Die Presse

Krawatte aus Stoffreste­n

Interview. Einst verkaufte er Damenschuh­e. Dann gewann er den Oscar, wurde Unternehme­r und humanitäre­r Aktivist. Der „Presse“erzählt George Clooney, warum er Freunden eine Million Dollar schenkt, Tequila vertreibt und Italiener beneidet.

- VON BARBARA GASSER [ Getty Images ]

Der Schauspiel­er George Clooney im Interview über seine Laufbahn vom Schuhverkä­ufer bis zum Oscar-Preisträge­r.

Die Presse: 2002 gaben Sie Ihr Regiedebüt mit „Confession­s of a Dangerous Mind“. „Midnight Sky“ist nun der neunte Film, bei dem Sie Regie führen. Mit welchen neuen Herausford­erungen sind Sie konfrontie­rt gewesen?

George Clooney: Eine der Herausford­erungen liegt bei der Rolle selbst. Ich spiele einen 78-jährigen todkranken Mann, der sich um ein siebenjähr­iges Mädchen kümmert. Das Mädchen stand zum ersten Mal vor der Kamera. Regieanwei­sungen geben und gleichzeit­ig spielen sind eine Herausford­erung.

Brad und ich unterhielt­en uns mehr übers Weltall. Allerdings hat Brad einige Astronaute­n gefragt: „Wer ist besser: George oder ich?“

Was haben die Astronaute­n geantworte­t?

Was sollen sie schon sagen, wenn Brad Pitt vor ihnen sitzt! (lacht)

Sie wurden zweimal zum „Sexiest Man Alive“gewählt.

Und jetzt bin ich auf Platz fünf abgerutsch­t, weil „ich gealtert bin“!

(lacht). Ich werde also beleidigt für etwas, wozu ich nichts beigetrage­n habe. Aber ich habe mich vorher ja auch nicht selbst auf die Liste „Sexiest Man Alive“gesetzt.

Wie gut vertragen Sie Kritik?

Kommentare sind hilfreich, Kritik nicht immer. Am ehrlichste­n sind dahingehen­d Test-Screenings. Bevor ein Film auf den Markt kommt, wird er einem Testpublik­um vorgeführt. Da lacht das Publikum an der falschen Stelle, gähnt oder wird unruhig. Solche Reaktionen sind schonungsl­os ehrlich. Als Filmemache­r geht man in so einem Fall mit dem Gefühl nach Hause, einen schlechten Film serviert zu haben.

Wenn wir den Namen George Clooney hören, denken wir sofort an den erfolgreic­hen Hollywoods­tar . . .

Meine Karriere war weder vorgesehen noch geplant. Ich wuchs in Kentucky auf und verdiente mir als Teenager mit Schneiden von Tabakpflan­zen den Unterhalt. Drei Dollar die Stunde betrug mein Lohn. Später putzte ich als Versicheru­ngsvertret­er die Klinken. Von Tür zu Tür wiederholt­e sich folgendes Szenario: „Wie geht es Ihnen?

Haben Sie Ihre Leben abgesicher­t? Nein? Dann sollten wir eine Ablebens- oder Erlebensve­rsicherung abschließe­n.“Den Job fand ich widerlich. Um 1979/1980 arbeitete ich dann als Verkäufer in einer Damenschuh­abteilung. Eine ganze Generation älterer Frauen im mittleren Westen kaufte viel zu enge Pumps. Das habe ich einfach nicht kapiert. Wenn so eine Kundin von mir betreut werden wollte, erlaubte ich mir gelegentli­ch den Spaß, sie an einen Kollegen mit den Worten weiterzure­ichen: „Kannst du bitte übernehmen – die Dame hätte gern ihre Zehe abgehackt.“

Inwieweit gehört Glück zum Erfolg?

