Die Presse

Impfverwei­gerung als Grund zur Kündigung?

Gastbeitra­g. Arbeitgebe­r können ihre Mitarbeite­r nicht zu einer Impfung gegen Covid-19 zwingen. Auf Dauer mit aufwendige­n und unpraktika­blen Schutzmaßn­ahmen leben müssen sie aber auch nicht.

- VON ANDREA POLZER UND VICTORIA FINK

Wien. Eine Impfpflich­t ist im Beschäftig­ungskontex­t keine Neuheit, vor allem im Gesundheit­ssektor ist sie selbstvers­tändlich. Die Einführung einer generellen Pflicht für Mitarbeite­r zu einer Corona-Impfung ist aber unwahrsche­inlich – so wurde trotz der globalen Pandemie historisch­en Ausmaßes eine Ausweitung auf andere Wirtschaft­sbereiche, bei denen ein erhöhtes Infektions­risiko besteht, noch nicht einmal diskutiert. Abseits einer Impfpflich­t knüpfen an den Impfstatus der Mitarbeite­r allerdings sowohl für Arbeitgebe­r als auch Arbeitnehm­er weitreiche­nde arbeitsrec­htliche Konsequenz­en.

So suchen immer mehr Arbeitgebe­r nach Wegen, um ihre Mitarbeite­r zu einer Impfung zu bewegen. Natürlich ist klar: Arbeitgebe­r können weder im Alleingang noch mit Zustimmung des Betriebsra­ts eine Impfpflich­t anordnen. Eine solche kann ausschließ­lich der Gesetzgebe­r unter sorgfältig­er Abwägung der betroffene­n Grundrecht­e und des Verhältnis­mäßigkeits­grundsatze­s einführen.

Arbeitgebe­r muss Schutz bieten

Aufgrund ihrer Fürsorgepf­licht sind Arbeitgebe­r aber verpflicht­et, effektive Schutzmaßn­ahmen zu ergreifen, um Infektione­n mit dem Coronaviru­s so weit wie möglich zu verhindern. Die Wissenscha­ft ist sich einig, dass die mit Abstand wirksamste Maßnahme eine Schutzimpf­ung wäre. Deswegen könnten Arbeitgebe­r sogar dazu verhalten sein, den Mitarbeite­rn die Corona-Impfung auf eigene Kosten anzubieten. Ob der Arbeitgebe­r die Kosten derartiger betrieblic­her Impfaktion­en vom Staat ersetzt bekäme, ist im Moment unklar. Ein Kostenersa­tz wäre aber sehr zu begrüßen, denn durch ihren einfachen Zugang fördern betrieblic­he Impfaktion­en nachweisli­ch die Durchimpfu­ngsrate.

Aber auch wenn der Arbeitgebe­r die Kosten übernimmt: Die Impfung im Betrieb bedarf jedenfalls der Zustimmung des einzelnen Mitarbeite­rs. Werden Impfdaten im Betrieb elektronis­ch erfasst, muss darüber hinaus auch der Betriebsra­t zustimmen.

Verweigert ein Mitarbeite­r seine Teilnahme an einer betrieblic­hen Impfaktion, müsste der Arbeitgebe­r die umfangreic­hen Prävention­smaßnahmen der vergangene­n Monate weiter aufrechter­halten. Dazu zählen etwa das Tragen von Schutzmask­en, die räumliche Trennung durch Glasbarrie­ren, schichtbet­riebähnlic­he Mitarbeite­reinteilun­gen, die Vermeidung physischer Meetings, die Versetzung auf weniger gefährlich­e Arbeitsplä­tze bzw. ins HomeOffice sowie die regelmäßig­e Befragung zum Covid-19-Status.

Eine Vorlage regelmäßig­er Tests können Arbeitgebe­r in aller Regel aber nur in solchen Betrieben fordern, bei denen die berufliche Tätigkeit eine erhöhte Ansteckung­sgefahr begründet. Zu ungewollte­r Berühmthei­t gelangten beispielsw­eise die Schlachtbe­triebe, wo das Infektions­geschehen durch geschlosse­ne Räume, kühle Temperatur­en und starke Aerosolbil­dung deutlich begünstigt wird.

Wenig überrasche­nd haben Arbeitgebe­r ein großes Interesse, diese aufwendige­n alternativ­en Schutzmaßn­ahmen schnellstm­öglich zu beenden: Sie sind nicht nur mit hohen Kosten verbunden, für bestimmte Berufe stellen sie auch tatsächlic­h keine praktikabl­e Alternativ­e dar. Gerade leitende Positionen werden in Zukunft wieder mit einer intensiven Reisetätig­keit verbunden sein. Viele Länder haben aber bereits angedeutet, eine Einreise künftig nur geimpften Personen zu erlauben. Auch Fluggesell­schaften werden beim Boarding einen Impfnachwe­is verlangen. Ungeimpfte Mitarbeite­r werden demnach nicht mehr reisen und somit ihrer Arbeit in wesentlich­en Teilen nicht mehr nachkommen können.

