Was der Brexit für Anleger bedeutet
Trennung. Für britische Anbieter könnte es bald mühsamer werden, den EU-Markt zu bedienen. Aber auch Anleger am Londoner Finanzplatz haben künftig einiges zu beachten.
Wien. Wird es doch noch einen Brexit-Deal geben? Wir wissen es nicht, die Zitterpartie geht vorerst weiter. Aber wie auch immer es ausgehen wird: Die Finanzbranche, und mit ihnen viele Anleger, muss sich auf neue Gegebenheiten ab dem Jahreswechsel einstellen.
Für die EU bedeute das durchaus auch Chancen, sagt Lukas Röper, Partner und Banking-and-Finance-Experte bei PHH Rechtsanwälte: Denn London gilt als bedeutendster Finanzplatz Europas. Noch 2017 wurden dort 60 Prozent des EU-weiten Kapitalmarktgeschäfts abgewickelt und 40 Prozent aller europäischen Vermögenswerte verwaltet. Viele britische Finanzunternehmen planen jetzt ein weiteres Standbein in der EU oder einen Umzug. Laut Bloomberg-Daten soll ein Vermögen von 1200 Milliarden Pfund (1600 Milliarden USD) in die EU transferiert werden.
Denn ab dem kommenden Jahr ist ungewiss, ob britische Anbieter ihre Finanzdienstleistungen weiterhin in der EU anbieten können. Rund 5000 UK-Finanzunternehmen nützen das sogenannte „Passporting“der EU, um auch in anderen Mitgliedstaaten tätig sein zu können. „Mit dem Austritt aus der EU verliert dieses jedoch seine Gültigkeit“, sagt Röper.
Kommen keine Sondervereinbarungen zustande, wird Großbritannien zum Drittland. Die britischen Banken und Finanzdienstleister brauchen dann umfassende Lizenzen für ihr Einlagen- und Kreditgeschäft in der EU. Viele wollen deshalb Teile ihres Geschäfts oder sogar ihren Hauptsitz in die „Rest-EU“verlegen. Besonders hoch im Kurs stehen dabei Dublin, Luxemburg, Paris, Frankfurt und Amsterdam.
Aber auch Österreich könne als Standort profitieren, sagt Igor Strehl, Bankberater und Eigentümer der österreichischen Wertpapierfirma Fame Investments. Weil Frankfurt ohnehin schon „Overbanked“ist, aber auch, weil sich von Wien aus der zentral- und osteuropäische Markt gut abdecken lässt. „Mehr für den Standort werben, britische Firmen noch stärker willkommen heißen“, lautet sein Rat an die heimische Politik.
An der Börse wird es holprig
Anleger mit Konnex zum britischen Kapitalmarkt müssen indes damit rechnen, „dass es nach dem Brexit mühsamer und holpriger wird. Auch weniger Produkte werden verfügbar sein. Aber es wird sich konsolidieren“, sagt Röper. Fürs Erste holprig wird es wohl auch an der britischen Börse: Ein harter Brexit könnte die durch die Pandemie angespannte Lage weiter verschärfen, auch das britische Pfund dürfte noch mehr nachgeben. Wer UK-Titel hat, sollte sich dennoch nicht zu Panikverkäufen kurz nach dem Brexit hinreißen lassen, warnen beide Experten – vielmehr könnte sogar der Zeitpunkt für ein Investment günstig sein, denn bis zum Frühjahr sollte sich die Lage beruhigen.
Aber was passiert mit Unternehmen, die nicht rechtzeitig ein
Standbein in der Rest-EU aufgebaut haben, wenn das Passporting nicht mehr funktioniert? „Künftige Geschäfte werden dann schwieriger bzw. dürfen nicht mehr durchgeführt werden“, sagt Strehl. In UK-Produkte investierte Anleger sollten daher nachfragen, welche Pläne die jeweilige Bank oder der Finanzdienstleister hat. Auch bei Neuinvestitionen in britische Unternehmen sollten sich Anleger jetzt umso mehr beraten lassen.
Zu beachten ist auch, dass, sollte Großbritannien aus dem EWR ausscheiden, dort ansässige Wertpapieremittenten zu sogenannten Drittstaatenemittenten werden. Ein (nur) in Großbritannien gebilligter Prospekt könnte dann nicht mehr in einen EWR-Staat notifiziert werden und umgekehrt.
Auch die grenzüberschreitende Gültigkeit bereits notifizierter Prospekte entfiele. Bereits zugelassene Wertpapiere würden allerdings da wie dort ihre Zulassung behalten. Auch dürfen nach EURecht geregelte Fonds in geeignete Vermögenswerte außerhalb der EU investieren (wobei es allerdings für Dachfondsstrukturen gewisse Einschränkungen gibt).
Weniger Verbraucherschutz?
Für Überweisungen bleibt es beim Sepalastschriftverfahren. Änderungen können sich aber beim Verbraucherschutz ergeben, weil Firmen nicht mehr an EU-Vorschriften gebunden sind. Das kann höhere Gebühren bedeuten, aber auch mehr Risiko – etwa im Fall einer Bankenpleite. Und der Gerichtsstand ist dann wohl London.
Steuerlich ergeben sich ebenfalls Änderungen – allerdings ohne große Auswirkungen für den einzelnen Anleger. Egal, ob man sein Wertpapierdepot bei einer Bank in der EU oder in einem Drittland hat – man muss die steuerpflichtigen Einkünfte in seine Einkommensteuererklärung aufnehmen. Zum automatischen KESt-Abzug kommt es nur bei Depots im Inland.