Die Mobilitätswende ist keine Illusion!
„Warum die Mobilitätswende Illusion bleibt“, „Bilanz“von Josef Urschitz, 4. 12.
Die Schienengüterverkehrsunternehmen sind mit den Transporteuren auf der Straße in intensivem Wettbewerb – mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen. Die Eisenbahn war wesentlicher Teil des militärischen Systems. Jeder Nationalstaat hat daher technische und organisatorische Hürden eingebaut, um zu verhindern, dass ein Zug mit militärischem Gerät einfach in oder durch das Land fahren kann. Stellen Sie sich vor, Sie müssten (umgelegt auf den Lkw-Transport) auf Ihrer Strecke von der Türkei nach Deutschland an jedem Grenzübergang den Fahrer und die Lkw-Zugmaschine austauschen! Eigentlich nicht vorstellbar, oder? Aber so ist es derzeit für den Schienengüterverkehr. Wie flexibel wäre der von Ihnen gepriesene Lkw-Verkehr unter solchen Rahmenbedingungen?
Um die europäischen Klimaschutzziele erreichen zu können, müssen dringend mehr Gütertransporte auf die Bahn verlagert werden. Jede Tonne Fracht auf der Straße anstatt auf der Schiene verursacht rund 44-mal mehr CO2! Neben technischen Hürden ist der unfaire Wettbewerb zwischen Straße und Schiene der entscheidende Knackpunkt: Es gibt keine Kostenwahrheit für die Straße! Beginnend mit dem Dieselprivileg, der Bemautung von nur hochrangigen Straßen, den niedrigen Sozialstandards für internationale Lkw-Lenker bis zu den externen Kosten des Lkw. Wundert es angesichts dessen wirklich, dass die Schiene Marktanteile verliert? Es braucht klare EU-weite und
faire verkehrspolitische Rahmenbedingungen! Natürlich müssen auch wir unsere Hausaufgaben machen. Die ÖBB Rail Cargo Group baut ihr Netzwerk zwischen den europäischen Wirtschaftszentren und zu den Häfen aus und investiert trotz Covid-19 ungebremst in die Digitalisierung. In den 2020er-Jahren gilt es neben Covid vor allem, die globale Klimakrise einzudämmen. Das wird zu einer Renaissance des Schienengüterverkehrs führen – und die Mobilitätswende vorantreiben. Davon bin ich überzeugt.
Clemens Först,
Vorstandssprecher ÖBB Rail Cargo Group