„Donnerbrunnen darf nicht filetiert werden“
Kulturerbe. Kaum einer weiß, dass die Originalfiguren des Donnerbrunnens im Museum stehen. Bisher im Belvedere. In Zukunft in der zentralen Halle des neuen Wien-Museums. Über die geplante Aufstellung regt sich bereits jetzt Unmut.
Wie eine Geisel, das Gesicht mit einem Tuch verhüllt, wurde sie Zentimeter für Zentimeter, in einen stählernen Stützkäfig gespannt, hinausgeschoben – ausgerechnet der „Providentia“, der Vorsehung, wurde der Blick in ihre Zukunft genommen. Die fast zwei Tonnen schwere Mittelfigur des „Donnerbrunnens“gehörte zu den letzten Skulpturen, die vor Kurzem nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit den Ort verließen, an dem dieses wichtigste Barockensemble Österreichs die vergangenen 100 Jahre zu finden war.
Nicht am Neuen Markt – schon die Mods der Achtzigerjahre trafen sich dort rund um Kopien. Die sensiblen, aus Blei gegossenen Originale waren da schon längst im Marmorsaal des Unteren Belvedere in Sicherheit. Auch wenn sogar die dort vorbeiflanierenden Ausstellungsbesucher sich nicht alle im Zaum halten konnten und mit Fingernägeln oder Sonstigem Namen und Zeichen einritzten in die dunkel glänzende, nackte Haut der Flussgöttinnen und -götter, die sich rund um die Providentia räkelten.
Das erzählt Restauratorin Elisabeth Krebs, die in den nächsten Jahren selbst Hand anlegen wird – bei der ersten Restaurierung seit 70 Jahren, die im Depot des Wien-Museums stattfinden wird. Denn diesem Museum gehören die Brunnenfiguren, sie waren dem Belvedere nur geliehen. Woran man seit der Direktion Agnes Husslein keine Freude mehr gehabt haben soll, schließlich nahmen sie den gesamten repräsentativen Saal ein, wodurch Vermietungen nicht möglich, Sonderausstellungen räumlich unterbrochen waren. Was sich jetzt, nach Sanierung des Unteren Belvedere, ändern wird.
Brunnen stand für Stolz der Stadt Wien
Im Gegenzug soll das Donnerbrunnen-Ensemble zentrales Ausstellungsstück im neuen Wien-Museum werden. Was von der Erzählung her insofern passt, als es 1737 das erste vom Magistrat der Stadt Wien in Auftrag gegebene profane Kunstwerk im öffentlichen Raum war. Selbstbewusstsein und eben Vorsehung und Fürsorge der Stadtverwaltung sollten zum Ausdruck gebracht werden.
1773 mussten die Figuren aber schon ein erstes Mal entfernt werden – nicht wegen Bedenken der „Keuschheitskommission“Maria Theresias, wie die Legende sich noch bis heute rund ums kecke Hinterteil der TraunPersonifikation rankt. Sondern der materiellen Empfindlichkeit wegen. 1871 wanderten die Figuren endgültig ins Depot, um 1913 in der zentralen Halle des auf der Schmelz geplanten Historischen Museums der Stadt Wien aufgestellt zu werden. Wäre der Krieg nicht gewesen und es gebaut worden. Worauf also die bleierne Götterschaft samt Putti 1921 als Leihgabe im neu gegründeten Barockmuseum im Unteren Belvedere landete.
Für viele Kunsthistoriker der ideale, weil zeitnahe Aufstellungsort – von Lucas von Hildebrandt nur rund 20 Jahre vor Entstehung des Brunnens fertiggestellt. Vergossene Milch. Als neue Heimat scheint die zentrale Halle des Wien-Museums ab Herbst 2023 fix.
Allerdings gibt es bereits jetzt heftige Bedenken der geplanten Präsentation des Ensembles wegen, über die offiziell keine Details zu erhalten sind – weder von Bundesdenkmalamt (BDA) noch von Wien-Museum. Friedrich Dahm, Leiter des Wiener BDA, gab an, nur Expertise für die Überstellung und Restaurierung bereitgestellt zu haben. Auf die Präsentation könne man sowieso keinen Einfluss nehmen. Als Kunsthistoriker würde man es, so Dahm, allerdings als ideal ansehen, wenn die Figuren so aufgestellt würden, wie sie es waren – „aber da fehlt schon einmal das Brunnenbecken“.
Wer zerrisse Rodins „Bürger von Calais“?
Kann man diese in Bewegung und Rundumsicht so berückend aufeinander abgestimmte Gruppe überhaupt anders aufstellen? Der Grand Seigneur der Wiener Kunstgeschichte, Artur Rosenauer, will davon in einem Telefonat mit Wien-Museum-Direktor Matti Bunzl erfahren haben: „Angeblich soll das Ensemble auseinandergerissen, der Brunnen also filetiert werden“, erklärt er der „Presse“. „Das ist mehr als ungewöhnlich, macht man international doch das genaue Gegenteil, sucht Figuren von Ensembles zusammen, um sie zu rekonstruieren.“Es würde schließlich auch kein Museum, das Rodins „Bürger von Calais“besäße, auf die Idee kommen, die Figuren zu vereinzeln, so schön sie einzeln auch sein mögen.
So etwas dürfe beim Donnerbrunnen nicht passieren, so Rosenauer. Sei dieser nach dem Pacher-Altar doch das wichtigste Ensemble der österreichischen Skulptur überhaupt – und der bedeutendste Brunnen im deutschsprachigen Raum seit den Augsburger Monumentalbrunnen.
Ist diese Panik verfrüht? Wenn man im Museum, wie die Pressestelle betont, noch in der Diskussionsphase um die Aufstellung ist? „Wenn das Wien-Museum erst einmal steht, sind die Figuren wie in einem Käfig, ist diese Präsentation wie in Stein gemeißelt, auch wenn die Figuren aus Blei sind“, erklärt Rosenauer. Man müsse also, wenn tatsächlich zu wenig Platz vorhanden sei, früh Alternativen andenken. „Etwa einen modernen Glaspavillon für das ganze Ensemble im Küchengarten der Orangerie im Unteren Belvedere. Zum Beispiel.“