Ein Etappensieg für die CBD-Branche
Der EuGH stuft CBD explizit nicht als Suchtmittel ein, doch ist das ein Freifahrtschein für den Handel mit CBD-Produkten?
Der Wirkstoff Cannabidiol (CBD) ist seit einigen Jahren auch in Österreich im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. In den verschiedensten Wirtschaftssektoren hat sich ein regelrechter Boom beobachten lassen: sei es CBD-Eis, CBD-Öl, mit CBD angereicherte Tiernahrung oder auch CBD-Rauchwaren – der Innovation sind keine Grenzen gesetzt. Während die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung und den Einsatz von CBD strittig sind, lässt das aktuelle „Kanavape“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufhorchen. Der EuGH stuft CBD explizit nicht als Suchtmittel ein, und die CBD-Branche atmet höchst erleichtert auf. Doch stellt diese Entscheidung tatsächlich einen Freifahrtschein für den Handel mit CBD-Produkten dar? Eine Bestandsaufnahme und ein Ausblick.
Während zunächst auf CBDProdukte spezialisierte Shops scheinbar an jeder Straßenecke eröffnet wurden, haben die mit dem Hanfpflanzenextrakt angereicherten Produkte mittlerweile den gesamten Einzelhandel erobert. Darüber hinaus hat CBD als neu verwendeter Wirkstoff von Beginn an das Interesse zahlreicher Juristen geweckt.
Mit der Hanfpflanze (auch Cannabis) werden immer noch Suchtmittel assoziiert. Für die psychoaktive Wirkung ist allerdings nicht die gesamte Pflanze, sondern der in der Pflanze enthaltene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) verantwortlich. THC wird daher in Österreich – wie in den meisten anderen Staaten der Welt – als Suchtmittel eingestuft und ist üblicherweise nicht legal erhältlich. CBD hingegen ist ein nicht psychoaktives Cannabinoid, das aus der weiblichen Hanfpflanze gewonnen wird. Ihm werden entzündungshemmende, angstlösende und entkrampfende Wirkungen zugeschrieben. In der Medizin wird es bei der Behandlung von
Epilepsie eingesetzt; andere klinische Anwendungsbereiche sind derzeit noch begrenzt, weil die meisten Wirkungen von CBD noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht sind.
Ein Auge auf dem THC-Gehalt
CBD muss zunächst aus der Hanfpflanze extrahiert werden, damit es anschließend verschiedensten Produkten beigemengt werden kann. Als nicht psychoaktiver Wirkstoff ist CBD per se nach österreichischem Recht nicht als Suchtmittel zu qualifizieren. Da aber in der Hanfpflanze neben CBD immer auch THC enthalten ist, muss bei der rechtlichen Qualifikation von CBD-Produkten grundsätzlich auch das Suchtmittelrecht beachtet werden.
Danach ist bei Cannabis nach den verarbeiteten Pflanzenteilen zu unterscheiden. Bei Blüten und Fruchtständen der Hanfpflanze kommt es neben den verarbeiteten Pflanzenteilen auf die Hanfsorte an. Sofern Samen und Blätter
nicht mit den Blüten- oder Fruchtständen vermengt sind, gelten sie auch nicht als Suchtmittel. Unabhängig davon darf der THC-Gehalt eines an sich zulässigen Produkts durchgehend – also vor, während und nach der Verarbeitung – 0,3 Prozent nicht übersteigen. Das Cannabisharz (Haschisch) ist ausnahmslos als Suchtmittel einzuordnen und somit verboten.
Bei der rechtlichen Beurteilung des CBD-Gehalts eines Produkts muss also immer auch der THC-Gehalt beachtet werden. Selbst wenn nämlich der CBD-Gehalt unproblematisch sein sollte, ist die Einordnung als Suchtmittel unabhängig davon zu beurteilen. Das ist auch deswegen wichtig, weil sich der THC-Gehalt während einer allfälligen (Weiter-)Verarbeitung eines Produkts ändern kann, etwa durch chemische Reaktionen.
