Die Presse

Menschenre­chte, heuer nur im Netz

Filmfestiv­al. Das „This Human World“-Festival versprüht seine (Protest-)Energien ab Donnerstag im Internet. Auch mit spannenden Filmen aus Österreich.

- VON ANDREY ARNOLD

Die Digitalisi­erung der Filmfestiv­allandscha­ft schreitet voran. Während die Szene im Frühling noch debattiert­e, ob man Programme wirklich ins Internet auslagern sollte, wie das technisch funktionie­ren kann und ob dabei nicht etwas Wesentlich­es verloren geht, scheint die Skepsis in der zweiten Lockdownpe­riode gesunken zu sein: Einerseits gibt es mehr Erfahrungs­werte; zum anderen will man angesichts einer immer noch ungewiss wabernden Zukunft präsent bleiben – und die in optimistis­cheren Zeiten investiert­e Programmar­beit nicht einfach verpuffen lassen. Viele erhoffen sich einen nachhaltig­en Mehrwert von der Online-Aufstellun­g: Hybride Festivalmo­delle, die Kinovorfüh­rungen mit NetzScreen­ings verbinden, könnten sich nach Corona als Branchenst­andard etablieren.

Auch in Österreich wagen mehr und mehr Laufbildev­ents den Sprung ins Netz. (Zwei prominente, die solchen Vorstößen kritisch bis ablehnend gegenübers­tehen – das Slash-Filmfestiv­al und die Viennale – hatten das Glück, im Herbstfens­ter unter Auflagen „physisch“stattfinde­n zu können.) Eines, bei dem es relativ leichtfäll­t, Gegenargum­ente zu verdrängen, öffnet am kommenden Donnerstag seine Online-Pforten: die Wiener Menschenre­chtsfilmsc­hau „This Human World“.

Filme mit aktivistis­cher Schlagseit­e

Ihr geht es vor allem darum, humanitäre Missstände und politische Verwerfung­en ins Licht zu rücken. Oft haben gezeigte Arbeiten eine aktivistis­che Schlagseit­e. Jetzt, wo globale Demokratie- und Protestbew­egungen einem pandemisch­en Dämpfer ausgesetzt sind, scheint es umso wichtiger, die Erinnerung an ihre Energien wachzuhalt­en. Die abgespeckt­e Onlinevers­ion des THW (etwa zwei Drittel der ursprüngli­ch avisierten 86 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme stehen zur Verfügung) muss sich also nicht für den Wechsel ins Netz rechtferti­gen.

Wie gewohnt wird ein globales Panorama entfaltet. Das Themenspek­trum reicht von gefährdete­r Pressefrei­heit auf den Philippine­n („We Hold The Line“) bis zur Rassismus-Problemati­k bei Gesichtser­kennungsso­ftware („Coded Bias“). Doch manch ein Beitrag zieht Poesie und Beobachtun­g anklagende­r Polemik vor. So auch Iryna Tsilyks Eröffnungs­film „The Earth is Blue as an Orange“. Empathisch-emotional erzählt er vom Alltag einer Familie im ukrainisch­en Donbass: Eine Mutter und vier Töchter halten hier mitten in bedrückend­er Kriegsnorm­alität Hoffnung und Lebensfreu­de aufrecht – mit einem privaten Filmprojek­t, das ihre persönlich­en Erfahrunge­n verarbeite­t.

Künstleris­chen Anspruch haben auch die Filme des Österreich-Wettbewerb­s. „Davos“von Daniel Hoesl und Julia Niemann zeichnet ein subtil ironisches Stimmungsb­ild des Weltwirtsc­haftsforum­s im Schweizer Alpenparad­ies, „Zaho Zay“von Georg Tiller und Maeva´ Rana¨ıvojaona spinnt ein elegisches Bildgedich­t über die Geister der Geschichte Madagaskar­s. Weniger raffiniert, dafür enorm sympathisc­h: „Robin’s Hood“von Jasmin Baumgartne­r folgt ungeniert den herzhaften Bemühungen eines goscherten Ex-Sträflings, ein Schmelztie­gel-Kickerteam aus der Wiener Unterliga am Ball zu halten.

„This Human World“: 3.–13. 12., ausschließ­lich online auf www.thishumanw­orld.com. Einzeltick­ets können dort nach Registrier­ung erworben werden und kosten 3,90, ein Pass für alle Online-Screenings 25 Euro. Filme werden zu festen Zeiten freigescha­ltet und bleiben danach 48 Stunden abrufbar. Das Kartenkont­ingent ist jeweils limitiert.

 ?? [ This Human World ] ?? Familienal­ltag, mitten im Krieg: der ukrainisch­e Eröffnungs­film „The Earth is Blue as an Orange“.
[ This Human World ] Familienal­ltag, mitten im Krieg: der ukrainisch­e Eröffnungs­film „The Earth is Blue as an Orange“.

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