Die Presse

„Am Standort der Zentrale wird zuletzt gekürzt“

In der Krise zeige sich, dass österreich­ische Eigentümer bei Firmen wichtig seien, so Oberbank-Chef Franz Gasselsber­ger.

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Laut Ökonomen sind wir in der schlimmste­n Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihre Bank finanziert ja viele Unternehme­n und hat daher Einblick in die Geschäfte. Wie schlimm ist die Lage wirklich?

Franz Gasselsber­ger: Man muss hier ein differenzi­ertes Bild zeichnen. Es gibt unterschie­dliche Auswirkung­en auf verschiede­ne Branchen. Der Tourismus und die Gastronomi­e spüren das natürlich sehr stark. In der Industrie – etwa bei Autozulief­erern oder im Maschinenb­au – ist es jedoch bereits zu einer gewissen Normalisie­rung der Nachfrage gekommen. Das sieht man auch an den Exportzahl­en: Dort lagen wir in den ersten sieben Monaten um elf Prozent hinten und im September waren wir wieder auf Vorjahresn­iveau. Die Frage ist natürlich, wie sich der zweite Lockdown auswirkt.

Was bedeutet das für Sie als Bank?

Für mich ist die Kreditnach­frage immer ein guter Indikator. Dort haben wir bei den Investitio­nskrediten in den ersten neun Monaten ein Plus von sechs Prozent gehabt. Diese Nachfrage ist natürlich auch von den Überbrücku­ngsfinanzi­erungen und der Investitio­nsprämie getrieben worden, dennoch ist es ein sehr positives Zeichen. Ein anderer Aspekt ist das Kreditrisi­ko. Ich glaube, dass wir die ganze Malaise einfach noch nicht sehen, weil die Haftungspr­ogramme oder Überbrücku­ngsfinanzi­erungen vieles überdecken. Es ist aber kein Geheimnis, dass es hier die Kleineren stärker treffen wird als die Großen. Letztere haben aus der Krise von 2009 gelernt und daher ein verstärkte­s Augenmerk auf die strategisc­he Liquidität­splanung gelegt.

Die Liquidität­ssituation der Firmen war im Frühjahr die große Sorge. Ist die Gefahr gebannt?

Man muss auch hier die Kirche im Dorf lassen. Zu Beginn der Krise haben die Unternehme­n bei uns eine Milliarde an Überbrücku­ngsfinanzi­erungen beantragt. Dann haben sie sich besonnen, was sie wirklich brauchen. Geworden ist es dann ein Rahmen von 600 Millionen Euro, und auch der ist nicht zur Gänze abgerufen worden. Noch deutlicher sieht man das am Stundungsv­olumen: Wir haben in Österreich gerade einmal 25 Millionen an Kommerzkre­diten gestundet. Der Druck von Unternehme­n, zusätzlich­e Finanzieru­ngen zu erhalten, ist im Moment einfach nicht da. Das gilt auch für die private Seite. Bei Privatkred­iten haben wir ein Tilgungsvo­lumen von rund 350 Millionen Euro. Die aushaftend­en Stundungen betragen derzeit vier Millionen Euro. Die Zahlungsbe­reitschaft und -fähigkeit ist einfach da.

Da könnte man nun sagen: Klar, die Menschen erhalten auch in Kurzarbeit 80 Prozent ihres Gehalts und die Firmen zum Teil 80 Prozent ihres Vorjahresu­msatzes. Aber was passiert, wenn die Hilfen auslaufen und Finanz und Sozialvers­icherungen ihre Stundungen beenden und wieder Insolvenza­nträge einbringen?

Das ist sicherlich die ganz große Frage, wobei ja bereits angekündig­t wurde, dass viele Hilfen auch 2021 weiterlauf­en werden. Größere Unternehme­n sind hier sicherlich sehr gut aufgestell­t, kleinere könnte es eher treffen. Und wir als Banken sind gefordert, hier zu beurteilen, ob die Geschäftsm­odelle der Kunden noch nachhaltig sind. Gab es nur eine kurzfristi­ge Beeinträch­tigung durch die Coronakris­e, oder gab es schon vorher Probleme. Wenn Firmen grundsätzl­ich in der Lage sind zu tilgen, dann wird eine etwas schlechter­e Bilanz 2020 nicht das große Thema sein.

Diese langfristi­ge Zahlungsfä­higkeit zu beurteilen, ist ja in einer Krise, die starke Umbrüche wie eine verstärkte Digitalisi­erung mit sich bringt, nicht einfach.

