UniCredit: Wie Mustiers Plan zerfiel
Jean Pierre Mustier, Chef der Bank-Austria-Mutter UniCredit, verlässt im April das italienische Kreditinstitut – und macht den Weg frei für eine staatlich orchestrierte Bankenfusion.
Wien. Der überraschende Abgang von Jean Pierre Mustier als UniCredit-Chef offenbart vor allem eines: den Einfluss der italienischen Politik auf die Wirtschaft. Um ihre Wünsche in der zweitgrößten Bank des Landes durchzusetzen, muss sie nicht einmal am Unternehmen direkt beteiligt sein.
Die Entscheidung Mustiers, UniCredit mit Vertragsende im April zu verlassen, kam nach einem Konflikt mit dem Verwaltungsrat über die künftige Strategie der Bank. Der Franzose hatte Ende 2019 mit seinem Plan „Team 23“verkündet, den Fokus auf die eigene Bankengruppe zu richten. Er wollte seinen harten, aber bis dahin erfolgreichen Sparkurs fortsetzen, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und nur organisch wachsen – sich also fernhalten von den in der europäischen Bankenbranche kursierenden Übernahmefantasien. Immerhin besitzt UniCredit bereits Banken in Deutschland (Hypo-Vereinsbank), in Österreich (Bank Austria) und in großen Teilen Osteuropas.
Außerdem wollte Mustier den UniCredit-Aktionären mit Dividenden und Aktienrückkäufen danken: Sie hatten ihn Anfang 2017, ein halbes Jahr nach seinem Antritt, mit einer 13-Milliarden-Euro-Kapitalerhöhung unterstützt und damit die Restrukturierungen überhaupt erst ermöglicht. Die größten Aktionäre sind die US-Investmentfirmen Blackrock und Capital Group Companies mit je fünf Prozent, Norwegens Norges Bank mit drei Prozent. Es folgen viele institutionelle Anleger mit geringeren Anteilen. Die öffentliche Hand ist nur über einige norditalienische Gemeinden beteiligt, deren Sparkassen 1998 mit der UniCredit fusionierten.
2020 kam alles anders
Doch 2020 kam vieles anders als erwartet. Nach dem Ausbruch der Coronapandemie empfahlen die europäischen Bankenaufseher, heuer keine Dividenden auszuschütten und keine eigenen Aktien zurückzukaufen. Damit war schon einmal ein wesentlicher Teil von Mustiers Plan zunichte gemacht.
Hinzu kam eine immer größere Dringlichkeit Italiens, die 2017 um 5,4 Mrd. Euro aufgefangene toskanische Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) loszuwerden. Die EU hatte die Rettung nur unter der Auflage erlaubt, den 68-ProzentStaatsanteil bis Ende 2021 wieder zu privatisieren. Da die größte italienische Bank, Intesa, im Sommer den Kauf der siebtgrößten Bank, UBI Banca, verkündete und die
Credit Agricole gerade dabei ist, ihr schon großes Italien-Geschäft mit der Übernahme der Credito Valtellinese auszuweiten, fiel die Wahl auf die – dank Mustiers Sparkurs – gut kapitalisierte UniCredit.
Doch der ehemalige Fallschirmjäger sträubte sich. Wenn es schon zu einer Übernahme komme, dann nur unter günstigen Bedingungen für sein Institut. So wurden zuletzt Anreize wie Verlustvorträge oder die Staatshaftung für Rechtsrisken der MPS als Mitgift kolportiert. Doch die Regierung war sich selbst intern nicht einig: Während der zum Partito Democratico gehörende Finanzminister den Deal vorantrieb, stellte sich die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung dagegen und verhinderte allzu großzügige Zugeständnisse. Also entschied sich Mustier für den Rückzug. Dabei hatte er erst im Februar einen Abwerbeversuch der britischen HSBC ausgeschlagen.
Das macht freilich den Weg frei für eine Übernahme der MPS durch die UniCredit. Zumal zeitgleich mit Mustiers Abtritt Pier Carlo Padoan den Verwaltungsrat-Vorsitz übernimmt. Der 70-Jährige war Wirtschaftsminister, als die MPS vom Staat übernommen wurde.
Die Bank Austria spielt bei den Vorgängen übrigens keine Rolle – und beobachtet die Entwicklungen in Rom und Mailand mit Interesse.