Die Politik sorgt für Streit im ORF
Medien. Norbert Steger spricht über FPÖ-Personalwünsche und ortet den ORF schon im Wahlkampf. ÖVPRat Zach kritisiert die Neos und Hans Peter Haselsteiner.
Es wird eine umfangreiche Sitzung, die der ORF-Stiftungsrat am Donnerstag zu absolvieren hat. Via Skype werden die 35 Räte das ORF-Budget und die Unternehmensstrategie bis 2025 diskutieren. Auf den ersten Blick herrscht noch Frieden im obersten Aufsichtsgremium des ORF. Die Entscheidungen wurden im vorbereitenden Finanzausschuss einstimmig befürwortet. Unter anderem wird für 2020 trotz Corona mit einem besseren Ergebnis gerechnet als zunächst erwartet. Im Frühling 2021 dürfte der Ton rauer werden, denn im August steht die Bestellung eines Generaldirektors oder einer Generaldirektorin an – und es gilt, Kandidaten in Stellung zu bringen.
Einer kann das schon jetzt tun: „Momentan führt Alexander Wrabetz alles, als wäre Wahlkampf“, sagt Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger (FPÖ) zur „Presse“. Aber es ist auch gut möglich, dass die jüngste Veröffentlichung von SMS-Chats zwischen Steger und dem damaligen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache aus 2019 dem nahenden ORF-Wahlkampf geschuldet ist. Sie deuten auf Postenbesetzungen hin, die zwischen der FPÖ und Generaldirektor Wrabetz vereinbart gewesen sein sollen – und an Steger herangetragen wurden. „Ich rede nicht regelmäßig mit den Parteien, aber mit dem Generaldirektor“, stellt Steger klar.
Im konkreten Fall hätte Wrabetz schon mit ihm über die geplante Postenvergabe gesprochen. Personalentscheidungen ab einer gewissen Ebene müssen vom Stiftungsrat abgesegnet werden. Steger weiter: „Es wird darüber gesprochen, wer ernannt werden soll – und normalerweise sagt man dann eh Ja.“Damals kamen aber Begehrlichkeiten aus dem FPÖ-Kabinett: „Ich habe eine SMS bekommen, in der mir ein Sekretär des Innenministers, der nichts mit dem Ganzen zu tun hat, mitteilt, was angeblich mit der ÖVP ausgemacht ist. Da war ich empört“, sagt Steger. Und fügt hinzu: „Ich habe nichts Unanständiges getan.“
Dass FPÖ-Personalwünschen entsprochen wurde, glaubt auch SPÖ-„Freundeskreisleiter“Heinz Lederer nicht: „Der Generaldirektor hat in den Medien und zu uns gesagt, nichts von diesen Personalwünschen sei umgesetzt worden. Ich glaube ihm – und ich sehe auch nicht, wo man solchen Personalwünschen gerecht geworden wäre.“Und Steger? Der sei ein „korrekter und neutraler“Stiftungsrats-Vorsitzender. „Ich glaube ihm, dass er die Avancen aus den Reihen der FPÖ abgewehrt hat.“
Steger: „Keine ORF-Diktatur“
Lederers ÖVP-Pendant Thomas Zach sagt, er habe „das Gefühl, dass im Moment eine Themensuche stattfindet. Ich kann an dieser Diskussion nichts Neues erkennen“. Regelmäßig würden dem ORF Themen aus der Politik „aufgezwungen“. Als Beispiel nennt er die Neos und deren scheidenden Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner. Dieser hatte im März den Antrag gestellt, dass bei einer Neuzusammensetzung des ORF-Gremiums (nach der Nationalratswahl) auch der Vorsitzende neu zu wählen sei. „Für mich war das das typische Beispiel, dass eine politische Partei offensichtlich Punkte sammeln will, indem sie von draußen eine Diskussion in den Stiftungsrat hineinträgt“, sagt Zach. „Das ist kläglich gescheitert.“Haselsteiner stand am Ende allein da. Jetzt kritisiert er, die „Freundeskreise“würden auf die eigene Macht statt auf das Wohlergehen des ORF schauen. Und wettert, über die neue ORF-Führung entscheide nicht der Stiftungsrat, sondern „der Herr Bundeskanzler – wie einst Caligula mit Daumen rauf oder Daumen runter“.
Mit Aussagen wie diesen hat es sich Haselsteiner bei einigen verscherzt. Aber er legte den Finger auch in eine Wunde: „Dass der ORF ein Vorzimmer des Bundeskanzlers wird – das muss man abwehren“, warnt Lederer.
Steger ärgert sich über „die permanente Abwertung“des Stiftungsrats durch Haselsteiner ebenso wie durch ORF-Mitarbeiter, konkret: durch den Redakteursrat. Dieser hatte zuletzt in einer Aussendung „empört“auf die SMS-Protokolle reagiert. Es sei „selbstverständlich“, dass die Ausschussvorsitzenden und der Stiftungsratsvorsitzende mit dem Generaldirektor über Personalfragen und Entwicklungen reden, findet hingegen Steger. „Es wäre ja abwegig zu glauben, wir haben die ORF-Diktatur, wo der Generaldirektor alles nur mit sich selber bespricht.“