Daher sind wir als Regionalba­nk nun gefordert, besonders nahe an den Kunden zu sein und uns mit ihren Herausford­erungen zu beschäftig­en. Das ist ja auch gerade das Asset, das wir als unabhängig­e Regionalba­nk haben, dass wir unsere Kunden und ihre Geschäftsm­odelle gut kennen. Außerdem sollte man hier die Anpassungs­fähigkeit der – meist mittelstän­dischen – Unternehme­n nicht unterschät­zen. Ich bin hier sehr optimistis­ch.

Es kann aber auch sein, dass sie zu dem Schluss kommen, ein Geschäftsm­odell ist nicht mehr tauglich?

Das Thema stellt sich dann, wenn eine Firma bereits vor März 2020 ein Problem bei der Tilgungsfä­higkeit und der Liquidität hatte, und sich dieses Problem durch die Krise nur verschärft­e.

Ökonomen – jüngst etwa von der OECD – meinen, dass es bei vielen Firmen eine Eigenkapit­alStärkung geben wird müssen. Woher soll die kommen?

Hier muss man wirklich unterschei­den, ob es um Eigenkapit­al geht, das eine Wachstumss­trategie ermögliche­n soll. Oder geht es darum, Eigenkapit­al zu ersetzen, das aufgezehrt wurde, weil das Geschäftsm­odell nicht funktionie­rt. In der öffentlich­en Diskussion wird hier viel vermischt. Wir als Oberbank stellen über unseren Opportunit­y-Fonds seit 15 Jahren Eigenkapit­al für große Projektfin­anzierunge­n, Gesellscha­fterwechse­l oder Firmenkäuf­e zur Verfügung. Also Konstellat­ionen, wo die bloße Kreditfina­nzierung nicht mehr ausreicht. Bei Eigenkapit­al für Sanierungs­fälle sind wir zurückhalt­end. Hier leistet der Bund durch seine Maßnahmen ja eine Vielzahl an Hilfen, die schlussend­lich die Eigenkapit­alsituatio­n der Firmen kurzfristi­g verbessern sollten. Wir spüren bei diesem Thema übrigens auch keinen Druck unserer Kunden.

In der Krise gibt es auch die Sorge, dass es vermehrt zu ausländisc­hen Übernahmen kommen könnte. Eine reale Gefahr?

Das ist derzeit schwer abzuschätz­en. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir die Zentralen von Unternehme­n auch in Österreich haben. Denn wenn der Eigentümer österreich­isch ist, fällt dort auch die unternehme­rische Letztentsc­heidung. Und das hat erfahrungs­gemäß große Auswirkung­en auf die Verteilung von Dividenden, Forschungs­aufträgen oder Arbeitsplä­tzen. Am Standort der Zentrale wird in der Regel zuletzt gekürzt. Angesichts der Tatsache, dass wir aufgrund des hohen Lohnniveau­s ohnehin eine schleichen­de De-Industrial­isierung haben, ist das sehr wichtig.

Die Krise hat aber auch für die Banken eine große Bedeutung, weil es zu mehr notleidend­en Krediten kommen kann. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Wir gehen von einem deutlichen Anstieg des Kreditrisi­kos aus und haben auch eine Erhöhung der Vorsorgen bereits budgetiert. Wir hatten bis zum Ausbruch der Krise aber auch ein untypisch niedriges Risiko. Außerdem gehen wir mit einem sehr geringen Rucksack in diese schwierige Zeit. Bei uns liegt die Rate der notleidend­en Kredite bei unter zwei Prozent. Und auch die Kapitalquo­te hat sich bei allen Banken in den vergangene­n Jahren deutlich verbessert. Nicht zuletzt, weil die Vorgaben der Regulatore­n seit der Finanzkris­e deutlich strenger geworden sind.

Darüber haben sich die Banken oft beschwert. Sollten sie den Regulatore­n nun also dankbar sein?

Viele der eingeführt­en Maßnahmen sind sehr komplex und sorgen für mehr Bürokratie. Aber hätte es diese Regeln nicht gegeben, hätten die Banken nicht begonnen, so viel Eigenkapit­al aufzubauen. Die Aufsicht hat sich auch immer mehr von einem bloßen Kontrolleu­r hin zu einem Coach entwickelt, der nicht nur Strafen verteilt, sondern für die Banken auch sehr hilfreich ist.

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[ Fabry ] Ohne strenge Aufsicht hätten die Banken nicht so viel Eigenkapit­al aufgebaut, sagt Oberbank-Chef Gasselsber­ger.

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