Impfverweigerung als Grund zur Kündigung?
Gastbeitrag. Arbeitgeber können ihre Mitarbeiter nicht zu einer Impfung gegen Covid-19 zwingen. Auf Dauer mit aufwendigen und unpraktikablen Schutzmaßnahmen leben müssen sie aber auch nicht.
Wien. Eine Impfpflicht ist im Beschäftigungskontext keine Neuheit, vor allem im Gesundheitssektor ist sie selbstverständlich. Die Einführung einer generellen Pflicht für Mitarbeiter zu einer Corona-Impfung ist aber unwahrscheinlich – so wurde trotz der globalen Pandemie historischen Ausmaßes eine Ausweitung auf andere Wirtschaftsbereiche, bei denen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, noch nicht einmal diskutiert. Abseits einer Impfpflicht knüpfen an den Impfstatus der Mitarbeiter allerdings sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen.
So suchen immer mehr Arbeitgeber nach Wegen, um ihre Mitarbeiter zu einer Impfung zu bewegen. Natürlich ist klar: Arbeitgeber können weder im Alleingang noch mit Zustimmung des Betriebsrats eine Impfpflicht anordnen. Eine solche kann ausschließlich der Gesetzgeber unter sorgfältiger Abwägung der betroffenen Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einführen.
Arbeitgeber muss Schutz bieten
Aufgrund ihrer Fürsorgepflicht sind Arbeitgeber aber verpflichtet, effektive Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Infektionen mit dem Coronavirus so weit wie möglich zu verhindern. Die Wissenschaft ist sich einig, dass die mit Abstand wirksamste Maßnahme eine Schutzimpfung wäre. Deswegen könnten Arbeitgeber sogar dazu verhalten sein, den Mitarbeitern die Corona-Impfung auf eigene Kosten anzubieten. Ob der Arbeitgeber die Kosten derartiger betrieblicher Impfaktionen vom Staat ersetzt bekäme, ist im Moment unklar. Ein Kostenersatz wäre aber sehr zu begrüßen, denn durch ihren einfachen Zugang fördern betriebliche Impfaktionen nachweislich die Durchimpfungsrate.
Aber auch wenn der Arbeitgeber die Kosten übernimmt: Die Impfung im Betrieb bedarf jedenfalls der Zustimmung des einzelnen Mitarbeiters. Werden Impfdaten im Betrieb elektronisch erfasst, muss darüber hinaus auch der Betriebsrat zustimmen.
Verweigert ein Mitarbeiter seine Teilnahme an einer betrieblichen Impfaktion, müsste der Arbeitgeber die umfangreichen Präventionsmaßnahmen der vergangenen Monate weiter aufrechterhalten. Dazu zählen etwa das Tragen von Schutzmasken, die räumliche Trennung durch Glasbarrieren, schichtbetriebähnliche Mitarbeitereinteilungen, die Vermeidung physischer Meetings, die Versetzung auf weniger gefährliche Arbeitsplätze bzw. ins HomeOffice sowie die regelmäßige Befragung zum Covid-19-Status.
Eine Vorlage regelmäßiger Tests können Arbeitgeber in aller Regel aber nur in solchen Betrieben fordern, bei denen die berufliche Tätigkeit eine erhöhte Ansteckungsgefahr begründet. Zu ungewollter Berühmtheit gelangten beispielsweise die Schlachtbetriebe, wo das Infektionsgeschehen durch geschlossene Räume, kühle Temperaturen und starke Aerosolbildung deutlich begünstigt wird.
Wenig überraschend haben Arbeitgeber ein großes Interesse, diese aufwendigen alternativen Schutzmaßnahmen schnellstmöglich zu beenden: Sie sind nicht nur mit hohen Kosten verbunden, für bestimmte Berufe stellen sie auch tatsächlich keine praktikable Alternative dar. Gerade leitende Positionen werden in Zukunft wieder mit einer intensiven Reisetätigkeit verbunden sein. Viele Länder haben aber bereits angedeutet, eine Einreise künftig nur geimpften Personen zu erlauben. Auch Fluggesellschaften werden beim Boarding einen Impfnachweis verlangen. Ungeimpfte Mitarbeiter werden demnach nicht mehr reisen und somit ihrer Arbeit in wesentlichen Teilen nicht mehr nachkommen können.
