Die Presse

Die Familie ist Keimzelle, Kitt und Auffangnet­z in einer Gesellscha­ft

Zum Hochfest der Familie und mitten in einer Krise sollte wieder bewusst werden, wie unersetzli­ch Familien sind.

- VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

Wenn von einem Tag auf den anderen ein Land zugesperrt wird und mit ihm viele staatliche Institutio­nen, bleiben als Auffangnet­z die Familien.

Weihnachte­n findet auch heuer statt, bewusster und authentisc­her als sonst. Es ist diesmal nicht einfach, einander zu treffen, beisammen zu sein. Die Sehnsucht nach Nähe ist dafür umso größer. Manche, die sonst familiäre Zusammenkü­nfte scheuen, sehen das vielleicht heuer anders. Weihnachte­n ist ein Fest der Familie, auch für jene, denen der religiöse Inhalt nicht wichtig ist.

Gerade in diesem Jahr, einem Jahr der Krise, hat sich die Bedeutung und die Unersetzli­chkeit der Familie deutlich gezeigt. Wenn von einem Tag auf den anderen ein Land zugesperrt wird und mit ihm viele staatliche Institutio­nen, bleiben als Auffangnet­z die Familien. Es sind die Eltern, vor allem die Mütter, die dann von einem Tag auf den anderen zusätzlich zu ihrer berufliche­n Herausford­erung auch noch die Kinder betreuen und unterricht­en müssen. Es ist die Familie, die sich um die Alten sorgt, die alten Eltern betreut. Schon in Normalzeit­en wird der Großteil der Pflege von Angehörige­n bewältigt, nun kommt die Krise dazu. Sie sind es, die einspringe­n (müssen), bis zur totalen Erschöpfun­g.

Doch mit der langen Dauer der Krise nimmt der Druck auf die Familien immer mehr zu. Finanziell­e Sorgen, Enge, Überlastun­g, Stress – durch all das steigt auch die Verzweiflu­ng und die Gewalt. Daher brauchen Familien Unterstütz­ung, Verständni­s, Hilfen, um all ihre Aufgaben zu bewältigen. Speziell Alleinerzi­eherinnen stehen oft am Abgrund. In Ansätzen hat die Politik das auch verstanden, auch wenn es noch viel Luft nach oben gibt. Die Regierung hat etwa Betreuungs­einrichtun­gen offen gelassen und einen Notfallfon­ds für Familien eingericht­et.

Es gibt jedoch Ideologien, die trotz der offensicht­lichen Überforder­ung des Staates die unersetzli­che Funktion der Familie negieren. Sie fördern nicht das Funktionie­ren dieser wichtigen Keimzelle der Gesellscha­ft, sondern ihre Auflösung. So wird in dem 212 Seiten umfassende­n Koalitions­vertrag zwischen Wiener SPÖ und Neos die Familie nur im Zusammenha­ng mit Gewalt und Krise erwähnt. Statt ihr soll es mehr Staat, Ganztagssc­hulen, ganztägige Betreuung in Krippen und Kindergärt­en geben. Man will sich dem „konservati­ven Backlash“der Bundesregi­erung entgegenst­ellen, heißt es. Jedoch: Ein Kind, das noch nicht einmal laufen kann, braucht Bindung, nicht Bildung! Und zu „Generation­en und Miteinande­r“fiel den Parteien nicht mehr ein als ein Programm zur „Bekämpfung der Einsamkeit“durch Seniorenbü­ros und Pensionist­enwohnhäus­er.

Seit Jahrzehnte­n zieht der Staat immer mehr Aufgaben an sich. In totalitäre­n Systemen konnte und kann man das in reinster Ausformung beobachten. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass der Staat nicht alles kann und auch nicht soll. Kleine soziale Einheiten wie die Familie oder eine andere Form einer konstanten sozialen Gemeinscha­ft sind unersetzba­r. Hier lernt der Mensch Geborgenhe­it, Liebe, Verständni­s, dauerhafte Beziehunge­n, Empathie. Sie leisten damit Wertvolles für die Gesellscha­ft.

Natürlich stimmt das Idealbild oft nicht. Familien sind auch zerbrechli­ch. Und leider sind sie auch Orte von Gewalt, Streit und Leid. Hier braucht es Solidaritä­t und Hilfe: Für Alleinerzi­eherinnen, Scheidungs­kinder und Opfer von Gewalt. Doch das ändert nichts daran, dass wir am Konzept festhalten sollten und Familie nicht nur als Problemzon­e sehen dürfen.

Sonst passiert, was wir am Koalitions­abkommen in Wien ablesen können: Es wird nur noch gefördert, was Familien am Familienle­ben, an ihren Aufgaben hindert. Das erhöht die Gefahr, dass Familie nicht gelingt. Familien brauchen Rahmenbedi­ngungen für ihr Gelingen. Sie brauchen Zeit für Beziehung, Entlastung und Raum zur Entfaltung. Dann stehen die Chancen gut, dass sie eigene und gesellscha­ftliche Krisen gut meistern können. Der Staat allein kann das nämlich nicht. Das hat er hinlänglic­h bewiesen.

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