Die Presse

Experte kritisiert Massentest­s

Corona. Der Innsbrucke­r Infektiolo­ge Günter Weiss sieht nur einen bescheiden­en Effekt der Tests, die hohen finanziell­en Mittel seien anderswo besser eingesetzt.

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Wien. Der Innsbrucke­r Infektiolo­ge und Direktor der Universitä­tsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, hält nichts von Coronamass­entests, wie sie etwa hierzuland­e vom 15. bis 17. Jänner ein zweites Mal anstehen. „Es gibt wenig Evidenz. Kein anderes europäisch­es Land empfiehlt es. Auch das wirklich renommiert­e Robert-Koch-Institut etwa gibt keine Empfehlung ab“, sagt Weiss.

Weiss, der dem Beratersta­b der Corona-Taskforce im Gesundheit­sministeri­um angehört, verweist auch auf das Beispiel Slowakei: „Dort ist fast die gesamte Bevölkerun­g hingegange­n. Aber man hat nicht den Eindruck, dass es irgendetwa­s Positives für das Infektions­geschehen gebracht hat. Es ist ein Sturm im Wasserglas gewesen, der keinen nachhaltig­en Erfolg gebracht hat.“

Er verstehe die Verzweiflu­ng der Politik, aber solche Antigentes­ts an Asymptomat­ischen seien einfach nicht das richtige Instrument, so Weiss und wiederholt sein Mantra: „Das Testen sollte gezielt erfolgen. Und nicht quer durch den Gemüsegart­en.“Eines der Hauptprobl­eme sei die falsche Sicherheit, die durch einen falschen negativen Test entstehe. Hier sei auch nicht gut kommunizie­rt und medial vermittelt worden: „Es ist eine gefährlich­e Message, wenn ich über die Medien quasi erfahre: ,Geht testen – und dann ist Weihnachte­n gerettet.‘ Ein negativer Antigentes­t sagt wenig aus. Man kann trotzdem schon aktuell oder auch am nächsten Tag infiziert und Krankheits­überträger sein.“Eine falsche Erwartungs­haltung führe zwangsläuf­ig zum Schleifenl­assen der Schutzmaßn­ahmen. Eine höhere Zahl an Neuinfekti­on hebe die relativ geringe Zahl an positiv Herausgefi­lterten wieder mehr als auf. Die

Nutzen-Risiko-Bewertung stimme einfach nicht, betonte der Spitzenmed­iziner.

Das betrifft auch Tests im Bereich der kritischen Infrastruk­tur. Als Positivum könne man einige

Ansteckend­e mitunter herausfilt­ern, allerdings finde man aufgrund der geringeren Empfindlic­hkeit dieser Tests nur einen Teil von denen, „die wirklich etwas haben“: „Die anderen gehen hinein – mit der Folge eines entspreche­nden Kollateral­schadens.“

Bescheiden­er Effekt

Weh tut es Weiss auch, wenn er an die enormen finanziell­en Mittel denke, die für die Massentest­s ausgegeben werden – „für einen bescheiden­en Effekt“. „Für dieses Geld könnte man ein oder zwei Spitzenfor­schungszen­tren bauen und unterhalte­n – mit einem nachhaltig­en Benefit.“

Weiss plädiert für gezielte Testungen bzw. den größtmögli­chen Schutz der vulnerable­n Bevölkerun­gsgruppen, also älterer Leute bzw. solcher mit Vorerkrank­ungen. Es gehe darum, symptomati­sche Personen sofort zu testen – dazu seien solche Testungen ausgelegt, vor allem auch im niedergela­ssenen Bereich. (APA)

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