Die Presse

Kann die Stadt re-industrial­isiert werden?

Nachdem sich Wien in den 1970er- und 80er-Jahren zur Dienstleis­tungsstadt wandelte, träumen manche heute von einer Re-Industrial­isierung mit „sauberer“Industrie 4.0. Doch welchen Platz hat Industrie noch in einer Großstadt wie Wien?

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In den 1970er-Jahren war eine Abwanderun­g von Industrieb­etrieben aus der Stadt politisch gar nicht unerwünsch­t. Einerseits sollten noch agrarisch geprägte Gegenden wie das niederöste­rreichisch­e Waldvierte­l durch die gezielte Ansiedlung von Produktion­sunternehm­en wiederbele­bt werden. Anderersei­ts wollte man die Stadt von der – damals in der Regel noch sehr lauten und schmutzige­n – Industrie befreien. Das Ziel war ein Wandel zur städtische­n Dienstleis­tungsgesel­lschaft, mit Jobs in Büros, Gastronomi­e oder Handel.

Das ist auch gelungen. Nur mehr sechs Prozent der Werktätige­n in Wien arbeiten in der Industrie. Noch vor 20 Jahren waren es doppelt so viel. Und zu Beginn des städtische­n Strukturwa­ndels lag die Zahl der Industriea­rbeiter sogar um ein Vielfaches über dem heutigen Wert. Der Wertschöpf­ung hat dies aber keinen Nachteil gebracht. Mit einem Bruttoregi­onalproduk­t von zuletzt 51.000 Euro je Einwohner lag Wien nicht nur deutlich über dem Österreich-Schnitt von 43.600, sondern auch nach Salzburg bundesweit an zweiter Stelle. Und auch die Wertschöpf­ung der Industrie innerhalb Wiens blieb seit der Jahrtausen­dwende gleich bei rund 15 Prozent. Weniger Menschen in der Industrie produziert­en also mehr Güter.

Dennoch gibt es Überlegung­en, Industrie wieder in die Stadt zurückzuho­len. Grund dafür ist die Erkenntnis, dass die Warenprodu­ktion der Nukleus für Forschung und Entwicklun­g ist. Und heute geht es auch nicht mehr um rauchende Schlote, sondern um Hightech-Produktion im Rahmen von Zukunftsbr­anchen wie Elektromob­ilität oder künstliche­r Intelligen­z.

Ob das gelingen kann, darüber sind sich Experten uneinig. Als Problem wird vor allem der Flächenbed­arf der Industrie gesehen. Sie steht damit in großer Konkurrenz zu Wohnungen für die stark wachsende Stadt. Sinnvoll wäre da herein bundesländ­er übergreife­ndes Konzept, in das die Umlandgeme­inden eingebunde­n sind, so der Tenor. (jaz)

 ?? [ Günther Peroutka ] ?? Das Opel-Werk Aspern stand früher allein auf weiter Flur. Heute grenzt es an das Stadtentwi­cklungsgeb­iet der Seestadt Aspern.
[ Günther Peroutka ] Das Opel-Werk Aspern stand früher allein auf weiter Flur. Heute grenzt es an das Stadtentwi­cklungsgeb­iet der Seestadt Aspern.

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