Für das menschliche Auge unsichtbar
Ein junges Unternehmen in Leoben rettet Vogelleben. Es stellt Folien her, die mit einem nur für Vögel sichtbaren Muster bedruckt sind. Auf Glasflächen in der Steiermark und Niederösterreich wird damit Vogelschlag verhindert.
Den Ausgangspunkt nahm das junge Unternehmen BirdShades an der Uni Graz. „Ein Botanik-Professor machte uns darauf aufmerksam, wie viele Vögel gegen den Glasübergang am Uni-Gelände fliegen“, erzählt Dominique Waddoup, die an der Uni Graz Verhaltensbiologie studiert hatte und danach einen Job in der Wissenschaft suchte. Nachdem sie gesehen hatte, wie viele tote Vögel als Unfallopfer unter dem gläsernen Übergang gefunden wurden, begann sie zu recherchieren, welche Ausmaße das Problem Vogelschlag einnimmt. „Es gibt unterschiedliche Studien dazu, aber die meisten stufen Glasflächen als die zweithäufigste vom Menschen verursachte Todesursache für Vögel ein“, sagt Waddoup. Nur der Verlust von Lebensraum führt zu mehr Vogelschwund, an dritter Stelle stehen meist Katzen als Todesursache in diesen Studien.
Auch die Mode, dass an Glasflächen Silhouetten von Raubvögeln geklebt werden, bringt wenig, um die Unfälle zu verhindern. Die Vögel versuchen nämlich an den schwarzen Silhouetten vorbei zu fliegen und krachen dann erst wieder in die Scheibe. „Man müsste die Vogelbilder oder egal welches Muster flächendeckend aufkleben“, sagt Waddoup.
Wellenlänge in UV-A-Bereich
Gemeinsam mit Bettina Kain startete sie 2017 Überlegungen, wie man aus der Rettung der Vögel ein Geschäftsmodell machen kann und welches Produkt sich am besten eignet. „Wir haben bei diversen Pitch-Wettbewerben mitgemacht, um unsere Idee Fördergebern vorzustellen. Nach dem ,Innovate for Nature‘-Bewerb des WWF sind wir beim Zentrum für angewandte Technologie (ZAT) in Leoben aufgenommen worden“, erzählt Waddoup.
Und dort am ZAT in Leoben ist bis heute der Firmensitz von BirdShades, das nun von der Austria Wirtschaftsservice AWS gefördert wird. Das Produkt ist eine transparente Folie, die an der Außenseite von Fenstern und Glasflächen aufgeklebt wird und die für das menschliche Auge unsichtbare Muster trägt. Vögel haben ein anderes Spektrum an wahrnehmbaren Wellenlängen und können auch im UV-A-Bereich sehen, der für unsere Augen verborgen bleibt.
Das sind die gleichen UV-A-Strahlen der Sonne, auf die unsere Haut mit Sonnenbrand reagiert, weil diese Wellenlängen auch Zellschäden anrichten können. „In der Biologie ist es ja so, dass jede Tierart anders sieht. Wir haben uns bei der Auswahl der Farbspektren an wissenschaftlicher Literatur orientiert. Vor allem an sinnesphysiologischen Ableitungen, die genau zeigen, welche Wellenlängen welche Vogelarten wahrnehmen können“, sagt Waddoup.
Darauf aufbauend gestaltete das junge Team Verhaltensversuche in eigenen Volieren mit heimischen Singvögeln. „Die Tiere hatten wir von Züchtern, die dort als Ausschussware gegolten haben. Wir haben also keine Singvögel aus der Natur genommen“, betont die Biologin.
Vogerl erkennen die Barriere
In den Volieren wurden die ersten kleinen Prototypen der Folie getestet: In zwei Vogelhäuschen bekamen die Tiere ständig Futter präsentiert. Im Versuch wurde dann eine Scheibe mit der BirdShadeFolie vor das Futter gestellt und beobachtet, ob die Vögel die Barriere erkennen oder nicht.
„Die Versuche waren so gestaltet, dass die Vögel sich nicht verletzen“, sagt Waddoup. Die Unternehmerinnen tüftelten lang, um das passende Muster in UV-A-Farbe zu finden: Es wird so aufgedruckt, dass ein Vogel im Flug die Folie als gitterähnliche Barriere wahrnimmt und der gesamten Fläche ausweicht. Die Ergebnisse aus der Steiermark wurden in den USA bei Flugtunnel-Experimenten bestätigt. „Wir können jetzt an einer Technikum-Anlage die Folien herstellen und bedrucken, sind aber derzeit noch bei kleinen Stücken mit 32 Zentimeter Seitenlänge.“
Die ersten Pilotkunden sind der Bahnhof Kalsdorf, der ScienceTower und das Impulszentrum Reininghaus in Graz sowie die Fossilienwelt Stetten in Niederösterreich. Diese vollständig beklebten Glasflächen sind wichtig für die Produktentwicklung hin zur Marktreife, die wiederum von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanziert werden soll.
Doch bisher gibt es keine wissenschaftlichen Daten, wie viele Vögel dadurch gerettet werden. „Weil wir ja nicht wissen, wie viel Vogelschlag es vorher dort gegeben hat.“Daher plant das Team nun ein Monitoring mit speziellen Sensoren, die messen, wie oft ein Vogel gegen eine Scheibe kracht.
„Wenn man nur am Boden in der Früh und am Abend sammeln geht, findet man gar nicht alle verletzten Vögel“, sagt Waddoup. Denn andere Tiere wie Krähen oder Füchse entfernen das leichte Futter extrem schnell. „Sogar Eichhörnchen schnappen sich tote Vögel“, weiß Waddoup aus der zoologischen Literatur.
Wenn man nur am Boden sammeln geht, findet man gar nicht alle verletzten Vögel.
Dominique Waddoup, BirdShades Innovations GmbH