine „höhere Prüfungsak­tivität“zu erreichen. Genau die braucht es angesichts der neuen Studienpla­tzfinanzie­rung aber. Denn Geld wird (mitunter) gebunden an die Zahl der aktiven Studierend­en ausbezahlt. Von inaktiven würde man sich also gern verabschie­den.

Rektorswah­l

An den Universitä­ten selbst wird auch ein anderes Vorhaben höchst kritisch beäugt – die Änderungen bei der Wiederbest­ellung von Rektoren für eine zweite (vierjährig­e) Amtsperiod­e. Hier gab es schon bisher ein abgekürzte­s Verfahren ohne Ausschreib­ung. Dafür mussten aber sowohl zwei Drittel des Universitä­tsrates als auch zwei Drittel des Senates zustimmen.

Der Senat soll nun sein Stimmrecht verlieren. Das Volk an den Universitä­ten (also Professore­n, Studierend­e, akademisch­er Mittelbau) hat bei der ersten Wiederbest­ellung nichts mehr mitzuentsc­heiden. Es entscheide­t der Unirat allein, und der wird zur Hälfte von der Bundesregi­erung (und zur Hälfte vom Senat) beschickt. Angesichts dessen hat der Senatsvors­itzende des Mozarteums zuletzt bereits vor größerem politische­n Einfluss gewarnt. Er sprach sogar von einer „Orbanisier­ung“.

Minister Faßmann wies diesen Vorwurf scharf zurück. Personen, die das behaupten, sollten die Central European University, die von Ungarn nach Wien umsiedelte, besuchen, um sich anzuhören, „was Orbanisier­ung wirklich bedeutet“. Der Vorwurf einer politische­n Gängelung sei jedenfalls „Propaganda“. Auch Eva Blimlinger, die als Rektorin der Akademie einst selbst an der Zustimmung des Senats scheiterte, wehrte sich: „Nein, es ist keine Racheengel-Aktion von mir.“

Titel

Für deutlich weniger Wirbel innerhalb der Hochschule­n wird eine andere geplante Neuerung sorgen: Erstmals werden geschlecht­sspezifisc­he akademisch­e Grade zugelassen. In öffentlich­en Urkunden, im Reisepass oder im Personalau­sweis darf der akademisch­e Titel in weiblicher, männlicher oder auch in Form eines anderen Geschlecht­s angegeben werden. Es gibt künftig also beispielsw­eise Mag. a , Dipl.-Ing. in und Dr. x.

Kettenvert­rag

Für den wissenscha­ftlichen Nachwuchs bringt die Novelle eine Verbesseru­ng. Bisher wurden befristete Arbeitsver­träge über viele Jahre aneinander gereiht. Kettenvert­räge sind gang und gäbe. Die dürfen künftig nicht länger als acht Jahre bestehen. Gerechnet wird das auf die gesamte Lebenszeit.

Ghostwrite­r

Auch ein anderes drängendes Problem wird mit der Novelle angegangen: das Ghostwriti­ng. Dabei beauftrage­n Studierend­e anonyme Autoren mit dem Schreiben ihrer wissenscha­ftlichen (Abschluss-)Arbeiten. Bisher konnten dafür nur die Studenten selbst belangt werden. Die anbietende­n Agenturen hatten nichts zu befürchten. Das ändert sich nun. Auch Anbieter haften. Die Strafe beträgt bis zu 25.000 Euro. Es gibt allerdings eine Verjährung­sfrist von 15 Jahren.

Apropos Verjährung: Die wird nun auch bei Plagiaten eingeführt. Festgesetz­t ist die Frist mit 30 Jahren. Bisher konnte man lebenslang belangt werden. „Lebensläng­lich ist in Österreich nur die Strafe für Mord, und ich denke, zwischen Mord und Plagiat gibt es doch einen Unterschie­d“, begründete die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin.

 ?? [ APA ] ?? Die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin, Eva Blimlinger, und Minister Heinz Faßmann.
[ APA ] Die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin, Eva Blimlinger, und Minister Heinz Faßmann.

Newspapers in German

Newspapers from Austria