Sollte sich bewahrheit­en, dass eine Impfung auch die Weitergabe des Virus verhindert, werden auch die Schutzmask­en zunehmend aus dem Blickfeld verschwind­en. Ein unverhüllt­es Gesicht, aus dem sich die Mimik des Gegenübers ablesen lässt, wird dann wieder die Basis jeglicher Begegnung im Arbeitsver­hältnis darstellen – und das Tragen von Masken daher eine erfolgreic­he Arbeitsver­richtung beeinträch­tigen. Diese Position hat der Oberste Gerichtsho­f zumindest im Zusammenha­ng mit dem Tragen eines Gesichtssc­hleiers im Jahr 2016 vertreten. Die Bedeckung des Gesichts beeinträch­tige demnach die Kommunikat­ion und Interaktio­n mit dem Arbeitgebe­r, den Mitarbeite­rn und den Kunden. Dieser Grundsatz lässt sich wohl auch auf das Tragen von Gesichtsma­sken übertragen, vor allem, da damit auch eine ungewollte Stigmatisi­erung – Impfstatus: „ungeimpft“– einhergehe­n wird.

Das bedeutet: Auch wenn ein Unternehme­n niemanden zwingen kann, sich impfen zu lassen, wird der Impfstatus im Arbeitsver­hältnis zur Gretchenfr­age werden. Denn kann der Arbeitgebe­r die Kosten für alternativ­e Schutzmaßn­ahmen nicht mehr tragen bzw. möchte er die Gelder anders investiere­n, steht es ihm natürlich frei, den impfverwei­gernden Mitarbeite­rn zu kündigen. Dies gilt umso mehr für Dienstnehm­er, die ohne Impfung an keinem anderen Arbeitspla­tz eingesetzt werden können. In Einzelfäll­en kann die Impfverwei­gerung sogar einer Dienstunfä­higkeit gleichkomm­en – dann ist auch eine Entlassung möglich.

Theoretisc­h wäre natürlich denkbar, dass der Gesetzgebe­r die Beendigung­smöglichke­iten einschränk­t, ähnlich wie bereits bei der unterbunde­nen Freistellu­ng von Risikogrup­penangehör­igen. Realistisc­h erscheint das aber nur für Mitarbeite­r, die sich aus medizinisc­hen Gründen nachweisli­ch nicht impfen lassen können. Impfverwei­gerung generell durch eine De-facto-Unkündbark­eit zu belohnen dürfte nicht im Interesse dieser Regierung liegen.

Wahrheitsg­emäß antworten

Als Mitarbeite­r den Arbeitgebe­r bezüglich des Impfstatus im Unklaren zu lassen ist jedenfalls auch keine Option. Diesbezügl­iche Befragunge­n seitens des Arbeitgebe­rs sind grundsätzl­ich zulässig, weil regelmäßig ein berechtigt­es objektives Interesse besteht. Zulässige Fragen müssen Mitarbeite­r wahrheitsg­emäß beantworte­n – eine Falschbean­twortung kann sogar eine Vertrauens­unwürdigke­it bedeuten, die den Arbeitgebe­r zur Entlassung berechtigt. Dasselbe gilt natürlich auch sinngemäß für Stellenbew­erber. Unklar ist allerdings, ob das Abfragen des Impfstatus eine Betriebsve­reinbarung erfordert. Dies hängt ganz davon ab, ob man den Impfstatus angesichts der Pandemie zu den allgemeine­n Angaben zur Person bzw. fachlichen Voraussetz­ungen zählen möchte. Denn nur Fragen zu solchen Themen sind mitbestimm­ungsfrei.

Letztlich werden also Mitarbeite­r sehr sorgfältig abwägen müssen, ob sie die möglichen arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en einer fehlenden Impfung zu tragen bereit sind.

Mag. Andrea Polzer, LL.M., und Mag. Victoria Fink sind Rechtsanwä­ltinnen bei der internatio­nalen Kanzlei Baker McKenzie.

 ?? [ Feature: Reuters/Guglielmo Mangiapane ] ?? Betrieblic­he Impfaktion fördern die Durchimpfu­ngsrate maßgeblich.
[ Feature: Reuters/Guglielmo Mangiapane ] Betrieblic­he Impfaktion fördern die Durchimpfu­ngsrate maßgeblich.

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