Fünf Regeln für Investoren im neuen Jahr
Börsenregeln. 2020 war ein verrücktes Jahr, und auch 2021 begann für Anleger gleich einmal entgegen jeder Intuition. Fünf allgemein gültige Regeln, deren Wichtigkeit sich in turbulenten Zeiten ganz besonders zeigt.
New York. Man muss das alles nicht verstehen. Monatelang erklärten uns Experten, dass der Wahlausgang in den USA die Börsen beflügelt, weil dem demokratischen Abgeordnetenhaus und dem Weißen Haus unter Joe Biden in Zukunft höchstwahrscheinlich ein republikanisch dominierter Senat gegenüberstehen werde. Es folgte die große Überraschung: Die Demokraten holten sich auch die Mehrheit im Senat. Zeitgleich verläuft der Start der Corona-Impfung alles andere als ideal, und ein Mob stürmt das Kapitol in Washington. Und die Börsen? Sie steigen.
Natürlich lässt sich das irgendwie erklären, etwa damit, dass es endlich Gewissheit gibt, nachdem zuletzt auch Donald Trump einen geordneten Machtübergang in Aussicht gestellt hat. Aber ehrlicher wäre es für Investoren vielleicht zuzugeben, dass es unmöglich ist vorherzusagen, was an den Börsen kurzfristig passieren wird. Ist man sich dessen bewusst und beachtet man die folgenden Regeln, kann man nahezu nur gewinnen. Langfristig wohlgemerkt.
► Niemals den Markt timen. Wer nach dem Vorjahr immer noch glaubt, kurzfristige Schwankungen punktgenau vorhersagen zu können, soll sein Geld unter das Kopfkissen und nicht auf ein Aktiendepot legen. Denn wer den Markt timen wollte, hätte längst verkauft und das Plus der vergangenen Wochen verpasst. Es lohnt sich nicht, ein- und auszusteigen, um von Schwankungen zu profitieren. Ein Beispiel, das die Vermögensberater von Fidelity gern präsentieren: Wer 1980 in einen Indexfonds auf den S&P 500 investiert und wegen Markttiming nur die fünf besten Tage verpasst hat, der hat heute 38 Prozent weniger am Konto als ein Investor, der das Kapital unberührt liegen gelassen hat.
► Stets auf Bewertungen achten. Die Stimmung auf dem Markt kann täuschen, weil Anleger auf der Welle der Euphorie mitschwimmen oder kollektiv in Panik verfallen. Man sollte den umgekehrten Weg gehen. Wie Starinvestor Warren Buffett sagt: „Sei gierig, wenn andere ängstlich sind, und ängstlich, wenn andere gierig sind.“Zu Beginn der Pandemie herrschte Panik, die Talfahrt im März war historisch einzigartig. Wer sich in den folgenden Monaten in Erinnerung rief, dass auch die schlimmste Krise vorbeigeht, und erkannte, dass die Bewertungen günstig sind, konnte viel Geld verdienen. Nun sind die Bewertungen hoch, dafür sind vor allem Tech-Werte verantwortlich. Bei Zyklikern, etwa Banken und Energieversorgern, gibt es noch Möglichkeiten zum Einstieg. Vorsicht ist trotzdem geboten, die Gier hat überhand genommen.
► Es geht immer um die lange Sicht. Die Frage, wie sich die ersten beiden Punkte vertragen, ist legitim. Auf der einen Seite steht die Warnung, den Markt timen zu wollen. Auf der anderen Seite die Aufforderung, anhand einer Analyse von Bewertungen ein- und auszusteigen. Die Frist macht den Unterschied: Wer den Markt zu timen versucht, verkauft am mutmaßlichen Höhepunkt, um nach Verlusten – die dann oftmals ausbleiben – beim gleichen Papier kurzfristig wieder einzusteigen. Wer sich den Wert einer Aktie anhand des KursGewinn-Verhältnisses ansieht, trifft eine langfristige Entscheidung. Der Zeithorizont sollte mehrere Jahre betragen, der Kauf oder
Verkauf nicht hinterfragt werden, wenn sich die Aktie kurzfristig in die falsche Richtung entwickelt – sofern sich am Fundament der Entscheidung nichts verändert hat. Wenn der S&P 500 Index unter dem historischen Durchschnitt bewertet ist (momentan nicht!), macht man mit dem Kauf eines Indexfonds nichts falsch, wer diesen zumindest mehrere Jahre hält. ► Aktien sind Wette auf Zukunft. Die Kursgewinne während der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg mögen für Laien unverständlich sein.
Profis wissen, dass jeder Kauf von Aktien stets eine Wette auf die Zukunft ist. Es geht um die Erwartungen über einen Zeitraum der nächsten sechs bis zwölf Monate. Und da ist es realistisch, dass die Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist und es nicht erwarten kann, wieder zu reisen, und den Konjunkturmotor wieder voll ins Laufen bringt. Mittlerweile ist das freilich eingepreist, die Frage wird sein, ob das Plus die Erwartungen übertrifft und ob es nachhaltig ist. Glaubt man daran und beträgt der Zeithorizont mehrere Jahre, spricht auch bei den aktuell hohen Bewertungen nichts gegen einen vorsichtigen Einstieg mit breiter Streuung. Will man in wenigen Monaten schnelles Geld verdienen, ist die Börse der falsche Ort. ► Langfristig positiv denken. Selbst die besten Analysten können nicht treffsicher sagen, ob die wichtigsten Indizes zu Jahresende höher oder tiefer notieren. Dafür können selbst die schlechtesten Analysten mit hoher Treffsicherheit prophezeien, dass der S&P 500 in fünfzehn Jahren höher als heute notieren wird. Deshalb: Egal, wie gut oder schlecht die Wirtschaftslage ist, wie hoch oder niedrig die Bewertungen sind: Mit dem entsprechenden Zeithorizont im Hinterkopf gibt es keinen falschen Zeitpunkt für einen – vorsichtigen und schrittweisen – Einstieg in den Aktienmarkt.