Meine Wünsche an das Christkind zu Wissenschaft und Gesellschaft
Zu viel Forschungsgeld wird politisch vergeben, Machtausübung auf Kosten von Wissenschaft eben. In allen Bereichen des Landes findet man solche durch Intransparenz stabil gehaltenen Abhängigkeitssysteme.
Die Covid-Krise offenbart Stärken und Schwächen von Gesellschaft und Politik. Sicherlich sollte man die Regierung sowie die Diskussions- und Informationskultur im Land nicht bloß schlechtjammern – wenn es auch sehr viel Luft nach oben gibt. So macht das Virus Zusammenhänge sichtbarer, etwa zwischen der lang krass unterdotierten Grundlagenforschung, dem geringen Wissenschaftsverständnis der Bevölkerung und einem rückwärtsgewandten Bildungssystem. Manches wird durch die überschießende politische und mediale Beschäftigung mit Covid-19 auch zugedeckt, was aber nicht nur schlecht sein muss.
So verbesserte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann rasch und leise Strukturen und Finanzen der Unis. Zudem erhöhte er spürbar das Budget des FWF, welcher hierzulande als Einziger die kompetitive, exzellente Grundlagenforschung in nennenswertem Ausmaß fördert. Endlich! Denn diese extrem wichtige Forschung treibt Innovation und Entwicklung und generiert die dringend benötigten besten Köpfe für Gesellschaft, Wirtschaft und internationale Vernetzung. Jubel ist freilich verfrüht. Denn jene 264 Millionen Euro, die der FWF nun pro Jahr vergeben kann, sind im Vergleich mit den führenden Wissenschaftsnationen immer noch ein Bettel. Hervorragende Projekte können nicht gefördert werden, Forscher werden immer noch ins Ausland getrieben. Auch, weil in Österreich bloß 15 Prozent der Wissenschaftsförderung exzellenzorientiert fließt. Viel zu viel Forschungsgeld wird politisch vergeben, freihändig und ohne wirkliche Qualitätskontrolle. So findet Machtausübung auf Kosten der Wissenschaft statt; in allen Bereichen des Landes findet man solche durch Intransparenz stabil gehaltenen Abhängigkeitssysteme. Das Festhalten an diesem ineffizienten System widerspiegelt das unterentwickelte Wissenschaftsverständnis mancher Regierender und ihrer kuschenden Wähler. Letztere reduziert man so zu „Kreuzerlmachern“und stabilisiert damit die von Anneliese Rohrer kürzlich kritisierte „Zuschauerdemokratie“.
Dass die Kurzsche Marketingregierung in Umfragen sogar noch an Zustimmung gewinnt, belegt unter anderem, dass Populismus und Defizite in den Bereichen von Bildung und kritischem Denken, dass Populismus und Unbildung zwei Seiten derselben Medaille sind. Die Insuffizienz des Bildungssystems von der Kinderkrippe aufwärts, zeigt sich auch darin, dass im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern Bildung und sozioökonomische Zugehörigkeit stark erblich bleiben. Welch menschliche und gesellschaftliche Tragödie, wenn man aufgrund der falschen Herkunft immer noch ganz schlechte Karten hat! Besonders negativ wirkt sich das auch in der Integration aus. Wann wird diese ewige ständestaatliche Erbsünde der 2. Republik endlich angegangen?
Liebes Christkind: Ich wünsche mir ganz dringend ein Bildungssystem für unser Land, das eine reife, partizipative und kohärente Zivilgesellschaft tragen kann und die Irrationalität zurückdrängt. Dazu gehört eine noch wesentlich besser dotierte Topgrundlagenforschung. Zudem wünsche ich mir eine wirkungsvolle Politik gegen Flächenverbrauch, Klimaerwärmung und das dumme Abknallen geschützter Wildtiere. Liebes Christkind, bitte mach, dass wir endlich aufhören, an jenen Ästen zu sägen, die uns tragen.
Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenschaft & Umwelt.
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