Die Filme über Covid-19 kommen
Lockdown-Romanze, Seuchen-Thriller, Isolationskomödie: Langsam trudeln die ersten Hollywoodfilme ein, die sich explizit mit der aktuellen Pandemie befassen. Wann – und ob – sie bei uns zu sehen sein werden, ist aber unklar.
Die ersten Hollywoodfilme trudeln ein, die sich mit der Pandemie beschäftigen: wie „Locked Down“mit Anne Hathaway.
Die schnellste aller Kunstformen ist der Film ja bekanntlich nicht. Bis – um es nur ganz grob zu sagen – ein Drehbuch geschrieben ist, Dreharbeiten vorbereitet, alle Szenen im Kasten, Schnitt, Musik und Effekte fertig sind, dauert es Monate, manchmal Jahre. Und da sind etwa die Finanzierungsphasen, die manche Filmemacher lang aufhalten, noch gar nicht berücksichtigt. Jedenfalls: So sehr sich das Kino auch um Aktualität bemüht, die Wirklichkeit, die ihm zugrunde liegt, kann nie die heutige sein, sondern höchstens die vom Vorjahr – oder, wenn sich jemand wirklich beeilt hat, vielleicht die vom letzten Sommer. Was uns im Normalfall wohl nicht einmal auffällt.
Aber was, wenn ein globales Ereignis unseren Alltag derart auf den Kopf stellt, dass sich die banalsten Szenen – durch eine Fußgängerzone gehen, eine Party feiern, in ein Flugzeug steigen – plötzlich anders abspielen? Plötzlich kommt es uns ganz seltsam vor, wenn eine Filmfigur einer fremden einfach so die Hand gibt oder sich durch eine dichte Menschenmenge drängt, als wäre nix dabei. Ob uns das freut oder nicht: Die Welt im Film ist – noch – frei von Covid-19. Die Produktionen, die seit Pandemiebeginn ins Kino- oder Streamingprogramm gekommen sind, wurden allesamt vor Corona gedreht, das gilt auch für die meisten, die 2021 noch erscheinen werden. Doch langsam trudeln nun auch die ersten Filme ein, die entstanden sind, als bereits Social Distancing geboten war – und die sich explizit mit der Coronapandemie befassen.
Das kann recht gut gelaunt ablaufen: „Locked Down“heißt eine britische Actionkomödie, die vom Schöpfer der Serie „Peaky Blinders“, Steven Knight, geschrieben und von „Mr. and Mrs. Smith“-Regisseur Doug Liman inszeniert wurde. Ein Paar, das die ersehnte Trennung wegen des Londoner Lockdowns nicht vollziehen kann und zu zweit zu Hause festsitzt, entwickelt bei einem Juwelenraub im leer gefegten Nobelkaufhaus Harrods wieder romantische Gefühle. Im Trailer sieht man, wie sich Anne Hathaway zur Videokonferenz Wein einschenkt, und wie Chiwetel Ejiofor einen Klopapier-Plünderer anschnauzt, bevor es an die Coup-Planung geht. In den USA kommt der Film diese Woche auf dem Streamingdienst HBO Max heraus, wann er bei uns zu sehen sein wird, ist offen.
Ebenfalls nur in anderen Ländern erschienen ist im Dezember ein neuer Katastrophenfilm, den Bombastspezialist Michael Bay („Armageddon“, „Transformers“) produziert hat und der das Thema ungleich fatalistischer angeht: „Songbird“spielt im Jahr 2024, Covid-19 ist mittlerweile zu Covid-23 mutiert, die Bevölkerung wird mit täglichen Fiebermessungen via Smartphone überwacht, Infizierte werden in Sammellagern ihrem Schicksal überlassen. Und mittendrin kämpfen zwei Liebende, die einander nicht sehen dürfen, um ihre Zukunft. Von Kritikern wurde der in Rekordzeit und mit vielen technischen Tricks produzierte Film in der Luft zerrissen, nicht nur auf qualitativer, sondern auch auf moralischer Basis: „Songbird“schlachte eine tragische Situation schamlos für Nervenkitzel aus, während täglich Menschen an Covid sterben, meinten einige.
Judd Apatows Quarantäne-Komödie
Da ist es deutlich weniger heikel, filmisch zu erkunden, wie sich Isolation, Abstandsregeln und Virusparanoia auf Beziehungen und Alltag der Menschen auswirken. Komödienmeister Judd Apatow („Jungfrau (40), männlich, sucht . . .“) will in seinem nächsten Werk, das er für Netflix entwickelt, von einer Gruppe Schauspielern erzählen, die in einem Hotel in Quarantäne sind, während sie einen Film drehen sollen. Peter Howitt („Johnny English“) hat schon im Mai ein Melodram namens „Lock Down“angekündigt, das in verwobenen Handlungssträngen der „neuen Normalität“in Kalifornien nachspürt. Bleibt zu hoffen, dass diese wieder Geschichte ist, wenn der Film schließlich herauskommt.
Und dann ist da noch die politische Dimension: Charles Randolph hat mit seinen Drehbüchern für „The Big Short“(über die Finanzkrise) und „Bombshell“(über die Belästigungsvorwürfe bei Fox News) virtuos gezeigt, wie man aus vertrackten Themen fesselnde Unterhaltung schafft, die die Komplexität der Materie anerkennt. Jetzt will er sich der Entdeckung des Virus in Wuhan annehmen. „Je tiefer wir graben, desto reichhaltiger wird die Geschichte“, sagte er. Und der britische Filmemacher Michael Winterbottom will Boris Johnsons Umgang mit der Krise aufarbeiten – in einer TV-Serie.