Streupflicht gegen Glatteis kann auch für die Nacht bestehen
Sturzgefahr. Wenn vorhersehbar sei, dass es zu später Stunde noch rutschig wird, müsse man präventiv handeln, sagt der Oberste Gerichtshof.
Wien. Als Hauseigentümer hat man auch Pflichten für Leute, die rund um das Gebäude unterwegs sind. Das wird gerade im Winter, wenn es durch Glatteis rutschig wird, zum Thema. Doch eine Streupflicht besteht eigentlich nur von 22 bis sechs Uhr. Ausnahmsweise aber müsse man auch schon streuen, wenn erst zu nächtlicher Stunde Glatteis erwartet wird, sagt nun der Oberste Gerichtshof (OGH). Aber wann ist dies der Fall?
Diese Frage galt es nach dem Sturz eines Mannes zu klären. Das Unglück war in der Nacht zum ersten Dezembertag des Jahres 2017 geschehen. Der Wiener befand sich um ein Uhr Früh auf dem Heimweg zu seiner Wohnung. Er betrat gerade die Wohnanlage, in der er Mieter war, als er auf eine Eisplatte trat. Der Mann rutschte aus und verletzte sich im Gesicht. Die Folge war eine Klage gegen die Eigentümer seiner Wohnhausanlage.
Mit dem Winterdienst war eine eigene Firma betraut worden. Sie schloss sich dem Verfahren als Nebenintervenientin an, da ihr bei etwaigen Fehlern selbst Zahlungen drohten. Tatsächlich wurden die Gehwege nämlich nur zwischen 22 und sechs Uhr kontrolliert. Und an diesem Punkt knüpfte der Verletzte an. Es sei vorhersehbar gewesen, dass es in dieser Nacht zur Bildung von Eis auf dem Weg kommen werde. Die Verantwortlichen hätten daher die Fläche vorab streuen müssen. So aber sei die Verkehrssicherungspflicht verletzt worden, weswegen er ein Recht auf Schadenersatz habe.
Erste Instanz sah keine Pflicht
Die Gegenseite wandte ein, dass es keine Pflicht gegeben habe, vorsorglich zu streuen. Und nach der Wiener Winterdienst-Verordnung dürfe man noch nicht einmal präventiv Auftaumittel einsetzen. Tatsächlich wies das Bezirksgericht Floridsdorf die Klage des Verletzten ab.
Die Winterdienst-Verordnung könne kein Argument sein, befand aber das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen. Sie sei nur auf öffentliche, nicht aber wie hier auf private Flächen anwendbar. Dass man nur zwischen sechs und 22 Uhr streuen müsse, sei hingegen richtig. Aber wenn wegen der Wetterverhältnisse in der Nacht Glatteis zu erwarten sei, habe man trotzdem soweit wie möglich vorbeugend darauf zu reagieren, meinte das Landesgericht. Um die Frage zu klären, ob man vom Vermieter wirklich eine präventive Streuung verlangen kann, dürfe man den Fall aber noch den Höchstrichtern vorlegen.
„Der Hauseigentümer muss alle Vorkehrungen treffen, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden können. Dies gilt sowohl für die Häufigkeit des Streuens als auch die Anwendung verschiedener Streumittel“, erklärte nun der OGH.
Allerdings habe man als Höchstgericht auch bereits ausgesprochen, dass es „regelmäßig unzumutbar“sei, für eine Streuung rund um die Uhr zu sorgen. „Das schließt es aber nicht aus, dass bei konkreter Vorhersehbarkeit einer außergewöhnlichen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Glatteis führenden Wetterlage eine vorsorgliche Streupflicht für viel begangene Wege in einer Wohnanlage bestehen kann.“
Auf Wetterwarnung achten
Außergewöhnlich bedeute aber, dass schon mehr erwartet werden müsse als bloße Nebelbildung und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dass Glatteis vorhersehbar sei, könnte sich aber insbesondere aus entsprechenden Wetterwarnungen ergeben, meinte der OGH (2 Ob 116/20b).
Um zu klären, inwieweit man als Hauseigentümer in der Unfallsnacht hätte gewarnt sein müssen, geht der Fall daher nun wieder an die erste Instanz zurück. Sie hatte es nämlich unterlassen, ein meteorologisches Gutachten einzuholen, weil sie sich der Abweisung der Klage zu sicher war. Der Verunfallte hat nun aber sehr wohl die Chance auf Schadenersatz.