Sollte sich bewahrheiten, dass eine Impfung auch die Weitergabe des Virus verhindert, werden auch die Schutzmasken zunehmend aus dem Blickfeld verschwinden. Ein unverhülltes Gesicht, aus dem sich die Mimik des Gegenübers ablesen lässt, wird dann wieder die Basis jeglicher Begegnung im Arbeitsverhältnis darstellen – und das Tragen von Masken daher eine erfolgreiche Arbeitsverrichtung beeinträchtigen. Diese Position hat der Oberste Gerichtshof zumindest im Zusammenhang mit dem Tragen eines Gesichtsschleiers im Jahr 2016 vertreten. Die Bedeckung des Gesichts beeinträchtige demnach die Kommunikation und Interaktion mit dem Arbeitgeber, den Mitarbeitern und den Kunden. Dieser Grundsatz lässt sich wohl auch auf das Tragen von Gesichtsmasken übertragen, vor allem, da damit auch eine ungewollte Stigmatisierung – Impfstatus: „ungeimpft“– einhergehen wird.
Das bedeutet: Auch wenn ein Unternehmen niemanden zwingen kann, sich impfen zu lassen, wird der Impfstatus im Arbeitsverhältnis zur Gretchenfrage werden. Denn kann der Arbeitgeber die Kosten für alternative Schutzmaßnahmen nicht mehr tragen bzw. möchte er die Gelder anders investieren, steht es ihm natürlich frei, den impfverweigernden Mitarbeitern zu kündigen. Dies gilt umso mehr für Dienstnehmer, die ohne Impfung an keinem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden können. In Einzelfällen kann die Impfverweigerung sogar einer Dienstunfähigkeit gleichkommen – dann ist auch eine Entlassung möglich.
Theoretisch wäre natürlich denkbar, dass der Gesetzgeber die Beendigungsmöglichkeiten einschränkt, ähnlich wie bereits bei der unterbundenen Freistellung von Risikogruppenangehörigen. Realistisch erscheint das aber nur für Mitarbeiter, die sich aus medizinischen Gründen nachweislich nicht impfen lassen können. Impfverweigerung generell durch eine De-facto-Unkündbarkeit zu belohnen dürfte nicht im Interesse dieser Regierung liegen.
Wahrheitsgemäß antworten
Als Mitarbeiter den Arbeitgeber bezüglich des Impfstatus im Unklaren zu lassen ist jedenfalls auch keine Option. Diesbezügliche Befragungen seitens des Arbeitgebers sind grundsätzlich zulässig, weil regelmäßig ein berechtigtes objektives Interesse besteht. Zulässige Fragen müssen Mitarbeiter wahrheitsgemäß beantworten – eine Falschbeantwortung kann sogar eine Vertrauensunwürdigkeit bedeuten, die den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt. Dasselbe gilt natürlich auch sinngemäß für Stellenbewerber. Unklar ist allerdings, ob das Abfragen des Impfstatus eine Betriebsvereinbarung erfordert. Dies hängt ganz davon ab, ob man den Impfstatus angesichts der Pandemie zu den allgemeinen Angaben zur Person bzw. fachlichen Voraussetzungen zählen möchte. Denn nur Fragen zu solchen Themen sind mitbestimmungsfrei.
Letztlich werden also Mitarbeiter sehr sorgfältig abwägen müssen, ob sie die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer fehlenden Impfung zu tragen bereit sind.
Mag. Andrea Polzer, LL.M., und Mag. Victoria Fink sind Rechtsanwältinnen bei der internationalen Kanzlei Baker McKenzie.