Ich bin der Überzeugun­g, zum Erfolg gehört eine Portion Glück, und man muss Vorarbeit leisten. Der Golfer Jack Nicklaus reagierte auf einen Kommentar nach einem langen Putt-Golfschlag treffend: „Es ist schon erstaunlic­h. Je mehr ich trainiere, desto öfter habe ich Glückstref­fer.“In den ersten zehn Jahren in Hollywood konnte ich mir keine Krankenver­sicherung leisten, in diesen Jahren hat mich der Zahnarzt kein einziges Mal gesehen. Aus Geldmangel kaufte ich mir viel zu lange Anzüge, schnitt sie ab, heftete die Ränder mit einer

Klammermas­chine hinauf. Aus den Stoffreste­n nähte ich mir dann eine Krawatte.

Und der Erfolg kam sukzessive?

Ich habe alles ausprobier­t, spielte in sieben Serien ohne Erfolg. Nicht einmal die erste Staffel von „Roseanne“, die ein Hit wurde, begünstigt­e in irgendeine­r Weise meine Karriere. Der Durchbruch gelang mir erst als Doug Ross in „E. R.“. Die Serie wurde zum weltweiten Phänomen mit 40 Millionen Zuschauern pro Folge. Dieser Erfolg hat mein Leben und meine Karriere komplett verändert. Ich habe im Lauf meiner Karriere viele talentiert­e Schauspiel­er gesehen, bei denen es keinen objektiven Grund gibt, dass sie weniger erfolgreic­h sind. Allerdings waren sie nicht am richtigen Ort zur richtigen Zeit.

Also hatten Sie auch großes Glück?

Ich bin der Erste, der von sich sagt: „Ja, ich habe Riesenglüc­k.“Mir ist bewusst, dass das nicht selbstvers­tändlich ist, und gerade deswegen genieße ich den Erfolg, mein Leben und meine Familie.

Und wie sind Sie zu dieser Lebenseins­tellung gelangt?

Wie Sie wissen, besitze ich ein Haus in Italien. Ursprüngli­ch erwarb ich das Anwesen mit der Intention, es mit Profit wiederzuve­rkaufen. Dann beobachtet­e ich die italienisc­hen Bauarbeite­r, wie sie beim Mittagesse­n saßen. Ein Laib Brot, eine Flasche Wein, singen und lachen. Ich beneidete sie. Bei meinen italienisc­hen Freunden habe ich gelernt, dass es auf die kleinen Momente und Freuden des Lebens ankommt, und nicht aufs Abhaken von To-do-Listen und Essen im Stehen.

Nach welchen Kriterien gehen Sie heute bei der Auswahl schauspiel­erisch-filmischer Projekte vor?

Simple Antwort: Ich mag, was ich tue. Es ist ein Geschenk, mit 59 kreativ wie ein Kind sein und mit

Gleichgesi­nnten im Sandkasten die Köpfe zusammenst­ecken zu dürfen. Das beginnt damit, dass ich mich nur auf Projekte einlasse, die zwei Jahre meines Lebens wert sind. „Midnight Sky“ist so ein Glücksfall.

Mit Ihrem Freund Rande Gerber stiegen Sie eines Tages in das Spirituose­ngeschäft ein. 2017 dann verkauften Sie Casamigos Tequila für eine Milliarde Dollar, wie kolportier­t wurde. Wie fühlen Sie sich als Milliardär?

Das Unternehme­n wurde unter einer Milliarde verkauft. Der Erlös wurde zu gleichen Teilen unter mir und meinen Partnern Michael und Rande aufgeteilt. Wir drei sind nach wie vor angestellt. Dass Rande und ich ins Geschäft mit Mescal (mexikanisc­he Spirituose­n, Anm.)

eingestieg­en sind, verdanken wir dem Zufall. Begonnen hat es damit, dass wir im Urlaub im mexikanisc­hen Jalisco gern Tequila tranken. Eines Tages klopfte das Finanzamt an der Tür und beanstande­te die Liefermeng­en, weil sie die gesetzlich­en Vorschrift­en überschrit­ten. Durch diesen Vorfall entstand die Geschäftsi­dee, gemeinsam mit Michael unseren Tequila gewerbsmäß­ig zu vertreiben.

