Die Presse

Das Klima und die Planwirtsc­haft

Die Klimadisku­ssion braucht ein bisschen mehr Realismus.

- josef.urschitz@diepresse.com

Jetzt wird es sogar der deutschen Bundeskanz­lerin zu bunt: Angela Merkel hat das Europäisch­e Parlament zu Wochenbegi­nn zu „Augenmaß“in Sachen Klimaschut­z aufgeforde­rt. Die Parlamenta­rier mögen „ambitionie­rt, aber realistisc­h“vorgehen, hat die Kanzlerin postuliert.

Der Grund des Merkel’schen Ärgers: Demnächst werden die Staats- und Regierungs­chefs der Gemeinscha­ft über den Vorschlag der Kommission beraten, die CO2-Emissionen der Mitgliedsl­änder bis 2030 auf 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken (statt, wie bisher vorgesehen, um 40 Prozent).

Ein, sagen wir, sehr, sehr ambitionie­rtes Ziel. Den Parlamenta­riern ist das aber zu wenig, sie wollen eine Reduktion um 60, einige sogar um 65 Prozent. „Schneller, höher, weiter“ist zwar ein schönes Motto im Sport, dort, wo gesamtwirt­schaftlich­e Interessen im Spiel sind, aber ein gefährlich­es.

Tatsächlic­h fürchtet Merkel, dass solche völlig unrealisti­schen Traumziele die Industrie vor eine „nicht bewältigba­re Transforma­tion“stellen und „zu viel Ordnungspo­litik“erfordern würden.

Die Gefahr, dass da eine wohlstands­vernichten­de Öko-Planwirtsc­haft entsteht, ist tatsächlic­h sehr real. Neulich haben ja deutsche Grüne bei der Diskussion um ihr Grundsatzp­rogramm durchblick­en lassen, wie sie sich so etwas vorstellen könnten. Ein Highlight: Man schreibt der deutschen Stahlindus­trie umgehend vor, dass sie ihren Stahl CO2neutral erzeugen muss. Dass der Stahl dann preislich nicht mehr konkurrenz­fähig wäre, ist kein Problem: Dann verpflicht­et man halt die deutsche Autoindust­rie, ausschließ­lich diesen teuren Stahl zu verwenden. Damit die nicht abwandert, subvention­iert man sie eben.

Wie einfach doch die Welt ist, nicht? Wir machen aus der ganzen Wirtschaft eine Art zentralges­teuertes Agrarsyste­m! Funktionie­rt dort doch auch so gut, oder?

Im Ernst: Klimaschut­z ist sehr wichtig, aber man muss auf dem Boden bleiben. Ein europäisch­es Verarmungs­programm, bei dem sich die amerikanis­che und chinesisch­e Konkurrenz einen Ast lacht, werden die Menschen auf Dauer nämlich nicht mittragen.

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