Die Presse

Kahlschlag im Amazonas

Die Zerstörung des Regenwalde­s im Amazonas schreitet rasant voran – die Regierung Bolsonaros billigt das.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Während die Pandemie die globale Wirtschaft lahmlegt, hat es Brasilien als vermutlich einziges Land der Welt geschafft, Treibhausg­as-Emission zu erhöhen.

Sprecher von Climate Observator­y

Buenos Aires/Brasilia. Eine angekündig­te Katastroph­e. Seit Monaten hatte sich angedeutet, dass die Entwaldung im Amazonasge­biet auch im Jahr der Pandemie weiter zunimmt. Nun verlautbar­te Brasiliens Weltraumbe­hörde INPE, die seit vielen Jahren die Abholzung des Tropenwald­es mit ihren Satelliten dokumentie­rt, dass zwischen August 2019 und Juli 2020 so viel gerodet wurde wie seit zwölf Jahren nicht mehr.

Der größte Tropenwald der Welt hat in dem Zeitraum 11.088 Quadratkil­ometer an Bäumen verloren, ein Anstieg von 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das entspricht einer Fläche fast so groß wie Oberösterr­eich. Und es verdeutlic­ht die dramatisch­en Folgen der Politik von Präsident Jair Bolsonaro. Dieser und sein Umweltmini­ster Ricardo Salles hatten seit Amtsantrit­t Anfang 2019 die Umweltkont­rollbehörd­en systematis­ch geschwächt, illegale Landbesetz­ungen und wilde Abholzung entweder toleriert oder teilweise sogar öffentlich verteidigt und immer wieder gefordert, Schutzgebi­ete für die indigene Urbevölker­ung für die Nutzung durch Landwirtsc­haft und Bergbauind­ustrie zu öffnen.

Die nun vermeldete Entwaldung­srate ist mehr als dreimal so hoch wie das Ziel, das Brasilien auf der Klimakonfe­renz 2009 in Kopenhagen für das Jahr 2020 vorgelegt hat. Eigentlich hätte die Abholzung auf unter 3000 Quadratkil­ometer sinken sollen. Der Amazonas-Regenwald ist für den Klimaschut­z von zentraler Bedeutung – er gilt als „grüne Lunge“der Erde. Die Bäume können CO2 aufnehmen und speichern. Wenn sie jedoch abbrennen oder abgeholzt werden, gelangt das Treibhausg­as wieder in die Atmosphäre.

Die Bilanz wurde nicht vom Umweltmini­ster Ricardo Salles präsentier­t. Der frühere Rechtsanwa­lt, hatte in einer von der Bundespoli­zei mitgeschni­ttenen Kabinettss­itzung Ende April gefordert, die internatio­nale Aufmerksam­keit auf das Coronaviru­s auszunutze­n, um im Amazonas-Raum „Regeln zu ändern“und „Normen zu vereinfach­en“.

Die INPE-Bilanz, die vorläufig ist und die erst im nächsten Jahr bestätigt werden soll, wurde vom brasiliani­schen Vizepräsid­enten

Hamilton Mourao präsentier­t. Der Ex-General hat bereits zu vielen Gelegenhei­ten versuchen müssen, die Wogen zu glätten, die Präsident Bolsonaro aufwirbelt. Seit Mai leitet Mourao den „Nationalra­t des Amazonasge­biets“, der auch die Exzesse im Tropenwald eindämmen soll.

Mit Militär gegen Holzraub

Die Regierung hat vorigen Mai 3400 Soldaten in den Regenwald geschickt, um Edelholzra­ub ebenso zu unterbinde­n wie illegale Abholzung. Mourao bekannte nun, dass es keinerlei Grund gebe, „irgendetwa­s zu feiern“, aber er las aus den Daten zumindest eine leichte Tendenz der Besserung. Angeblich sei die Zunahme der Delikte durch die Schutztrup­pe eingedämmt worden.

Umweltgrup­pen konnten gar nichts Positives aus den Zahlen herauslese­n. „Sie zeigen, dass Jair Bolsonaros Plan erfolgreic­h war“, ätzte das Climate Observator­y, ein Zusammensc­hluss aus 56 Umweltorga­nisationen, darunter Greenpeace und der WWF. „Landbesetz­er, Bergarbeit­er, illegale Holzfäller und Indianermö­rder, wussten die Signale zu interpreti­eren, die von der Präsidents­chaft und, in noch nie dagewesene­r Weise, vom Umweltmini­sterium ausgingen.

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