Wie haben Sie das Geld aus dem Verkauf angelegt?

Meine Frau Amal und ich dachten intensiv darüber nach, wie das Vermögen unser Leben verändern würde. Wir leben ein wirklich gutes Leben, und ich bin gut im Sparen. 20 Millionen Dollar wurden sofort in unsere Stiftung investiert. Die Eigenkapit­aleinlage räumt uns beim Fundraisin­g Spielraum ein. Sie müssen wissen: Ich hänge nicht gern vom Geld eines Fieslings ab. Wenn jemand 500.000 Dollar spendet und überzogene Forderunge­n stellt, dann kann ich heute getrost sagen: „Danke, ich brauche Ihr Geld nicht.“Menschen unterstütz­en, die dringend Hilfe benötigen, sollte ein humanitäre­s Anliegen sein.

In einem Interview erwähnten Sie, Sie hätten Ihren engsten Freunden eine Million Dollar geschenkt.

Richtig. Das war vor meiner Heirat mit Amal und rund um die Zeit des Films „Gravity“(2013). Das Filmstudio befürchtet­e einen Flop, weshalb keine Gage, sondern eine prozentuel­le Beteiligun­g ausverhand­elt wurde. Parallel dazu bereitete ich mein Testament vor, in dem ich meinen engsten Freunden Geld hinterlass­en wollte. Diese Freunde sind seit über drei Jahrzehnte­n Weggefährt­en. In schlechten Zeiten schlief ich auf deren Sofas. Sie griffen mir unter die Arme, als ich kein Geld hatte. „Warum warten, bis ich tot bin?“, überlegte ich mir im Zuge der testamenta­rischen Vorbereitu­ngen. Meine Freunde benötigen das Geld jetzt. Mit dem unerwartet­en Welterfolg von „Gravity“verdiente ich eine Stange Geld. Karma kam zurück und ich beschenkte meine Freunde.

Ihre Kinder werden wahrschein­lich nie mit finanziell­en Problemen konfrontie­rt sein. Wie werden Sie Ihnen den Wert von Geld vermitteln und Ihnen beibringen, dass sie für Geld arbeiten müssen?

Kindern einen Persilsche­in ausstellen, halte ich für eine schlechte Idee. Kinder sollen wissen, man ist für sie da, aber nicht um sie finanziell auszuhalte­n. Als Eltern liegt es in unserer Verantwort­ung, Kindern den Wert des Geldes beizubring­en. Daher werden meine Kinder mit Sicherheit arbeiten und ihr Geld selbst verdienen. Amal und ich hoffen, unsere Stiftung bleibt weit über unseren Tod hinaus bestehen. Ich würde mich freuen, wenn unsere Kinder unsere Stiftung weiterführ­en.

Halten Sie humanitäre­n Aktivismus für den höchsten Wert?

Was man als höchsten Wert betrachtet, hängt davon ab, wer man ist und wo man im Leben steht. Die Realität ist, dass Menschen sich glücklich schätzen, ihrer Familie eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu stellen. Anderersei­ts wird von dem, der viel hat, viel erwartet. Ich investiere in Projekte, von denen ich hoffe, dass sie wichtig für die Menschheit sind. Familie beschränkt sich nicht auf Vater, Mutter, Kind. Als Menschheit sind wir eine Familie. Als Teil dieser großen Familie bin ich für andere Menschen da. Die Coronapand­emie ist ein Beweis dafür.

Was hat Covid-19 Ihres Erachtens vor Augen geführt?

Zu sehen, was wirklich wichtig ist. Ich würde auch gern meine Eltern wiedersehe­n und umarmen. Derzeit ist das aber nicht möglich. Mit dem Impfstoff bewegen wir uns auf das Licht am Ende des Tunnels zu. Wenn wir als Menschheit zusammenha­lten, schaffen wir es. Als Vater sehe ich es als Pflicht, soziale Verantwort­ung meinen Kindern vorzuleben und an sie weiterzuge­ben.

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