Schwerer Schock in Australien
Australien. Die Plage schien überstanden. Jetzt im Sommer beginnt sie erneut, vermutlich durch einen US-„Import“.
Man schien das Virus auf dem fünften Kontinent, der seit Monaten praktisch von der übrigen Welt abgeschnitten ist, eigentlich schon besiegt zu haben. Doch wenige Tage vor Weihnachten hat sich Corona wieder eingeschlichen. Womöglich aus den USA.
Die Folgen sind enorm: Zunächst gingen mehrere Bezirke von Sydney, der größten Stadt des Landes, in einen neuen Lockdown. Am Wochenende wurde dann die gesamte Stadt zum Sperrgebiet erklärt – und ihre rund 5,3 Millionen Bewohner im Rest des Landes quasi zu „unerwünschten Personen“: Alle australischen Bundesstaaten und Territorien verhängten Einreiseverbote oder Quarantänepflichten für Bewohner von Sydney, ja mitunter auch für Personen, die sich dort derzeit bloß vorübergehend aufhalten.
Im Australian Capital Territory (ACT), dem Bundesgebiet mit der Hauptstadt Canberra rund drei Autostunden südwestlich von Sydney, verkündete das Gesundheitsamt mit Ziel an die „Sydneysider“: „Kommt nicht zu uns!“Und: „Falls sie nicht im ACT ansässig und kürzlich in Sydney gewesen sind: Reisen Sie nicht ins ACT.“
Western Australia, Victoria, Queensland haben die Grenzen für Menschen aus Sydney dichtgemacht und mit Grenzkontrollen begonnen; South Australia und Tasmanien führten eine 14-tägige Quarantänepflicht ein. Wer im sonstigen Gebiet des Bundesstaats New South Wales lebt, in dem Sydney liegt, muss das bei Reisen nachweisen. Von diesem ist Sydney primär durch Ausgangssperren abgeschottet; notwendige Besorgungen, sportliche Aktivitäten, berufliche Tätigkeiten und Besuche bei kranken Verwandten über die Stadtgrenzen bleiben möglich.
Die Australier reagieren (noch) mit stoischer Ruhe und Humor. Im Supermarkt stapelt sich Klopapier, die Spender mit Desinfektionsmittel sind frisch gefüllt. Ordner weisen die Kunden an den Kassen ein, damit es keinen Stau gibt. Die Kunden – die meisten kommen allein, ohne Familienmitglieder – tragen Maske. Letztere war bereits ein seltener Anblick geworden, denn Australien war dank harter Maßnahmen und dichter Grenzen seit Wochen praktisch coronafrei. In den 14 Tagen vor Mittwoch hatte man nur eine Infektion registriert. Mit zuletzt etwa 28.000 Infektionen und 908 Toten bisher eine der Erfolgsgeschichten der Pandemie.
„Superspreader-Event“in Club
Die wenigen Neuinfektionen waren auf Rückkehrer beschränkt, die man in Quarantänehotels abschirmte. Nun dürfte es eine Frau, die aus den USA gekommen ist, importiert haben, aber wie es sich verbreitet hat, ist unklar, denn sie ist noch in Quarantäne. Jedenfalls dürfte ein Paar eben diesen Virenstamm zunächst im Stadtteil Avalon im Norden Sydneys bei einem „SuperspreaderEvent“in einem Club weiterverbreitet haben.
Am Sonntag zählte man deswegen wieder über 70 Erkrankte. Im Vergleich zu anderen Staaten ist das sehr wenig, aber die Aussies hatten eben schon wieder ein recht normales Leben geführt. Der erneute Ausbruch schockiert das 25-Millionen-Land, zumal er mitten im Sommer passiert. Restaurants waren wieder gut gefüllt, Partys und Weihnachtsfeiern fanden statt, das Weihnachtsgeschäft lief gut. Nun wurden wieder Ausgangssperren verhängt, Lokale und Hotels zugesperrt, und so fort. Alle Strände im Norden Sydneys, darunter der berühmte Manly Beach, sind geschlossen. Die Segelregatta von Sydney nach Hobart auf Tasmanien wurde abgesagt – zum ersten Mal in 75 Jahren.