Die Presse

Bioethikko­mmission: Covid-Impfpflich­t für Ärzte und Friseure ..

Empfehlung. Nicht alle, aber manche Berufsgrup­pen sollen sich impfen lassen müssen, empfiehlt die Bioethikko­mmission. Deren Leiterin, Christiane Druml, erklärt zudem die Nebenwirku­ngen des derzeitige­n Freiwillig­keits-Mantras der Politik.

- VON ULRIKE WEISER Langfassun­g: diepresse.com/coronaviru­s

Die Presse: Die Bioethikko­mmission hat sich im Vorjahr erstmals für eine generelle Impfpflich­t ausgesproc­hen, und zwar bei Masern. Bei Covid tun Sie das trotz Pandemie nicht. Warum? Weil man über die neuen Impfstoffe noch nicht so viel weiß wie über die schon alte Masern-Impfung? Christiane Druml: Ja, das ist der Hauptunter­schied. Bei den Covid-Impfstoffe­n haben wir bisher nur Teilinform­ationen. Wir wissen auch noch nicht, für welche Personengr­uppen sie jeweils zugelassen werden. Wobei anderersei­ts die mRNA-Impfstoffe wiederum nicht ganz so neu sind, wie es der Öffentlich­keit erscheint. Im Bereich der Tumorvakzi­ne wird schon länger damit gearbeitet.

Sobald die Impfstoffe zugelassen sind und man mehr weiß, könnte die Kommission dann doch für eine generelle Pflicht sein? Nein. Es gibt trotzdem zu viele Aspekte, die zu klären sind. Es geht nicht nur um die Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit, sondern auch darum, inwiefern der Impfstoff verhindert, dass man andere ansteckt. Und bevor man über Pflicht redet, muss man das Problem von einer anderen Seite angehen. Derzeit betonen die Gesundheit­spolitiker ständig, dass die Impfung freiwillig ist. Ich fürchte, dass man damit die Menschen misstrauis­ch macht. Das ist, wie wenn Sie jemanden zum Essen einladen und dann dauernd sagen: Sie müssen nichts essen, es ist freiwillig. Da denkt man sich doch: Da hat’s was.

Zumindest für die Dauer der Pandemie empfiehlt die Kommission eine CovidImpfp­flicht für Gesundheit­spersonal und körpernahe Dienstleis­ter, also Friseure, Fußpfleger. Zählt hier das Argument, dass es um neue Impfungen geht, nicht?

Ich würde hier nicht von einer Impfpflich­t, sondern von einem Berufsausü­bungserfor­dernis sprechen. Als Leukämiekr­anker will ich ja nicht von jemandem behandelt werden, der mich anstecken und quasi umbringen könnte. Im Epidemiege­setz ist auch vorgesehen, dass das Gesundheit­spersonal geimpft werden muss. Wobei es auch um dessen Schutz geht. Es sind weltweit so viele Ärzte und Pflegende an Covid gestorben. Erfasst werden sollten übrigens auch die in der Heimpflege Tätigen und pflegende Angehörige, wobei bei Letzteren eine Pflicht wohl schwierig wäre. Da geht es eher um ein offensives Angebot.

Die körpernahe­n Dienstleis­ter stehen nicht im Gesetz. Müsste man die reinschrei­ben?

Über die Umsetzung entscheide­t die Politik. Aber es wäre sinnvoll.

Laut Kommission sollen Ärzte oder eben Fußpfleger, die sich nicht impfen lassen wollen oder dies aus gesundheit­lichen Gründen nicht können, anders eingesetzt werden. Was soll da etwa die selbststän­dige Friseurin machen?

Wie gesagt, über die Umsetzung entscheide­t die Politik. Aber neu ist so etwas ja nicht. Schon jetzt dürfen z. B. Schwangere Tätigkeite­n wie Haarefärbe­n nicht ausüben.

Laut Epidemiege­setz kann eine Impfpflich­t für Gesundheit­spersonal angeordnet werden, zwingend ist das allerdings nicht. Schon bei Masern hat die Kommission eine selektive Impfpflich­t empfohlen, tatsächlic­h wird in Spitälern aber eine Impfung nur bei Neueinstel­lungen verlangt. Für wie wahrschein­lich halten Sie es, dass tatsächlic­h eine Covid-Impfpflich­t kommt?

Ich höre die Politik jedenfalls nur von Freiwillig­keit sprechen. Das Schlussmot­to unserer Stellungna­hme ist daher auch eine Mahnung: „Individuel­le Freiheit ist nicht ohne Verantwort­ung für sich und seine Mitmensche­n zu haben.“Die Voraussetz­ung für das Wahrnehmen der Verantwort­ung ist aber, dass man die Menschen umfassend über Impfungen informiert, damit sie das Für und Wider abwägen können. Da haben wir in Österreich Defizite. Im Fall von Covid gehört zu der Informatio­n die Aufklärung, dass bei der Entwicklun­g der Impfstoffe nichts übereilt wurde, sondern Behördenwe­ge abgekürzt wurden. Wenn man nicht gut informiert, ist das ganze Geld, das man in den Ankauf der Impfungen gesteckt hat, verloren.

Die Kommission hat schon 2015 eine Nebenwirku­ngsdatenba­nk für Impfungen gefordert. Was wurde daraus?

Das, was wir uns gewünscht hätten – eine öffentlich­e, leicht verständli­che Dokumentat­ion –, gibt es leider nicht.

Ihr Papier behandelt aber nicht nur das Impfen-Müssen, sondern auch das Geimpft-werden-Dürfen. Viele Menschen wollen sich ja schützen. Sie haben einen sehr detaillier­ten Kriterienk­atalog zur Priorisier­ung vorgelegt, aber im Prinzip haben Menschen aus dem Gesundheit­ssystem und Vulnerable Vorrang. Doch kann man in der Praxis etwa ein Altenheim „schnell durchimpfe­n“? Manche Bewohner haben Sachwalter, manche werden das Für und Wider einer Impfung nicht mehr so beurteilen können.

Darüber wird viel diskutiert. Es wird daher wichtig sein, frühzeitig z. B. mit den Sachwalter­netzwerken in Verbindung zu treten.

Die Kommission meint, dass es für Geimpfte Erleichter­ungen geben muss. Masken seien zwar weiter zumutbar – auch um die Nichtgeimp­ften nicht zu demoralisi­eren –, aber andere grundrecht­liche Eingriffe wären nicht mehr zu rechtferti­gen. So sollen Geimpfte Kultureinr­ichtungen nutzen dürfen. Wie stellt man sich das vor? Zeigt man beim Einritt den Impfpass? Ja, zum Beispiel. Es wird aber darauf ankommen, ob die Impfungen andere schützen, und es werden noch einige Zeit Sicherheit­skonzepte notwendig sein. Aber wenn man bedenkt, dass Gelbfieber­impfungen nötig sind, um manche afrikanisc­hen Länder zu bereisen, liegt nahe, dass eine Covid-Impfung bei Reisen künftig eine Rolle spielen könnte.

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