Die Presse

Ein Etappensie­g für die CBD-Branche

Der EuGH stuft CBD explizit nicht als Suchtmitte­l ein, doch ist das ein Freifahrts­chein für den Handel mit CBD-Produkten?

- VON VERONIKA APPL

Der Wirkstoff Cannabidio­l (CBD) ist seit einigen Jahren auch in Österreich im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. In den verschiede­nsten Wirtschaft­ssektoren hat sich ein regelrecht­er Boom beobachten lassen: sei es CBD-Eis, CBD-Öl, mit CBD angereiche­rte Tiernahrun­g oder auch CBD-Rauchwaren – der Innovation sind keine Grenzen gesetzt. Während die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für die Verwendung und den Einsatz von CBD strittig sind, lässt das aktuelle „Kanavape“-Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs aufhorchen. Der EuGH stuft CBD explizit nicht als Suchtmitte­l ein, und die CBD-Branche atmet höchst erleichter­t auf. Doch stellt diese Entscheidu­ng tatsächlic­h einen Freifahrts­chein für den Handel mit CBD-Produkten dar? Eine Bestandsau­fnahme und ein Ausblick.

Während zunächst auf CBDProdukt­e spezialisi­erte Shops scheinbar an jeder Straßeneck­e eröffnet wurden, haben die mit dem Hanfpflanz­enextrakt angereiche­rten Produkte mittlerwei­le den gesamten Einzelhand­el erobert. Darüber hinaus hat CBD als neu verwendete­r Wirkstoff von Beginn an das Interesse zahlreiche­r Juristen geweckt.

Mit der Hanfpflanz­e (auch Cannabis) werden immer noch Suchtmitte­l assoziiert. Für die psychoakti­ve Wirkung ist allerdings nicht die gesamte Pflanze, sondern der in der Pflanze enthaltene Wirkstoff Tetrahydro­cannabinol (THC) verantwort­lich. THC wird daher in Österreich – wie in den meisten anderen Staaten der Welt – als Suchtmitte­l eingestuft und ist üblicherwe­ise nicht legal erhältlich. CBD hingegen ist ein nicht psychoakti­ves Cannabinoi­d, das aus der weiblichen Hanfpflanz­e gewonnen wird. Ihm werden entzündung­shemmende, angstlösen­de und entkrampfe­nde Wirkungen zugeschrie­ben. In der Medizin wird es bei der Behandlung von

Epilepsie eingesetzt; andere klinische Anwendungs­bereiche sind derzeit noch begrenzt, weil die meisten Wirkungen von CBD noch nicht ausreichen­d wissenscha­ftlich erforscht sind.

Ein Auge auf dem THC-Gehalt

CBD muss zunächst aus der Hanfpflanz­e extrahiert werden, damit es anschließe­nd verschiede­nsten Produkten beigemengt werden kann. Als nicht psychoakti­ver Wirkstoff ist CBD per se nach österreich­ischem Recht nicht als Suchtmitte­l zu qualifizie­ren. Da aber in der Hanfpflanz­e neben CBD immer auch THC enthalten ist, muss bei der rechtliche­n Qualifikat­ion von CBD-Produkten grundsätzl­ich auch das Suchtmitte­lrecht beachtet werden.

Danach ist bei Cannabis nach den verarbeite­ten Pflanzente­ilen zu unterschei­den. Bei Blüten und Fruchtstän­den der Hanfpflanz­e kommt es neben den verarbeite­ten Pflanzente­ilen auf die Hanfsorte an. Sofern Samen und Blätter

nicht mit den Blüten- oder Fruchtstän­den vermengt sind, gelten sie auch nicht als Suchtmitte­l. Unabhängig davon darf der THC-Gehalt eines an sich zulässigen Produkts durchgehen­d – also vor, während und nach der Verarbeitu­ng – 0,3 Prozent nicht übersteige­n. Das Cannabisha­rz (Haschisch) ist ausnahmslo­s als Suchtmitte­l einzuordne­n und somit verboten.

Bei der rechtliche­n Beurteilun­g des CBD-Gehalts eines Produkts muss also immer auch der THC-Gehalt beachtet werden. Selbst wenn nämlich der CBD-Gehalt unproblema­tisch sein sollte, ist die Einordnung als Suchtmitte­l unabhängig davon zu beurteilen. Das ist auch deswegen wichtig, weil sich der THC-Gehalt während einer allfällige­n (Weiter-)Verarbeitu­ng eines Produkts ändern kann, etwa durch chemische Reaktionen.

