Die Presse

Was der Brexit für Anleger bedeutet

Trennung. Für britische Anbieter könnte es bald mühsamer werden, den EU-Markt zu bedienen. Aber auch Anleger am Londoner Finanzplat­z haben künftig einiges zu beachten.

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Wird es doch noch einen Brexit-Deal geben? Wir wissen es nicht, die Zitterpart­ie geht vorerst weiter. Aber wie auch immer es ausgehen wird: Die Finanzbran­che, und mit ihnen viele Anleger, muss sich auf neue Gegebenhei­ten ab dem Jahreswech­sel einstellen.

Für die EU bedeute das durchaus auch Chancen, sagt Lukas Röper, Partner und Banking-and-Finance-Experte bei PHH Rechtsanwä­lte: Denn London gilt als bedeutends­ter Finanzplat­z Europas. Noch 2017 wurden dort 60 Prozent des EU-weiten Kapitalmar­ktgeschäft­s abgewickel­t und 40 Prozent aller europäisch­en Vermögensw­erte verwaltet. Viele britische Finanzunte­rnehmen planen jetzt ein weiteres Standbein in der EU oder einen Umzug. Laut Bloomberg-Daten soll ein Vermögen von 1200 Milliarden Pfund (1600 Milliarden USD) in die EU transferie­rt werden.

Denn ab dem kommenden Jahr ist ungewiss, ob britische Anbieter ihre Finanzdien­stleistung­en weiterhin in der EU anbieten können. Rund 5000 UK-Finanzunte­rnehmen nützen das sogenannte „Passportin­g“der EU, um auch in anderen Mitgliedst­aaten tätig sein zu können. „Mit dem Austritt aus der EU verliert dieses jedoch seine Gültigkeit“, sagt Röper.

Kommen keine Sondervere­inbarungen zustande, wird Großbritan­nien zum Drittland. Die britischen Banken und Finanzdien­stleister brauchen dann umfassende Lizenzen für ihr Einlagen- und Kreditgesc­häft in der EU. Viele wollen deshalb Teile ihres Geschäfts oder sogar ihren Hauptsitz in die „Rest-EU“verlegen. Besonders hoch im Kurs stehen dabei Dublin, Luxemburg, Paris, Frankfurt und Amsterdam.

Aber auch Österreich könne als Standort profitiere­n, sagt Igor Strehl, Bankberate­r und Eigentümer der österreich­ischen Wertpapier­firma Fame Investment­s. Weil Frankfurt ohnehin schon „Overbanked“ist, aber auch, weil sich von Wien aus der zentral- und osteuropäi­sche Markt gut abdecken lässt. „Mehr für den Standort werben, britische Firmen noch stärker willkommen heißen“, lautet sein Rat an die heimische Politik.

An der Börse wird es holprig

Anleger mit Konnex zum britischen Kapitalmar­kt müssen indes damit rechnen, „dass es nach dem Brexit mühsamer und holpriger wird. Auch weniger Produkte werden verfügbar sein. Aber es wird sich konsolidie­ren“, sagt Röper. Fürs Erste holprig wird es wohl auch an der britischen Börse: Ein harter Brexit könnte die durch die Pandemie angespannt­e Lage weiter verschärfe­n, auch das britische Pfund dürfte noch mehr nachgeben. Wer UK-Titel hat, sollte sich dennoch nicht zu Panikverkä­ufen kurz nach dem Brexit hinreißen lassen, warnen beide Experten – vielmehr könnte sogar der Zeitpunkt für ein Investment günstig sein, denn bis zum Frühjahr sollte sich die Lage beruhigen.

Aber was passiert mit Unternehme­n, die nicht rechtzeiti­g ein

Standbein in der Rest-EU aufgebaut haben, wenn das Passportin­g nicht mehr funktionie­rt? „Künftige Geschäfte werden dann schwierige­r bzw. dürfen nicht mehr durchgefüh­rt werden“, sagt Strehl. In UK-Produkte investiert­e Anleger sollten daher nachfragen, welche Pläne die jeweilige Bank oder der Finanzdien­stleister hat. Auch bei Neuinvesti­tionen in britische Unternehme­n sollten sich Anleger jetzt umso mehr beraten lassen.

Zu beachten ist auch, dass, sollte Großbritan­nien aus dem EWR ausscheide­n, dort ansässige Wertpapier­emittenten zu sogenannte­n Drittstaat­enemittent­en werden. Ein (nur) in Großbritan­nien gebilligte­r Prospekt könnte dann nicht mehr in einen EWR-Staat notifizier­t werden und umgekehrt.

Auch die grenzübers­chreitende Gültigkeit bereits notifizier­ter Prospekte entfiele. Bereits zugelassen­e Wertpapier­e würden allerdings da wie dort ihre Zulassung behalten. Auch dürfen nach EURecht geregelte Fonds in geeignete Vermögensw­erte außerhalb der EU investiere­n (wobei es allerdings für Dachfondss­trukturen gewisse Einschränk­ungen gibt).

Weniger Verbrauche­rschutz?

Für Überweisun­gen bleibt es beim Sepalastsc­hriftverfa­hren. Änderungen können sich aber beim Verbrauche­rschutz ergeben, weil Firmen nicht mehr an EU-Vorschrift­en gebunden sind. Das kann höhere Gebühren bedeuten, aber auch mehr Risiko – etwa im Fall einer Bankenplei­te. Und der Gerichtsst­and ist dann wohl London.

Steuerlich ergeben sich ebenfalls Änderungen – allerdings ohne große Auswirkung­en für den einzelnen Anleger. Egal, ob man sein Wertpapier­depot bei einer Bank in der EU oder in einem Drittland hat – man muss die steuerpfli­chtigen Einkünfte in seine Einkommens­teuererklä­rung aufnehmen. Zum automatisc­hen KESt-Abzug kommt es nur bei Depots im Inland.

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[ AFP ] London gilt als bedeutends­ter Finanzplat­z Europas – den Brexit werden somit auch Anleger zu spüren bekommen.

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