Ärger um Staatsgeschenk
Bosnien. Eine Ikone, die Russlands Außenminister Lawrow bei seinem Besuch in Sarajewo jüngst erhielt, könnte Raubkunst aus der Ukraine sein.
Sarajewo/Moskau/Kiew/Belgrad. Der Beschenkte hat von der Gabe längst genug: Eine Ikone, die Russlands Außenminister Sergej Lawrow vorige Woche bei seiner Bosnien-Visite erhalten habe, werde zurückgegeben – „für die weitere Klärung ihrer Geschichte durch Interpol“, teilte das Außenministerium in Moskau am Wochenende lapidar mit.
Die handtellergroße Ikone, die Bosniens serbisches Staatspräsidiumsmitglied, Milorad Dodik, dem Russen überreicht hat, hat sich nämlich als „heiße Kartoffel“entpuppt: Es mehrt sich der Verdacht, dass sie von bosnisch-serbischen Söldnern, die in der Ostukraine für die prorussischen Staatsgebilde kämpfen, geraubt worden ist. Tatsächlich hatte Dodik stolz behauptet, dieses „Zeichen der serbisch-russischen Freundschaft“sei vor 300 Jahre entstanden und in Lugansk in der Ostukraine „gefunden“worden. Und so bescherte das kleinformatige Staatsgeschenk dem Balkanvielvölkerstaat großen Ärger und diplomatische Verwicklungen. Die Botschaft der Ukraine in Sarajewo und das Außenministerium in Kiew forderten bald detaillierte Informationen über die Herkunft des „ukrainischen Kulturguts“.
„Woher hat Dodik die gestohlene Ikone?“, fragt sich in Sarajewo nicht nur das Webportal Balkans Aljazeera. Falls sich der Verdacht bestätige, dass die Ikone in der Ukraine geraubt worden sei, müsse „jemand ins Gefängnis“, fordert Zˇeljko Komsˇic´, Dodiks kroatischer Amtskollege im dreiköpfigen Staatspräsidium. Von einem „enormen Schaden“für Bosnien und Herzegowina spricht Außenministerin Bisera Turkovic:´ Bosniens Staatsanwaltschaft müsse feststellen, wie der Vorsitzende des Staatspräsidiums an die Ikone gelangt sei.
Andere Theorie: Beute der Nazis
Zu deren Herkunft schweigt sich der sonst so wortgewaltige Dodik aus. Laut dem Webportal Tacno.net könnte ein sowjetisches Siegel auf der Rückseite der Ikone auch ein Hinweis sein, dass es sich um Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg handle. Möglicherweise zähle die Ikone zu den Tausenden Kunstwerken, die auf Geheiß von Hermann Göring vor dem Rückzug der Wehrmacht aus der Ukraine 1944 geraubt worden seien: Sollte sich das bestätigen, „wäre das ein Hinweis, dass bis heute auf den Schwarzmärkten des Balkan mit Nazi-Beute gehandelt wird. Und dass ranghohe Balkanpolitiker Zugang zu diesen geheimen Sammlungen und kriminellen Märkten haben“. (ros)