Mit der Hand schreiben?
Barack Obama hat seine Autobiografie mit dem Stift auf Papier verfasst. Den Computer zu verweigern, gehört unter Literaten zum guten Ton. Auch die Schreibmaschine dient als Trutzburg gegen die Zumutung des Fortschritts.
Den Computer zu verweigern, gehört unter Literaten zum guten Ton.
Dieser Obama wusste immer schon, wie man große Reden schwingt. Nun ist seine Autobiografie erschienen, und Amerikas Ex-Präsident macht aus seiner literarischen Ambition kein Hehl. Er hat den Wälzer nicht etwa einer Sekretärin diktiert, auch nicht schnöde in den Laptop getippt, nein, mit der Hand hat er ihn geschrieben, auf einen gelben Block, und zwar mit links, wie wir es von seinen Vertragsunterzeichnungen in Erinnerung haben. Warum die antiquierte Mühe? „Ein Computer gibt selbst den rohesten Entwürfen einen zu glatten Glanz und verleiht halb garen Gedanken die Maske der
Ordnung.“Für den rauen Glanz solch durchgekochter Weisheiten hängen die in Stockholm ihm nach dem Friedens- wohl auch noch den Literaturnobelpreis um. So wie Peter Handke, der mit Bleistift auf Büttenpapier schreibt. Und jedwedem Postdienst misstraut, nicht nur dem elektronischen: Zu Lebzeiten von Siegfried Unseld musste der Verleger des Meisters für jedes vollendete Werk in die Pariser Vorstadt reisen, um das Manuskript in Demut entgegenzunehmen.
Es gehört unter Schriftstellern fast zum guten Ton, sich der Technologie zu verweigern. Stephen King erklärt seine Waterman-Füllfeder zur „weltbesten Textverarbeitung“. Den Griffel halten auch J. K. Rowling und Quentin Tarantino, wenn sie magische Märchen oder blutrünstige Drehbücher verfassen. Die Hirnforschung steht auf ihrer Seite: Mit der Hand zu schreiben fördere Ideen und organisiere Gedanken. Woran wir leise zweifeln, wenn wir in Heideggers Manuskripten lesen: „Die Schreibmaschine entreißt die Schrift dem Wesensbereich der Hand, und d. h. des Wortes.“Das Wort west in der Hand? Da lichtet sich kein Sinn, er nichtet sich zu Un-Sinn.
Zumal die Schreibmaschine längst selbst als Trutzburg gegen die Zumutungen des Fortschritts dient. Viele Autoren, von John Irving bis Friederike Mayröcker, weigern sich, ihr wegen MS Office abzuschwören, auch wenn sie kaum noch zu Ersatzteilen kommen. Paul Auster hält sich also zu Unrecht für den „letzten Heiden in einer Welt voller digitaler Konvertiten“. Dass er aber im metallenen
Leib seiner Reiseschreibmaschine von 1962 einen „Herzschlag zu vernehmen“wähnt, ist dann doch solitär.
Charles Bukowski hingegen zeigte uns vor, dass auch Freunde des Neuen ein poesiereiches Verhältnis zum Schreibgerät entwickeln können: „Ein Computer, das ist Eisschnelllauf. Eine gleißende Explosion.“Wobei: „Wenn man nichts in sich hat, ist egal, auf was man schreibt.“So wie bei dieser künstlichen Intelligenz, die eine dürre, seelenlose Obama-Kurzbiografie kompilierte und es im Windschatten des Originals für einige Tage ebenfalls in die Amazon-Charts schaffte. Solchen Mist werden wir künftig noch oft erleben, das geben wir Ihnen schriftlich. Gern auch handschriftlich.