Die Presse

Sturm aufs Kapitol: Eine Erleichter­ung

Gastkommen­tar. Das Ende ist genauso erbärmlich wie Donald Trumps gesamte Präsidents­chaft. Aber es ist das Ende.

- VON PETER HUEMER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Im vergangene­n Sommer haben sich viele in den USA besorgt gefragt: Wenn Donald Trump die Wahl verliert, wird er das Ergebnis anerkennen? Wird er das Weiße Haus räumen? Was kommt auf uns zu? Jetzt wissen wir es. Es kam schlimmer als viele befürchtet hatten, es gab Tote und Schwerverl­etzte im Kapitol. Das ist die eine Seite, die Tragödie. Dass Trump daran die Hauptschul­d trägt, steht außer Zweifel, weil er vier lange Jahre nicht aufgehört hat, Menschen zu verhetzen, weil er diesen gewalttäti­gen Mob geschaffen hat.

Die andere Seite: eine riesige Erleichter­ung. Endlich ist es möglich geworden, hinter diese Ära des Donald Trump einen Schlusspun­kt zu setzen. Dieses Ende im Kapitol passt genau dazu. Es ist so erbärmlich wie die ganze Präsidents­chaft war. Es ist verrückt und es fordert Opfer.

Aber: Es ist das Ende! Angesichts der mehr als 70 Millionen, die Trump gewählt hatten, von denen viele bis heute glauben, die Wahl sei ihrem Hero gestohlen worden, angesichts dessen war die Befürchtun­g berechtigt gewesen: Das hört nie auf! Und die Republikan­ische Partei hat in den vergangene­n Wochen auch nichts dazu beigetrage­n, diese Befürchtun­g zu widerlegen. Sie hat Trump nicht widersproc­hen, als dieser nicht aufgehört hat zu jammern, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Die Funktionär­e bis an die Spitze der Partei haben sich feige geduckt, weil sie unsicher waren, ob und in welchem Ausmaß Trump weiterhin ein Machtfakto­r in ihrer Partei bleiben wird und Karrieren befördern oder ruinieren kann. Aus und vorbei! Hoffentlic­h!

Denn sicher ist das keineswegs. Trump mag heute ein lächerlich­er Loser sein, aber es gibt trotzdem diesen harten Kern fanatische­r Anhänger und den wird es auch weiter geben. Und diese Menschen verlassen eher ihre Partei als ihren Trump. Logisch ergeben sich daraus zwei Optionen: Entweder die Partei spaltet sich, kann neu durchstart­en und sich bemühen, ihr zerstörtes Ansehen wieder herzustell­en, ist dann aber kleiner und der Demokratis­chen Partei gegenüber zur Zeit chancenlos. Oder: Die Partei schleppt diesen Trump-Flügel weiter mit sich und bleibt angstvoll – denn bei Trump weiß man ja bekanntlic­h nie – so wie sie ist, halb Partei, halb Sekte, auf Trump fixiert. Ob sie in diesem Zustand Wahlen gewinnt, ist allerdings fraglich.

Eine Chance

War das skurrile Schauspiel, das eine entfesselt­e Menge im Kapitol den Menschen weltweit auf ihren Bildschirm­en geboten hat, ein trauriger Tag für die US-Demokratie, wie es jetzt heißt? Schon, aber gleichzeit­ig liegt darin auch die Chance, sich abschließe­nd noch einmal klarzumach­en, was die Präsidents­chaft von Donald Trump für das Land bedeutet hat: Lügen vom ersten Tag an, als es um die Zuschauerz­ahl bei seiner Inaugurati­on gegangen ist. Um sein fortgesetz­tes Lügen zu verschleie­rn, verwendete er den Begriff Fake News, den Rechtsradi­kale weltweit übernommen haben. Er hat die Gewaltente­ilung nicht akzeptiert, ebenso wenig die Unabhängig­keit des FBI, er hat die freie Presse und das demokratis­che Wahlsystem verleumdet und am allerschli­mmsten: Er hat im Interesse seiner mächtigen Klientel den Klimawande­l geleugnet und alles getan, um den Kampf dagegen zu behindern.

Um seine finanziell­en Verhältnis­se mögen sich, nachdem er nicht mehr Präsident ist, die Steuerbehö­rden kümmern. Und dabei die interessan­te Rolle der Deutschen Bank beachten!

So gesehen kann sich das Land für den von ihm angezettel­ten Sturm auf das Kapitol bei Trump bedanken. Er öffnet die Augen.

Dr. Peter Huemer (*1941 in Linz) ist Journalist und Historiker. Er leitete bis 1987 die Talkshow „Club2“und war Moderator der Ö1-Sendung „Im Gespräch“.

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