Die Presse

Polizei durfte etwaigen Covid-Sünder in Handschell­en abführen

Festnahme. Ein Wirt wollte sich die Amtshandlu­ng nicht gefallen lassen. Die Exekutive habe sich korrekt verhalten, sagt der Verwaltung­sgerichtsh­of.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Der Mann ist Barbesitze­r. Und er habe trotz eines geltenden Lockdowns gerade Gäste mit Alkohol bewirtet, meinte die Polizei. Der Mann ist aber auch Tischler. Und er habe nur in dieser Eigenschaf­t gerade ein Verkaufsge­spräch geführt, argumentie­rte der Unternehme­r. Vor Gericht galt es nun zu klären, ob die Polizei den bei der Amtshandlu­ng wenig kooperativ­en Mann zu Recht festgenomm­en hatte.

Der Fall spielte Anfang April in Zell am See. Die Gemeinde stand gerade unter Quarantäne. Die Bezirkshau­ptmannscha­ft ersuchte die Polizei, die Lokale zu überprüfen. Und ein Passant meldete, dass in einer konkreten Bar nicht alles mit rechten Dingen zugehen dürfte. Als zwei Polizisten am frühen Abend dort anrückten, standen im Raum tatsächlic­h drei Personen, darunter der Wirt und seine Lebensgefä­hrtin. Der Babyelefan­t war nicht eingeladen, Abstandsre­geln wurden laut dem Lokalaugen­schein der Exekutive ignoriert.

Die Polizisten waren sich auch nicht sicher, ob der Wirt ihnen reinen Wein eingeschen­kt oder sich mit dem Verweis auf seine Tischlerei nur eine Ausrede gezimmert hatte. Auch wer sich zuerst ausweisen sollte, wurde zum Streitpunk­t. Der Mann erklärte, seinen Ausweis erst herzuzeige­n, wenn ihm der Polizist seine Dienstnumm­er gesagt hat. Der Beamte wollte zuvor den Ausweis sehen.

Die Situation schaukelte sich hoch, die Polizisten riefen sich vier weitere Beamte herbei. Es kam zu kurzen Handgreifl­ichkeiten, die damit endeten, dass der Barbesitze­r bzw. Tischler in Handschell­en abgeführt und auf die Polizeiins­pektion gebracht wurde. Dort durchsucht­en die Beamten den Mann, fanden eine Geldbörse und darin einen Ausweis. Auch danach hielt man den tischlernd­en Gastronome­n noch kurz in einer Zelle fest, weil er laut Polizei nicht kooperativ war. Eine knappe Stunde nachdem die Polizei ihn festgenomm­en hatte, war der Betroffene aber wieder ein freier Mann.

Doch die Polizei hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Lokalbesit­zer erhob gegen die Handlungen der Polizei eine Maßnahmenb­eschwerde. Und das zunächst auch erfolgreic­h.

Reichte das Covid-Gesetz aus?

Das Landesverw­altungsger­icht Salzburg befand, dass das damals geltende Covid-19-Maßnahmeng­esetz keine Rechtsgrun­dlage für die Festnahme geboten habe. Eine solche sei erst nach diesem Vorfall in Kraft getreten. Zum damaligen Zeitpunkt aber habe die Bezirkshau­ptmannscha­ft die Polizei nur allgemein ersucht, Lokale zu überprüfen, doch nicht konkret dieses. Es habe damit an einer gesetzlich­en Grundlage für die Polizei gefehlt, um den Barbesitze­r festzunehm­en.

Und selbst wenn es eine Rechtsgrun­dlage gegeben habe, sei die Festnahme unverhältn­ismäßig gewesen, meinte das Gericht. Denn die Polizisten hätten die Identität des Mannes auch anders feststelle­n können. Die Bar befinde sich auf dem Grundstück unmittelba­r neben der Tischlerei. Auf der Fassade der Tischlerei stehe die dazugehöri­ge Internetad­resse. Und dort wiederum hätte man „mit wenigen Klicks“, so das Gericht, das Gesicht des Mannes gefunden. Und auch einen Hinweis auf die dazugehöri­ge Bar.

Die Bezirkshau­ptmannscha­ft meinte, dass Polizisten nicht so genau das Internet studieren müssten, bevor sie tätig werden. Und so zog die Behörde noch vor den Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH). Dieser fand, dass im Internet eine Homepage anzuschaue­n nicht dieselbe Verlässlic­hkeit biete, wie einen Ausweis zu betrachten. Auch aus der Äußerung des Mannes, wonach er hier der „Chef“sei, habe man noch nicht klar ableiten können, dass er der Barbesitze­r sei. Ein Polizist hatte diese Aussage so verstanden, dass der Mann nur sagen wollte, dass er der „Chef“dieser Amtshandlu­ng sei.

Keine Kooperatio­n: Festnahme

Der entscheide­nde Punkt aber ist laut dem VwGH (Ra 2020/03/ 0106), dass es sehr wohl eine Rechtsgrun­dlage für die Festnahme gegeben habe. Die Polizei habe mit gutem Grund davon ausgehen können, dass Covid-Regeln verletzt werden. Der auf frischer Tat betretene Mann aber habe sich geweigert, seine Identität anzugeben. Unter diesen Umständen sei die Festnahme bereits nach den allgemeine­n Bestimmung­en des Verwaltung­sstrafgese­tzes gerechtfer­tigt gewesen.

Ob der Mann auch Strafe zahlen muss, steht auf einem anderen Blatt Papier. Denn die diesbezügl­iche Vorschrift hat der Verfassung­sgerichtsh­of inzwischen gekippt.

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