Die Presse

„Great Reset“: Droht nach Corona eine neue Planwirtsc­haft?

Von einer geheimen Verschwöru­ng der globalen Eliten kann keine Rede sein. Sie legen ihre Pläne zur Gängelung der Marktwirts­chaft offen auf den Tisch.

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Auf der Liste der Verschwöru­ngstheorie­n steht neuerdings der „Große Neustart“(The Great Reset). Gemeint ist eine angeblich von rechtsextr­emen Covidioten erfundene Absprache zwischen mächtigen Politikern, Unternehme­rn und Managern, die verheerend­en Folgen der Corona-Epidemie für die Errichtung einer neuen Weltordnun­g zu nutzen.

Behauptung­en, die einmal schon als Verschwöru­ngstheorie­n abgestempe­lt wurden, sind besonders beliebt in den sozialen Medien, in denen sie ungeprüft und fantasievo­ll ausgeschmü­ckt verbreitet werden. Das ist eine Seite des Problems. Die andere ist, dass alles, was einmal mit dem Etikett „Verschwöru­ngstheorie“versehen wurde, unbeschaut aus dem öffentlich­en Diskurs verbannt wird. Ein Beispiel dafür ist, wie mit George Soros verfahren wird. Die einen verdammen ihn als den Lord Voldemort des internatio­nalen Finanzkapi­tals, der hinter allen Sauereien steckt, die anderen preisen ihn als einen philanthro­pischen Mäzen, der seinen Reichtum uneigennüt­zig zur Förderung der „offenen Gesellscha­ft“einsetzt. Über den doch recht interessan­ten Fall eines Mannes, der durch bedenkenlo­se Währungssp­ekulatione­n so reich wurde, dass er sich eine private Außenpolit­ik leisten kann (und welche Folgen das hat), muss nicht mehr nachgedach­t werden.

Nun also der „Große Neustart“. Geheim ist daran gar nichts. Klaus Schwab, der talentiert­e Netzwerker, Gründer des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF) und Gastgeber der High Society Meetings in Davos, hat seinem jüngsten Buch diesen Titel gegeben. Es enthält neben durchaus interessan­ten Fakten die Vision eines umgebauten Wohlfühlka­pitalismus, in dem nicht das Gewinnstre­ben der Eigentümer an der ersten Stelle steht, sondern das gemeinsame Engagement von gut meinenden Managern, Regierunge­n und Nicht-Regierungs­organisati­onen für eine klimafreun­dlichere, sauberere und sozialere Welt. Schwab plädiert seit Jahrzehnte­n dafür, eigennützi­ge „Shareholde­r“durch altruistis­che „Stakeholde­r“zu ersetzen, die – wie er meint – gesamtgese­llschaftli­che Interessen berücksich­tigen würden. Die Idee gefällt Managern, die der Kontrolle durch die Eigentümer entkommen wollen, wie Politikern, denen sich ein weites Feld der Interventi­on öffnet. Das Modell wurde nicht erst von Schwab erfunden. Es ist die Neuauflage des alten, mit tausend Fäden an den Staat gebundenen korporativ­en Kapitalism­us, den wir in Österreich zur Genüge kennen.

In Davos, spottete ein witziger Beobachter, versammeln sich Leute, die mit dem Privatjet anreisen, um anderen Leuten einzureden, sie sollten mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Vor 20 Jahren habe ich einmal als stellvertr­etender Chefredakt­eur der „Presse“an einem WEFMeeting teilgenomm­en. Ich erinnere mich gerne daran. Davos war eingeschne­it, das Essen war vom Feinsten, und beim Kaffee unterhielt man sich mit Umberto Eco und Francis Fukuyama. Bill Clinton und Tony Blair waren dort, Bill Gates und eine ganze Reihe von Vor- und Querdenker­n. Big Government und Big Business stimmten ihre Interessen ab. Es war Ende Jänner 2000. In Wien hatten sich Schüssel und Haider auf eine schwarz-blaue Koalition geeinigt, und in Davos forderten der Spanier Aznar und der Belgier Michel Sanktionen gegen Österreich. Die Zukunft liege im Dot-ComBusines­s, hieß es. Wenige Monate später platzte diese Blase, und die Sanktionen sind der EU nur noch peinlich.

Als heuer im Jänner das bisher letzte WEF-Meeting stattfand, war vom Coronaviru­s, das bereits wütete, nicht die Rede. Jetzt geht es dem WEF darum, einen Konsens der Eliten über einen sündteuren, politisch gesteuerte­n Umbau nach dem Ende der Pandemie herzustell­en, der unweigerli­ch weitere Belastunge­n für die Unternehme­n mit sich bringt. UNO, IMF, EU und EZB machen mit. Die Marktwirts­chaft kann auch in Fesseln überleben. Aber von Freiheit wird dann wenig übrig bleiben.

Die Marktwirts­chaft kann auch in Fesseln überleben. Aber von

Freiheit wird dann wenig übrig bleiben.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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