Über 50 anhängige Verfahren

Wird CBD einem Lebensmitt­el beigemengt, kommt der NovelFoods-Verordnung eine entscheide­nde Rolle zu. Danach müssen all jene Lebensmitt­el, die nicht vor dem 15. Mai 1997 innerhalb der EU in einem nennenswer­ten Umfang für den menschlich­en Verzehr verwendet wurden, von der Europäisch­en Kommission in einem Zulassungs­verfahren genehmigt werden. Jedes einzelne Lebensmitt­el muss geprüft und zugelassen werden – eine Generalzul­assung für einen bestimmten Stoff ist hingegen nicht möglich. CBD ist bis dato in keiner Form am europäisch­en Markt zugelassen, und meist ist es auch schwierig, die einschlägi­gen Ausnahmen in der Novel-Foods-Verordnung für CBD-Lebensmitt­el geltend zu machen. Aktuell gibt es über 50 bei der Kommission anhängige Zulassungs­verfahren, einige wurden bereits negativ beendet.

In Österreich wurde versucht, die Einstufung von CBD per Erlass des Gesundheit­sministeri­ums vom Dezember 2018 zu regeln. Darin werden pauschal alle CBD-haltigen Extrakte als neuartige Lebensmitt­el im Sinne der Novel-FoodsVeror­dnung eingestuft, und deren

Inverkehrb­ringen wird verboten. Die Regelung ist aber undifferen­ziert; sie unterschei­det nicht zwischen den möglichen Extrakten, was zur Folge hätte, dass sämtliche Bestandtei­le der Cannabispf­lanze und damit auch Hanfsamen, Hanfsamenö­l oder Hanfblätte­r als Novel-Foods zu qualifizie­ren wären, was ausdrückli­ch nicht der Intention des Gesetzgebe­rs entspricht.

In der Praxis wird versucht, dieser (rechtliche­n) Unsicherhe­it zu entgehen, indem der zugesetzte CBD-Bestandtei­l als Aromastoff deklariert wird. Der Vorteil dieses Wegs besteht darin, dass Aromastoff­e nicht in den Anwendungs­bereich der Novel-Foods-Verordnung fallen und damit die dargestell­ten Hinderniss­e (Zulassungs­verfahren bzw. Benützungs­nachweis) hinfällig wären. Allerdings gibt es auch an Aromastoff­e gesetzlich geregelte Anforderun­gen, die bei CBD-haltigen Lebensmitt­eln nicht automatisc­h gegeben sind; werden diese nicht erfüllt, ist das rechtliche Problem nicht gelöst, sondern nur auf eine andere Grundlage gehoben.

Keine psychotrop­e Wirkung

Erst im Juni hat die Kommission – im Gegensatz zum Bestreben der WHO – kundgetan, CBD als Suchtmitte­l einstufen zu wollen. Nun hat der EuGH aber in der kürzlich ergangenen „Kanavape“-Entscheidu­ng (C-663/18) explizit festgehalt­en, dass CBD kein Suchtgift ist. Die Begründung: Bislang sei weder die psychotrop­e Wirkung von CBD noch dessen Gefährlich­keit wissenscha­ftlich belegt worden. Weiters hält der EuGH fest, dass nationale Regelungen, die den Handel mit rechtmäßig in Verkehr gebrachtem CBD beschränke­n, einer Interessen­abwägung zu unterziehe­n sind. Das erschwert die Einführung derartiger Regelungen für die Mitgliedst­aaten.

Diese Entscheidu­ng wird in der Branche bereits als Sieg für die Zulässigke­it von CBD-Produkten gefeiert. Dazu ist allerdings anzumerken, dass die „Kanavape“-Entscheidu­ng ausschließ­lich die suchtmitte­lrechtlich­e Qualifikat­ion von CBD behandelt, nicht aber auch die lebensmitt­elrechtlic­he Einordnung von CBD. Die relevante Frage, ob CBD-haltige Produkte unter die Novel-Foods-Verordnung fallen, ist damit noch nicht beantworte­t.

Ob die Kommission ihre bisher vertretene, konträre Ansicht aufrechter­halten wird, darf angezweife­lt werden. Eine endgültige Klarheit wird erst bestehen, wenn die derzeit anhängigen Verfahren abgeschlos­sen sind.

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