Über 50 anhängige Verfahren
Wird CBD einem Lebensmittel beigemengt, kommt der NovelFoods-Verordnung eine entscheidende Rolle zu. Danach müssen all jene Lebensmittel, die nicht vor dem 15. Mai 1997 innerhalb der EU in einem nennenswerten Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden, von der Europäischen Kommission in einem Zulassungsverfahren genehmigt werden. Jedes einzelne Lebensmittel muss geprüft und zugelassen werden – eine Generalzulassung für einen bestimmten Stoff ist hingegen nicht möglich. CBD ist bis dato in keiner Form am europäischen Markt zugelassen, und meist ist es auch schwierig, die einschlägigen Ausnahmen in der Novel-Foods-Verordnung für CBD-Lebensmittel geltend zu machen. Aktuell gibt es über 50 bei der Kommission anhängige Zulassungsverfahren, einige wurden bereits negativ beendet.
In Österreich wurde versucht, die Einstufung von CBD per Erlass des Gesundheitsministeriums vom Dezember 2018 zu regeln. Darin werden pauschal alle CBD-haltigen Extrakte als neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel-FoodsVerordnung eingestuft, und deren
Inverkehrbringen wird verboten. Die Regelung ist aber undifferenziert; sie unterscheidet nicht zwischen den möglichen Extrakten, was zur Folge hätte, dass sämtliche Bestandteile der Cannabispflanze und damit auch Hanfsamen, Hanfsamenöl oder Hanfblätter als Novel-Foods zu qualifizieren wären, was ausdrücklich nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht.
In der Praxis wird versucht, dieser (rechtlichen) Unsicherheit zu entgehen, indem der zugesetzte CBD-Bestandteil als Aromastoff deklariert wird. Der Vorteil dieses Wegs besteht darin, dass Aromastoffe nicht in den Anwendungsbereich der Novel-Foods-Verordnung fallen und damit die dargestellten Hindernisse (Zulassungsverfahren bzw. Benützungsnachweis) hinfällig wären. Allerdings gibt es auch an Aromastoffe gesetzlich geregelte Anforderungen, die bei CBD-haltigen Lebensmitteln nicht automatisch gegeben sind; werden diese nicht erfüllt, ist das rechtliche Problem nicht gelöst, sondern nur auf eine andere Grundlage gehoben.
Keine psychotrope Wirkung
Erst im Juni hat die Kommission – im Gegensatz zum Bestreben der WHO – kundgetan, CBD als Suchtmittel einstufen zu wollen. Nun hat der EuGH aber in der kürzlich ergangenen „Kanavape“-Entscheidung (C-663/18) explizit festgehalten, dass CBD kein Suchtgift ist. Die Begründung: Bislang sei weder die psychotrope Wirkung von CBD noch dessen Gefährlichkeit wissenschaftlich belegt worden. Weiters hält der EuGH fest, dass nationale Regelungen, die den Handel mit rechtmäßig in Verkehr gebrachtem CBD beschränken, einer Interessenabwägung zu unterziehen sind. Das erschwert die Einführung derartiger Regelungen für die Mitgliedstaaten.
Diese Entscheidung wird in der Branche bereits als Sieg für die Zulässigkeit von CBD-Produkten gefeiert. Dazu ist allerdings anzumerken, dass die „Kanavape“-Entscheidung ausschließlich die suchtmittelrechtliche Qualifikation von CBD behandelt, nicht aber auch die lebensmittelrechtliche Einordnung von CBD. Die relevante Frage, ob CBD-haltige Produkte unter die Novel-Foods-Verordnung fallen, ist damit noch nicht beantwortet.
Ob die Kommission ihre bisher vertretene, konträre Ansicht aufrechterhalten wird, darf angezweifelt werden. Eine endgültige Klarheit wird erst bestehen, wenn die derzeit anhängigen Verfahren abgeschlossen sind.