Die Presse

Die türkise KurzzeitMi­nisterin

Porträt. Nach nur 344 Tagen im Amt tritt die Ministerin für Arbeit, Jugend und Familie zurück. Was hat sie hinterlass­en?

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. Das Spiel mit den Worten war nicht ihre Stärke – nicht mündlich und offensicht­lich auch nicht schriftlic­h. Am Samstag trat die Arbeitsmin­isterin wegen Plagiatsvo­rwürfen zu ihrer Dissertati­on zurück. In Person sei sie freundlich, wertschätz­end und aufmerksam, heißt es. Qualitäten, die sie in den Medien nie transporti­eren konnte. Das mag vielleicht unfair sein, aber für eine Politikeri­n in der heutigen Zeit ist das ein Problem. So lag sie in Politiker-Rankings meist auf den hinteren Plätzen – trotz der Relevanz ihres Ressorts. Die 37-jährige Steirerin geht auf dem Höhepunkt einer Arbeitsmar­ktkrise. Österreich hat so viele Langzeitar­beitslose wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. 520.919 Menschen haben keinen Job und 417.113 befinden sich in Kurzarbeit. Das ist natürlich nicht ihre Schuld. Corona hatte kurz nach ihrem Amtsantrit­t am 29. Jänner 2020 alle überrascht. Sie aber hat die Pandemie überforder­t.

Nein, wie eine Krisenmana­gerin wirkte sie nicht. „Sie hat stets ihr Bestes gegeben“, bedankte sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Sonntag, bevor er ihren Nachfolger Martin Kocher vorstellte. Was das genau war, darauf geht auch er nicht weiter ein. Die dreifache Mutter verlas zwar regelmäßig die Arbeitslos­enzahlen, aber eine politische Agenda oder gar eine Vision ließ sich daraus nicht erkennen. Sie wolle die Vereinbark­eit von Familie und Beruf verbessern, aber gleichzeit­ig den Familien eine Wahlfreihe­it lassen. Konkret wurde sie selten. Auf Nachfragen in Radio- oder Fernsehint­erviews reagierte sie meist unsicher mit Phrasen, die oft auswendig gelernt wirkten. So warf man der Unternehme­nsberateri­n, die ihre Agentur Aschbacher Advisory für den Ministerpo­sten stillgeleg­t hatte, vor, ungenügend Expertise zu haben.

Kurz und sein Büroleiter Bernhard Bonelli kennen sie seit ihren Jugendtage­n in der Schüleruni­on. Ursprüngli­ch hatte er sie laut ÖVP-Kreisen als Ersatz für den Wissenscha­ftsministe­r in petto, wenn Heinz Faßmann den Hut genommen hätte. Dass Aschbacher überhaupt Ministerin wurde, war ÖVP-internen Querelen geschuldet. Ihr Ministerpo­sten war ursprüngli­ch gar nicht vorgesehen. Nachdem die Nationalra­tswahl im Herbst 2019 geschlagen war, bildete Kurz seine Regierung mit 13 Ministern und zwei Staatssekr­etären. Die Regierungs­riege war damit gleich groß wie unter Türkis-Blau. Die ÖVP-Steiermark war ob des Personalvo­rschlags ihres Parteichef­s aber nicht einverstan­den, weil sich kein Steirer in der Ministerri­ege fand – und das obwohl man mit 38,9 Prozent ein äußerst gutes Ergebnis holen konnte. Also erfand Kurz einen weiteren Ministerpo­sten, den die Steirer besetzen sollten. Am besten mit einer Frau, denn die selbst diktierte Quote ließ noch zu wünschen übrig.

Und so wurde Christine Aschbacher, die damals noch keine große Größe in der Partei war, gefunden. Zuvor war sie zwar kurz in den Kabinetten von Finanzmini­sterin Maria Fekter und Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er (beide ÖVP) tätig gewesen, aber politische Erfahrung hatte sie kaum. Politik gehört allerdings in ihrer Familie zum Alltag. Ihr Vater war Bürgermeis­ter in der Heimatgeme­inde Weitendorf, ihre Schwester ist Bürgermeis­terin von Wundschuh. Familie hat für sie höchste Priorität. Familie sei dort, wo Kinder sind, sagte sie einmal. Da sich „Anfeindung­en, die politische Aufgeregth­eit und die Untergriff­e leider nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Kinder mit unerträgli­cher Wucht entladen“, so Aschbacher weiter, lege sie aus Schutz ihrer Familie das Amt zurück.

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[ APA/Punz ] Die Steirerin Christine Aschbacher war kein ganzes Jahr im Amt.

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