Die Presse

Handel verliert Milliarden an Umsatz

Lockdown. Der stationäre Einzelhand­el hat heuer bereits Dutzende Schließtag­e hinter – und noch einige vor sich. Das Weihnachts­geschäft drehte die angespannt­e Situation nicht.

- VON NICOLE STERN

Wien. Menschenma­ssen, die in Geschäften herumwusel­n, Schlangen an den Kassen bilden und sich durch die Straßen schieben. Normalerwe­ise sind die Einkaufsme­ilen in den Tagen zwischen Weihnachte­n und Silvester prall gefüllt. Große Teile der Bevölkerun­g befinden sich zu dieser Jahreszeit auf Urlaub und haben Zeit, Geschenke umzutausch­en und Gutscheine einzulösen.

Daraus wird heuer allerdings nichts. Denn nur kurz nach dem zweiten Lockdown geht Österreich ab dem 26. Dezember in den nächsten und damit dritten harten Lockdown dieses Jahres. Die Geschäfte bleiben bis inklusive 17. Jänner zu. Offen halten dürfen nur, wie schon bisher, Supermärkt­e, Apotheken, Banken, Post und Co.

Für den heimischen Einzelhand­el ist das bitter. Berechnung­en des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universitä­t Linz (JKU), entgehen der Branche damit nun Umsätze in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Allein für den Zeitraum zwischen dem 27. und dem 31. Dezember würden sich die täglichen Umsatzverl­uste auf 140 Mio. Euro (brutto) belaufen. Im Jänner fehlen der Branche dann pro Tag noch einmal rund 100 Mio. Euro.

Der Handelsver­band schätzt die Ausfälle gar auf drei Milliarden Euro. „Für unsere Branche ist der dritte harte Lockdown das Worst-Case-Szenario. Der Dezember ist der mit Abstand umsatzstär­kste, wichtigste Monat des Geschäftsj­ahres“, sagt Handelsver­band-Geschäftsf­ührer Rainer Will. Er bezeichnet 60.000 Arbeitsplä­tze als akut gefährdet.

Dass der letzte Einkaufssa­mstag in diesem Jahr solide über die Bühne ging, war den Händlern wohl nur ein schwacher Trost. Die Kundenfreq­uenz wie auch die Umsätze hätten im Vergleich zur Kalenderwo­che davor leicht zugelegt, berichtete der Handelsver­band am Wochenende. „Unsere Händler verzeichne­ten sowohl in den Einkaufsst­raßen als auch in den Shoppingze­ntren gute Kundenfreq­uenzen. Wie erwartet war der heutige Samstag im Sechs-Tage-Vergleich am umsatzstär­ksten, jedoch etwas schwächer als im Vorjahr. Dank zahlreiche­r regionaler Weihnachts­shopper endete der Tag zumindest mit einem starken Finish“, so Will.

Weniger Umsätze in Einkaufsze­ntren

Doch waren deutliche regionale Unterschie­de im Kaufverhal­ten der Kunden zu bemerken. Während man in Oberösterr­eich, Niederöste­rreich, Burgenland und der Steiermark und da vor allem in den Bezirksstä­dten, „relativ gute Umsätze“verbuchen konnte, entwickelt­en sich Westösterr­eich, Kärnten und Wien schwächer – was auf fehlende Touristen zurückzufü­hren sei. Einkaufsze­ntren wiederum litten unter der geschlosse­nen Gastronomi­e und der somit kürzeren Verweildau­er der Kunden.

Eine Mitte Dezember publiziert­e Umsatzprog­nose von Handelsver­band und Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo für den Einzelhand­el ging von einem Mehrumsatz im Weihnachts­geschäft in der Höhe von 1,1 Mrd. Euro netto aus. Im Vorjahr waren es noch 1,22 Mrd. Euro. Das macht ein Minus von zehn Prozent. In einer ersten Prognose hatte der Handelsver­band noch mit einem Rückgang von 20 Prozent gerechnet. Die geplanten Ausgaben für Weihnachts­geschenke sollen sich heuer auf rund 420 Euro pro Kopf belaufen, nach 464 Euro im Jahr zuvor.

Der Umsatz im Einzelhand­el dürfte in diesem Coronajahr um nominell 2,9 Prozent auf 74,5 Mrd. Euro schrumpfen. Real (nach Abzug der Inflation) macht das ein Minus von 4,2 Prozent. „Insgesamt rechnen wir für 2020 mit einem Rückgang der privaten Haushaltsa­usgaben für Dienstleis­tungen, Konsumgüte­r und sonstige Investitio­nen von mindestens 16,5 Mrd. Euro“, sagt Will.

Handel will längeren Umsatzersa­tz

Die Branche pocht nun darauf, dass der mit Jahresende auslaufend­e Umsatzersa­tz verlängert wird. Auch will man den Deckel von 800.000 Euro zu Fall bringen, da viele Betriebe damit nur einen Bruchteil ihrer Verluste ausgleiche­n könnten. Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) hatte am Samstag bekräftigt, dass es ab 2021 nur noch den Fixkostenz­uschuss und den Verlustaus­gleich geben wird. Die Begrenzung von drei Mio. Euro für den Verlusters­atz hält der Handelsver­band für zu niedrig. Wobei man die Entschädig­ung für indirekt betroffene Betriebe begrüßt.

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[ APA/Kornberger ] Relativ gute Umsätze gab es am Wochenende in den Bezirksstä­dten. Hier die Grazer Innenstadt.

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