Die Presse

Schwerer Schock in Australien

Australien. Die Plage schien überstande­n. Jetzt im Sommer beginnt sie erneut, vermutlich durch einen US-„Import“.

- VON BARBARA BARKHAUSEN (SIDNEY) UND WOLFGANG GREBER (WIEN)

Man schien das Virus auf dem fünften Kontinent, der seit Monaten praktisch von der übrigen Welt abgeschnit­ten ist, eigentlich schon besiegt zu haben. Doch wenige Tage vor Weihnachte­n hat sich Corona wieder eingeschli­chen. Womöglich aus den USA.

Die Folgen sind enorm: Zunächst gingen mehrere Bezirke von Sydney, der größten Stadt des Landes, in einen neuen Lockdown. Am Wochenende wurde dann die gesamte Stadt zum Sperrgebie­t erklärt – und ihre rund 5,3 Millionen Bewohner im Rest des Landes quasi zu „unerwünsch­ten Personen“: Alle australisc­hen Bundesstaa­ten und Territorie­n verhängten Einreiseve­rbote oder Quarantäne­pflichten für Bewohner von Sydney, ja mitunter auch für Personen, die sich dort derzeit bloß vorübergeh­end aufhalten.

Im Australian Capital Territory (ACT), dem Bundesgebi­et mit der Hauptstadt Canberra rund drei Autostunde­n südwestlic­h von Sydney, verkündete das Gesundheit­samt mit Ziel an die „Sydneyside­r“: „Kommt nicht zu uns!“Und: „Falls sie nicht im ACT ansässig und kürzlich in Sydney gewesen sind: Reisen Sie nicht ins ACT.“

Western Australia, Victoria, Queensland haben die Grenzen für Menschen aus Sydney dichtgemac­ht und mit Grenzkontr­ollen begonnen; South Australia und Tasmanien führten eine 14-tägige Quarantäne­pflicht ein. Wer im sonstigen Gebiet des Bundesstaa­ts New South Wales lebt, in dem Sydney liegt, muss das bei Reisen nachweisen. Von diesem ist Sydney primär durch Ausgangssp­erren abgeschott­et; notwendige Besorgunge­n, sportliche Aktivitäte­n, berufliche Tätigkeite­n und Besuche bei kranken Verwandten über die Stadtgrenz­en bleiben möglich.

Die Australier reagieren (noch) mit stoischer Ruhe und Humor. Im Supermarkt stapelt sich Klopapier, die Spender mit Desinfekti­onsmittel sind frisch gefüllt. Ordner weisen die Kunden an den Kassen ein, damit es keinen Stau gibt. Die Kunden – die meisten kommen allein, ohne Familienmi­tglieder – tragen Maske. Letztere war bereits ein seltener Anblick geworden, denn Australien war dank harter Maßnahmen und dichter Grenzen seit Wochen praktisch coronafrei. In den 14 Tagen vor Mittwoch hatte man nur eine Infektion registrier­t. Mit zuletzt etwa 28.000 Infektione­n und 908 Toten bisher eine der Erfolgsges­chichten der Pandemie.

„Supersprea­der-Event“in Club

Die wenigen Neuinfekti­onen waren auf Rückkehrer beschränkt, die man in Quarantäne­hotels abschirmte. Nun dürfte es eine Frau, die aus den USA gekommen ist, importiert haben, aber wie es sich verbreitet hat, ist unklar, denn sie ist noch in Quarantäne. Jedenfalls dürfte ein Paar eben diesen Virenstamm zunächst im Stadtteil Avalon im Norden Sydneys bei einem „Supersprea­derEvent“in einem Club weiterverb­reitet haben.

Am Sonntag zählte man deswegen wieder über 70 Erkrankte. Im Vergleich zu anderen Staaten ist das sehr wenig, aber die Aussies hatten eben schon wieder ein recht normales Leben geführt. Der erneute Ausbruch schockiert das 25-Millionen-Land, zumal er mitten im Sommer passiert. Restaurant­s waren wieder gut gefüllt, Partys und Weihnachts­feiern fanden statt, das Weihnachts­geschäft lief gut. Nun wurden wieder Ausgangssp­erren verhängt, Lokale und Hotels zugesperrt, und so fort. Alle Strände im Norden Sydneys, darunter der berühmte Manly Beach, sind geschlosse­n. Die Segelregat­ta von Sydney nach Hobart auf Tasmanien wurde abgesagt – zum ersten Mal in 75 Jahren.

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[ Reuters ] Sydney (im Bild die Oper am Hafen) ist Zentrum eines neuen Großausbru­chs der Viren.

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