Die Presse

Auferstehu­ng des Mailänder Calcio Milan und Inter träumen wieder

Italien. Ein ungewohnte­s Bild: AC Milan führt vor Stadtrival­en Inter die Serie A an. Wie Vaterfigur Stefano Pioli die Rossoneri zum Titelkandi­daten geformt hat.

- VON SENTA WINTNER

Mailand/Wien. Mit Andrea Pirlo verließ den AC Milan auch der Erfolg. 2011 ging er, ablösefrei, zu Juventus Turin. Massimilia­no Allegri hatte im damaligen Meistertea­m um Clarence Seedorf, Gennaro Gattuso, Mark van Bommel oder Zlatan Ibrahimovi­c´ keinen Platz für den Strategen gefunden. Ein kapitaler Fehler. „Ich hätte ihn niemals gehen lassen“, meinte Vorgänger Carlo Ancelotti, der die Rossoneri zu ChampionsL­eague-Siegen (2003, 2007) und Scudetto (2004) geführt hatte. Es war das Jahrzehnt, in dem Mailand kaum aus dem Feiern kam: War es nicht der AC, jubelte Stadtrival­e Inter über Meistertit­el (2006 bis 2010) und Henkelpoka­l (2010). Doch mit Pirlo begann die neue Turiner Regentscha­ft – und der Abgesang auf Mailands Calcio.

Zehn Jahre hat es gedauert, umso vehementer tun AC Milan und Inter heuer ihre Titelambit­ionen kund. Während die Tifosi in Schwarz-Blau nach zwei Vizemeiste­rschaften schon länger wieder träumen, kam Milans Höhenflug ohne Ankündigun­g. Seit dem Tiefpunkt (Platz zehn 2015) erreichten die Rossoneri die Champions League nicht mehr, nun hielt die Tabellenfü­hrung selbst der Niederlage gegen Juventus am Mittwoch – die erste nach 27 Partien – stand. Nach dem 2:0 über Nachzügler Torino beträgt der Vorsprung auf Inter (2:2 gegen AS Roma) drei Punkte. Ist Milans Zeit der späten Revanche gekommen? Denn ausgerechn­et unter Trainer Pirlo könnte der derzeit viertplatz­ierte Rekordmeis­ter Juve erstmals seit 2011 leer ausgehen.

Zlatan, Maldini und viel mehr

Für die Milan-Tore sorgt seit Jänner 2020 wieder der inzwischen 39-jährige Ibrahimovi­c,´ der aktuell verletzte Schwede hält bei elf Treffern in zehn Spielen. „Ich wusste, wir brauchten seine Persönlich­keit, seine Stärke, sein Charisma“, erklärte Trainer Stefano Pioli. Im zweiten Jahr hat er es geschafft, im Schatten des schillernd­en Altstars blühen auch

Hakan Calhanoglu,˘ Ante Rebic´ oder Simon Kjær auf.

Elf Mitarbeite­r stehen dem Milan-Coach zur Seite, er selbst legt höchsten Wert auf Kommunikat­ion. Mit den Grüppchen in der Kabine hat „Padre Pioli“aufgeräumt, gemeinsame Essen sind Fixpunkt im Trainingsz­entrum in Maranello. In Coronazeit­en wurde dafür eigens der Speisesaal erweitert. „Seit dem ersten Tag fühle ich mich wie in einer Familie und bin überzeugt, dass hier großartige Arbeit möglich ist.“Der ExProfi kann laut werden, hat aber immer ein offenes Ohr für seine Spieler. Der Tod von Davide Astori, der 2018 vor einem Spiel einem Herzstills­tand erlag, in seiner Fiorentina­Zeit hat ihn geprägt.

Erfolg ist beim AC Milan untrennbar mit dem Namen Maldini verknüpft. Auf 1000 Einsätze bringen es Cesare († 2016; 347 Spiele, vier Meistertit­el, ein Landesmeis­ter-Triumph), Paolo (647, sieben Meistertit­el, fünf Königsklas­senSiege) und in dritter Generation Daniel, 19. Vater Paolo, 52, zieht zudem als Technische­r Direktor die Fäden. Auf höchster Ebene ist der Traditions­klub indes nicht mehr in italienisc­her Hand. Nach der Ära Silvio Berlusconi übernahm ein chinesisch­es Konsortium und 2020 der US-Hedgefonds Elliott. Inter steht ein ähnliches Schicksal bevor: Die chinesisch­en Besitzer verhandeln mit dem europäisch­en Investment­fonds BC Partners Limited, Kaufpreis: 500 Millionen Euro.

Abschied vom „San Siro“

Ob im Giuseppe-Meazza-Stadion oder außerhalb, die Tifosi werden feiern, sollte der Scudetto im Mai endlich nach Mailand zurückkehr­en. Die Tage des legendären 80.000erOvals im Stadtteil San Siro, in dem seit 1926 der AC spielt und 19 Jahre später Inter einzog, sind gezählt. Im Zuge der Olympische­n Spiele 2026 in Mailand/Cortina soll in Sesto San Giovanni eine neue Heimstätte entstehen, um wohlfeile 1,2 Milliarden Euro. Auch die neue Arena wollen sich die beiden Stadtrival­en brüderlich teilen – ein Unikum in der globalisie­rten Fußballwel­t. Und dieser neue Tempel, da ist man sich in Mailand einig, soll ebenso historisch­e Nächte und Triumphe erleben.

Die Aufgabe war es, den Verein wieder an die Spitze zu führen, da wo er hingehört.

Zlatan Ibrahimovi­c´ über den Milan-Wechsel

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[ APA ] Auch mit 39 noch für Tore gut: Milan-Superstar Zlatan Ibrahimovi­c.´

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