Die Presse

Das Brötchen in der Krise

Lieferserv­ice. In Ottakring haben die Brötchen der Familie Ottendorfe­r das Greißlerst­erben überlebt. Nun baut man auf die Solidaritä­t der Kunden.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Wir sind die Familie Ottendorfe­r-Kocaman. Wir sind die Familie hinter Ottendorfe­r Brötchen. Wir sind ein kleiner Familienbe­trieb, den es bald 60 Jahre in Wien Ottakring gibt.“

Mit diesen Worten begannen Birgit Ottendorfe­r und ihr Mann, Yilmaz Kocaman, am 1. November ein Facebook-Posting. Ursprüngli­ch, heißt es darin, war das Geschäft ein Greißler, den Ottendorfe­rs Vater schon von seinem Vater übernommen hat. Das Geschäft habe das Greißlerst­erben überlebt, sei mit den Jahren zur Brötchenma­nufaktur geworden. „Und unsere belegten Brötchen schmecken wirklich super!“, schrieben die beiden. „Aber so etwas wie Corona ist unserem Geschäft in den letzten 60 Jahren nie passiert.“Und: „Wir stehen vor der großen Frage, wie es jetzt weitergehe­n soll.“

Inzwischen ist zumindest ein bisschen Hoffnung in die Brötchenma­nufaktur zurückgeke­hrt. Denn Hunderte Menschen haben das Posting geteilt, seither trudeln wieder Bestellung­en ein. Nicht für Partys oder Seminare natürlich. Aber Stammkunde­n und auch fremde Menschen, erzählt Birgit Ottendorfe­r, bestellen sich ein paar Brötchen – einfach, um das Unternehme­n zu unterstütz­en. „Auch wenn das nur kleine Gesten sind – sie helfen, uns über Wasser zu halten.“

Früher, da gab es bei Ottendorfe­r in der Haberlgass­e beim Brunnenmar­kt alles, von der Schuhcreme biszur Wurst. Birgit Ottendorfe­r ist mit dem Geschäft aufgewachs­en, hat als Kind Getränke und Nudeln eingeordne­t, wurde mit Gummischla­ngen entlohnt. Später wollte sie, wie auch ihre beiden Schwestern, das Familienun­ternehmen eigentlich nicht übernehmen. Sie studierte Geschichte, arbeitete in der Pressearbe­it und im SocialMedi­a-Bereich. Und sie absolviert­e, als Ausgleich zur Schnellleb­igkeit der Zeit, eine Achtsamkei­tsausbildu­ng. Mit Fräulein im Glück betreibt sie dazu einen Blog, in dem sie sich auch mit Familie (mit ihrem Mann hat sie ein Patchwork mit fünf Kindern) und Minimalism­us beschäftig­t.

Als 2019 ihr Vater in Pension ging, wurde doch eine Lösung gefunden: Ihr Mann, Yilmaz Kocaman, eigentlich Produktion­sleiter in einer Beschichtu­ngsfirma, aber auch begeistert­er Koch, übernahm – und damit irgendwie auch sie selbst. Weil das alte Geschäftsl­okal, zuvor zum Friedenszi­ns gemietet, nicht mehr zu haben war, siedelte die Firma ein paar Hausnummer­n weiter. Dort versuchen die beiden nun, zu den Kunden jene persönlich­e Beziehung zu pflegen, die Ottendorfe­rs Vater als Greißler vorgelebt hat.

Freilich, manchmal fühlt sich Ottendorfe­r heute an ihre Mutter erinnert, die früher gelegentli­ch geseufzt hat: Wenn sie noch einmal auf die Welt komme, werde sie nicht mehr selbststän­dig. Das aktuelle Problem ist: Die Manufaktur firmiert nicht als Gastronomi­ebetrieb, sondern als Lebensmitt­elhändler, der ja offen sein darf. Nur, dass eben niemand Brötchen braucht (geschweige denn die übrigen Catering-Gerichte aus dem Angebot).

Box mit Brötchen und Keksen

So versuchen Ottendorfe­r und Kocaman, sich neue Dinge zu überlegen. Etwa eine Box mit Brötchen und Keksen. Die Kekse stammen dabei von der Kekserei Körber in Hernals; überhaupt, sagt Ottendorfe­r, arbeite sie mit Unternehme­n aus der Umgebung, mit denen oft schon ihr Vater zusammenge­arbeitet hat. So kommt das Gebäck von Linsbichle­r, die Gemüsemayo­nnaise von Rösel, die Aufstriche liefert Feinkost Sigl. Und: Noch im Frühjahr hat Ottendorfe­r mithilfe nächtliche­r YouTube-Videos einen Onlineshop gebaut, auf das Ende des ersten Lockdowns gehofft. „Inzwischen haben wir das Gefühl: Wer weiß, wie lang das alles noch dauert. Größere Veranstalt­ungen wird es wohl noch lang nicht geben.“

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[ Carolina M. Frank] Birgit Ottendorfe­r und Yilmaz Kocaman laden dazu ein, einen „besonderen Tag“einzulegen.

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