Nicht anhand von Gesinnungen urteilen
„Ein Staat muss sich wehren, aber auch viel aushalten“, Leitartikel von Philipp Aichinger, 18. 12. Philipp Aichinger ist zuzustimmen, dass die Begründung eines Tatbestandes „religiös motivierte extremistische Verbindung“eine fragwürdige Angelegenheit ist, in zweierlei Hinsicht: Jede Religion kann von Vertretern anderer Religionen oder von radikalen Säkularen (auch solche gibt es) als extremistisch eingestuft werden; und auch die Frage, was extremistisch ist, wird unterschiedlich ausgelegt. Was für uns heute als „Mitte“gilt, mag in einem sozialistischen Staat als extrem rechts, in einem faschistischen als extrem links gelten.
Die Gefahr besteht, dass ein solcher Paragraf je nach aktuell geltender politischer Ideologie völlig unterschiedlich angewendet wird: Eine islamische Mehrheit könnte damit die Verfolgung von Christen, Buddhisten u. a. ebenso argumentieren wie eine
eher linke oder rechte Regierung die Verfolgung aller, die nicht ihre Ideologie teilen.
Es hat schon einen Grund, warum man anhand von Straftaten (und seien es nur geplante) urteilen sollte, nicht anhand von Gesinnungen. Rückt man einmal von diesem Grundsatz ab, was genau genommen mit dem von Aichinger zitierten NS-Verbotsgesetz (das historisch gut begründet ist) begonnen hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Gesinnungsjustiz immer weiter vordringt, eine Entwicklung, die wir leider zunehmend beobachten müssen.
Dr. Wolfgang Rieger, 1130 Wien