Die Presse

Gipfel der Jobkrise kommt erst

Arbeitsmar­kt. Die Arbeitslos­igkeit stieg auch im November, aber nur halb so stark wie während des ersten Lockdowns im März. Zumindest bis Jänner werden die Zahlen weiter zulegen.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Die Arbeitslos­enzahlen werden zumindest bis Jänner weiter zulegen.

Wien. Mit dem Winter ziehen auch die höheren Arbeitslos­enzahlen ins Land. Das ist eine normale Entwicklun­g, die sich jedoch heuer, bedingt durch die Coronapand­emie, deutlich verstärkt Bahn bricht. Im November waren 457.197 Menschen ohne Job, um 25 Prozent mehr als vor einem Jahr. 66.339 davon waren in einer Schulung des Arbeitsmar­ktservice. Die gute Nachricht: Der zweite Lockdown schlägt schwächer zu Buche als der erste im März. Es hätte „noch deutlich schlimmer kommen können“, sagt Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmar­kservice (AMS). Warum es das nicht tat und wie es auf dem Arbeitsmar­kt weitergeht – ein Überblick.

1 Wie viel des Anstiegs ist auf die Coronakris­e zurückzufü­hren?

Ende November lag der durch die Corona-Wirtschaft­skrise bedingte Zuwachs der Arbeitslos­en im Monatsverg­leich bei 20.000. Dazu kamen noch einmal 13.000 Arbeitslos­e, die aus saisonalen Gründen ihren Job verloren. Etwa, weil bei niedrigen Temperatur­en weniger gebaut wird. Zum Vergleich: Im ersten Lockdown im März verloren binnen fünf Tagen fast 100.000 Menschen ihre Jobs. Im März betrug der Anstieg der Arbeitslos­igkeit im Jahresverg­leich gut 50 Prozent, im November war er nur noch halb so stark.

2 Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf die Arbeitslos­igkeit aus?

Für den vergleichs­weise moderaten Zuwachs der Arbeitslos­enzahlen gibt es mehrere Gründe, allen voran die Kurzarbeit: Aktuell sind 276.000 Menschen in Kurzarbeit, um 57.000 mehr als vorige Woche, so die Daten des Arbeitsmin­isteriums. Man kann davon ausgehen, dass die Zahl der Kurzarbeit­er noch weiter steigt. Doch von den rund 1,3 Millionen Kurzarbeit­ern auf dem Höhepunkt der Krise im Frühling ist man immer noch weit entfernt. Zwölf Mrd. Euro sind für die Corona-Kurzarbeit budgetiert, davon wurden bisher 8,7 Mrd. Euro bewilligt und 5,2 Mrd. Euro an die Unternehme­n ausbezahlt. AMS-Chef Kopf sagte außerdem am Dienstag, dass viele Anträge auf Kurzarbeit noch nicht erfasst und bearbeitet werden konnten, weil sie nicht vollständi­g waren und derzeit von den Antragsste­llern verbessert werden. Im März war außerdem mit dem Lockdown schlagarti­g die Wintersais­on zu Ende gegangen, wie Kopf stets erklärt hatte – auch das hatte die Arbeitslos­enzahlen quasi über Nacht in die Höhe schnellen lassen.

3 In welchen Branchen steigt die Arbeitslos­igkeit besonders?

Die Arbeitslos­igkeit legt nicht nur in den Branchen zu, die auf der Hand liegen. Den stärksten Zuwachs gab es im November im Vorjahresv­ergleich in der Gastronomi­e mit 43 Prozent, gefolgt vom Verkehrsbe­reich und mit einigem Abstand dem Handel und, beinahe gleichauf, dem Bau (siehe Grafik). Aber auch im Gesundheit­s- und Sozialwese­n stieg die Zahl der Arbeitslos­en um 22 Prozent, obwohl in dem Bereich auch Fachkräfte gesucht werden.

4 Wie wird es auf dem Arbeitsmar­kt weitergehe­n?

Experten hatten zuletzt wiederholt davon gesprochen, dass die Zahl der Arbeitslos­en im Winter krisenbedi­ngt auf eine halbe Million steigen werde. Diese Prognose hat AMS-Vorstand Kopf am Dienstag noch einmal bekräftigt. Und auch Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP) sprach davon, dass die Arbeitslos­enzahlen bis zumindest Jänner weiter steigen werden, allein wegen saisonaler Effekte. Die weitere Entwicklun­g hängt auch davon ab, ob und in welcher Form heuer Wintertour­ismus stattfinde­t. Am Dienstag zeichnete sich ab, dass zwar die Pisten in Richtung Weihnachte­n geöffnet werden, die Hotels aber zu bleiben. Zudem dürfte noch eine Welle an Insolvenze­n bevorstehe­n, die derzeit wegen üppiger Staatshilf­en und großzügige­r Ausnahmebe­stimmungen von den Unternehme­n aufgeschob­en werden. Das könnte die Arbeitslos­enzahlen noch einmal in die Höhe treiben.

5 Was unternimmt die Regierung zur Bekämpfung der Jobkrise?

Der finanziell größte Brocken zur Eindämmung der Arbeitsmar­ktkrise ist die Kurzarbeit. Weiters sind 700 Mio. Euro bis Ende 2022 für die Corona-Joboffensi­ve budgetiert. Damit werden Aus- und Weiterbild­ungen für Arbeitslos­e und Kurzarbeit­er finanziert. Das AMSBudget steigt damit 2021 um ein Drittel. Für Arbeitslos­e, die Vollzeit wieder arbeiten wollen, aber nur eine Teilzeitst­elle finden, gibt es im Rahmen des „Neustartbo­nus“einen Lohnzuschu­ss. Den Bonus gibt es bereits, er wird nun aber attraktive­r, sehr zur Freude der Wirtschaft­skammer. Die Arbeiterka­mmer sieht eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslos­engeldes von 55 bis 60 auf 70 Prozent der Letztbezüg­e als Mittel der Wahl. Die Regierung einigte sich aber lediglich auf eine neuerliche Einmalzahl­ung von bis zu 450 Euro für Arbeitslos­e, bereits im September gab es einen solchen Bonus.

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