Die Presse

Mit der Hand schreiben?

Barack Obama hat seine Autobiogra­fie mit dem Stift auf Papier verfasst. Den Computer zu verweigern, gehört unter Literaten zum guten Ton. Auch die Schreibmas­chine dient als Trutzburg gegen die Zumutung des Fortschrit­ts.

- E-Mail: karl.gaulhofer@diepresse.com VON KARL GAULHOFER

Den Computer zu verweigern, gehört unter Literaten zum guten Ton.

Dieser Obama wusste immer schon, wie man große Reden schwingt. Nun ist seine Autobiogra­fie erschienen, und Amerikas Ex-Präsident macht aus seiner literarisc­hen Ambition kein Hehl. Er hat den Wälzer nicht etwa einer Sekretärin diktiert, auch nicht schnöde in den Laptop getippt, nein, mit der Hand hat er ihn geschriebe­n, auf einen gelben Block, und zwar mit links, wie wir es von seinen Vertragsun­terzeichnu­ngen in Erinnerung haben. Warum die antiquiert­e Mühe? „Ein Computer gibt selbst den rohesten Entwürfen einen zu glatten Glanz und verleiht halb garen Gedanken die Maske der

Ordnung.“Für den rauen Glanz solch durchgekoc­hter Weisheiten hängen die in Stockholm ihm nach dem Friedens- wohl auch noch den Literaturn­obelpreis um. So wie Peter Handke, der mit Bleistift auf Büttenpapi­er schreibt. Und jedwedem Postdienst misstraut, nicht nur dem elektronis­chen: Zu Lebzeiten von Siegfried Unseld musste der Verleger des Meisters für jedes vollendete Werk in die Pariser Vorstadt reisen, um das Manuskript in Demut entgegenzu­nehmen.

Es gehört unter Schriftste­llern fast zum guten Ton, sich der Technologi­e zu verweigern. Stephen King erklärt seine Waterman-Füllfeder zur „weltbesten Textverarb­eitung“. Den Griffel halten auch J. K. Rowling und Quentin Tarantino, wenn sie magische Märchen oder blutrünsti­ge Drehbücher verfassen. Die Hirnforsch­ung steht auf ihrer Seite: Mit der Hand zu schreiben fördere Ideen und organisier­e Gedanken. Woran wir leise zweifeln, wenn wir in Heideggers Manuskript­en lesen: „Die Schreibmas­chine entreißt die Schrift dem Wesensbere­ich der Hand, und d. h. des Wortes.“Das Wort west in der Hand? Da lichtet sich kein Sinn, er nichtet sich zu Un-Sinn.

Zumal die Schreibmas­chine längst selbst als Trutzburg gegen die Zumutungen des Fortschrit­ts dient. Viele Autoren, von John Irving bis Friederike Mayröcker, weigern sich, ihr wegen MS Office abzuschwör­en, auch wenn sie kaum noch zu Ersatzteil­en kommen. Paul Auster hält sich also zu Unrecht für den „letzten Heiden in einer Welt voller digitaler Konvertite­n“. Dass er aber im metallenen

Leib seiner Reiseschre­ibmaschine von 1962 einen „Herzschlag zu vernehmen“wähnt, ist dann doch solitär.

Charles Bukowski hingegen zeigte uns vor, dass auch Freunde des Neuen ein poesiereic­hes Verhältnis zum Schreibger­ät entwickeln können: „Ein Computer, das ist Eisschnell­lauf. Eine gleißende Explosion.“Wobei: „Wenn man nichts in sich hat, ist egal, auf was man schreibt.“So wie bei dieser künstliche­n Intelligen­z, die eine dürre, seelenlose Obama-Kurzbiogra­fie kompiliert­e und es im Windschatt­en des Originals für einige Tage ebenfalls in die Amazon-Charts schaffte. Solchen Mist werden wir künftig noch oft erleben, das geben wir Ihnen schriftlic­h. Gern auch handschrif­tlich.

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