„Wie im Krieg“: Mann rast mit Auto in Fußgängerzone
Deutschland. Tote und Verletzte in Trier. Polizei nahm 51-jährigen Mann fest. Oberbürgermeister spricht von „Amokfahrer“.
Berlin/Trier. Oberbürgermeister Wolfram Leibe versucht die Tränen zu unterdrücken, als er am Dienstagnachmittag in Trier vor die Kameras tritt. Der SPD-Politiker war zuvor in der Fußgängerzone seiner Stadt, die an diesem Dienstag Tatort ist. „Es war einfach nur schrecklich“, sagt Leibe. „Da steht ein Turnschuh. Das Mädchen dazu ist tot.“Dann versagt dem Stadtchef die zittrige Stimme. Er reicht das Mikrofon weiter.
Rund eineinhalb Stunden zuvor war ein Auto durch die Fußgängerzone der 115.000-Einwohner-Stadt gerast. Der Lenker rammte dabei mit seinem SUV offenbar wahllos Passanten. Ersten offiziellen Angaben zufolge wurden mindestens zwei Menschen getötet und mehr als ein Dutzend weitere, teils schwerst, verletzt. Am Steuer saß ein 51-jähriger Deutscher aus der Region. Die Polizei stellte sein Fahrzeug sicher und nahm den Mann fest. Er wehrte sich. Auf Twitter kursierten Bilder, die zeigen, wie der Fahrer von der Polizei auf den Gehsteig gedrückt wird.
Offenbar wahllos Passanten angefahren
Gegen 14 Uhr sollen die Einsatzkräfte die ersten Notrufe aus der pittoresken Innenstadt erreicht haben. Deutschland ist nur im sanften Lockdown. Geschäfte und Schulen hatten auch in Trier am Dienstag geöffnet. Die Amokfahrt ereignete sich unweit des Wahrzeichens der Stadt, der Porta Nigra, einem Stadttor aus Römerzeiten, und soll sich über eine Länge von mindestens einem Kilometer erstreckt haben, wie Verantwortliche schätzten. Die Behörden riefen eine sogenannte Sonderlage aus. Bewohner wurden angehalten, die Innenstadt zu meiden.
Bald wurde zwar Entwarnung gegeben, das Zentrum aber blieb Sperrgebiet für Passanten. Ermittler sicherten Spuren. Videoaufnahmen zeigten ein Großaufgebot an Einsatzfahrzeugen und flatternde Asperrbänder in Trier.
„Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft. Wir denken, das kann bei uns nicht passieren. Jetzt ist es passiert“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, die für sich beansprucht, die älteste Deutschlands zu sein. Später erklärte er in einem Interview, dass es in der Innenstadt aussehe „wie im Krieg“. Augenzeugen schilderten gegenüber deutschen Medien dramatische Szenen. Menschen seien durch die Luft geschleudert worden. Der Oberbürgermeister sprach von einem „Amokfahrer“. Das Motiv des Mannes lag zunächst im Dunkeln.
Sicher ist nur, dass auch in Deutschland mehrfach Fahrzeuge als Waffen eingesetzt wurden. Der Tunesier Anis Amri hatte mit einem gekaperten Lkw vor knapp vier Jahren einen islamistisch motivierten Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt verübt. Im April 2018 war ein 48-jähriger Deutscher mit einem Kleinbus durch das Zentrum von Münster gerast. Vier Menschen starben. Es gab mehr als 20 Verletzte. Der Fahrer erschoss sich danach selbst. Damals wurde rasch über einen extremistischen Hintergrund spekuliert. Später schlossen Staatsanwaltschaft und Polizei einen politischen oder religiösen Hintergrund aus. Als Motiv nannten die Ermittler „temporäre, psychische Labilität“.
Bundesregierung erschüttert
Die Ministerpräsidentin von RheinlandPfalz, Malu Dreyer, wollte noch am Dienstagabend an den Tatort eilen. Trier ist die Heimatstadt der SPD–Politikerin. Auch im politischen Berlin wanderten die Blicke in den Südwesten der Republik, in die Grenzregion zu Luxemburg. „Was in Trier geschehen ist, ist erschütternd“, twitterte Steffen Seibert, der Sprecher der deutschen Bundesregierung.