Sturm aufs Kapitol: Eine Erleichterung
Gastkommentar. Das Ende ist genauso erbärmlich wie Donald Trumps gesamte Präsidentschaft. Aber es ist das Ende.
Im vergangenen Sommer haben sich viele in den USA besorgt gefragt: Wenn Donald Trump die Wahl verliert, wird er das Ergebnis anerkennen? Wird er das Weiße Haus räumen? Was kommt auf uns zu? Jetzt wissen wir es. Es kam schlimmer als viele befürchtet hatten, es gab Tote und Schwerverletzte im Kapitol. Das ist die eine Seite, die Tragödie. Dass Trump daran die Hauptschuld trägt, steht außer Zweifel, weil er vier lange Jahre nicht aufgehört hat, Menschen zu verhetzen, weil er diesen gewalttätigen Mob geschaffen hat.
Die andere Seite: eine riesige Erleichterung. Endlich ist es möglich geworden, hinter diese Ära des Donald Trump einen Schlusspunkt zu setzen. Dieses Ende im Kapitol passt genau dazu. Es ist so erbärmlich wie die ganze Präsidentschaft war. Es ist verrückt und es fordert Opfer.
Aber: Es ist das Ende! Angesichts der mehr als 70 Millionen, die Trump gewählt hatten, von denen viele bis heute glauben, die Wahl sei ihrem Hero gestohlen worden, angesichts dessen war die Befürchtung berechtigt gewesen: Das hört nie auf! Und die Republikanische Partei hat in den vergangenen Wochen auch nichts dazu beigetragen, diese Befürchtung zu widerlegen. Sie hat Trump nicht widersprochen, als dieser nicht aufgehört hat zu jammern, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Die Funktionäre bis an die Spitze der Partei haben sich feige geduckt, weil sie unsicher waren, ob und in welchem Ausmaß Trump weiterhin ein Machtfaktor in ihrer Partei bleiben wird und Karrieren befördern oder ruinieren kann. Aus und vorbei! Hoffentlich!
Denn sicher ist das keineswegs. Trump mag heute ein lächerlicher Loser sein, aber es gibt trotzdem diesen harten Kern fanatischer Anhänger und den wird es auch weiter geben. Und diese Menschen verlassen eher ihre Partei als ihren Trump. Logisch ergeben sich daraus zwei Optionen: Entweder die Partei spaltet sich, kann neu durchstarten und sich bemühen, ihr zerstörtes Ansehen wieder herzustellen, ist dann aber kleiner und der Demokratischen Partei gegenüber zur Zeit chancenlos. Oder: Die Partei schleppt diesen Trump-Flügel weiter mit sich und bleibt angstvoll – denn bei Trump weiß man ja bekanntlich nie – so wie sie ist, halb Partei, halb Sekte, auf Trump fixiert. Ob sie in diesem Zustand Wahlen gewinnt, ist allerdings fraglich.
Eine Chance
War das skurrile Schauspiel, das eine entfesselte Menge im Kapitol den Menschen weltweit auf ihren Bildschirmen geboten hat, ein trauriger Tag für die US-Demokratie, wie es jetzt heißt? Schon, aber gleichzeitig liegt darin auch die Chance, sich abschließend noch einmal klarzumachen, was die Präsidentschaft von Donald Trump für das Land bedeutet hat: Lügen vom ersten Tag an, als es um die Zuschauerzahl bei seiner Inauguration gegangen ist. Um sein fortgesetztes Lügen zu verschleiern, verwendete er den Begriff Fake News, den Rechtsradikale weltweit übernommen haben. Er hat die Gewaltenteilung nicht akzeptiert, ebenso wenig die Unabhängigkeit des FBI, er hat die freie Presse und das demokratische Wahlsystem verleumdet und am allerschlimmsten: Er hat im Interesse seiner mächtigen Klientel den Klimawandel geleugnet und alles getan, um den Kampf dagegen zu behindern.
Um seine finanziellen Verhältnisse mögen sich, nachdem er nicht mehr Präsident ist, die Steuerbehörden kümmern. Und dabei die interessante Rolle der Deutschen Bank beachten!
So gesehen kann sich das Land für den von ihm angezettelten Sturm auf das Kapitol bei Trump bedanken. Er öffnet die Augen.
Dr. Peter Huemer (*1941 in Linz) ist Journalist und Historiker. Er leitete bis 1987 die Talkshow „Club2“und war Moderator der Ö1-Sendung „Im Gespräch“.