Die Achillesferse des Friedrich Merz
Deutschland. Am Samstag wählt die CDU einen neuen Chef. Kandidat Merz kämpft dabei mit seinem Frauenproblem und seine Partei, Nummer eins unter Wählerinnen, vielleicht bald auch.
Berlin. Die mächtigste Partei Europas kürt am Samstag auf einem Digitalparteitag einen neuen Chef. Doch dieser schon elf quälend lange Monate dauernde Wahlkampf elektrisiert bisher weder die Republik noch die CDU, eher ermüdet er Land und Partei. Die CDU-Moderatorin wähnte sich neulich in einer Skat-Runde und nicht in der finalen Diskussion der drei Bewerber um den Chefposten in der Kanzlerpartei. Wer in der Debatte zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen inhaltlichen Dissens suchte, musste mit der Lupe hantieren.
Natürlich, Spannung birgt der Dreikampf allemal, weil es um viel Macht geht und es keinen haushohen Favoriten gibt. Auf den letzten Metern vor dem Digitalparteitag wagen sich daher Merkel-Vertraute aus der Deckung und machen öffentlich Stimmung. Helge Braun zum Beispiel erklärte, der nächste CDU-Chef sollte Regierungserfahrung mitbringen. Laschet führt das Bundesland Nordrhein-Westfalen, Röttgen war vor seiner Zeit als Außenpolitiker schon einmal Bundesumweltminister. Nur Merz, der alte Rivale Merkels, hatte noch nie ein Regierungsamt. Braun ist nicht irgendjemand, sondern zählt als Kanzleramtschef zum engsten Machtzirkel Merkels. Die Spitze der Frauen-Union legte nach. Sie empfiehlt Laschet oder Röttgen als Parteichef. Alle, nur nicht Merz, lautete auch hier die Botschaft, die Annette Widmann-Mauz, Chefin der Frauen-Union und Staatssekretärin im Kanzleramt, noch ausführte. Der neue Chef müsse für „Zusammenhalt“sorgen. Laschet und Röttgen könnten das. Subtext: Merz würde die Partei spalten.
„Wir Frauen für Merz“
Einige CDU-Frauen sprangen Merz zur Seite und der Konservative beeilte sich, selbst darauf hinzuweisen, dass es in den sozialen Netzwerken eine Initiative namens „Wir Frauen für Merz“gibt, über die er sich „besonders“freue. Aber natürlich weiß auch Merz: Seine Schwäche in der Gunst der Wählerinnen und Parteifreundinnen ist seine Achillesferse. Er kann daran nicht nur scheitern. Er ist daran schon gescheitert bei seiner ersten Kandidatur für den CDU-Vorsitz, als er im Dezember 2018 hauchdünn Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen ist.
Merz schneidet in Umfragen bei Frauen jedenfalls vergleichsweise schlecht ab. Kritiker werfen Merz einen 23 Jahre alten
Beschluss vor, als er im Bundestag gegen die Mehrheit und die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe stimmte. Merz, einst Mitglied des mächtigen CDU-Männerbunds, des Andenpakts, gilt ihnen als gestrig. Als Macho. Alte Schule.
Dieses Image kann Merz, dessen Frau als Richterin Karriere gemacht hat, nur schwer abschütteln, und teilweise bedient er es auch, wie eine Episode um flapsige Frauenwitze bei einem Auftritt in Berlin bezeugt. Und dass der wirtschaftsliberale Merz Frauenquoten ablehnt, überrascht zwar nicht, aber es hilft ihm auch nicht.
Für Merz ist das ein doppeltes Problem: Erstens, weil ein Drittel der 1001 Parteitagsdelegierten, die am Samstag den nächsten CDUChef küren, Frauen sind – und zweitens, weil es zu den größten strategischen Herausforderungen zählt, in der Post-Merkel-Ära eine
Abwanderung vieler Wählerinnen zu verhindern. Denn die CDU mag zwar in ihren Strukturen männerdominiert sein – nur rund ein Viertel der Mitglieder sind Frauen – aber bei der Bundestagswahl 2017 hatten deutlich mehr Frauen als Männer für sie gestimmt – 36 zu 30 Prozent. Und das aktuelle Umfragehoch der Union wird gleichfalls mehrheitlich von Frauen getragen.
Grüne Spitzenkandidatin?
Das kann auch eine Chance sein. Für die Grünen. „Im Moment werden die Umfragewerte der Union von der Popularität der Kanzlerin und der Coronakrise bestimmt, aber was ist im September?“, fragte neulich der Grüne Anton Hofreiter. In der Öko-Partei gibt es Überlegungen, nicht Robert Habeck, sondern Co-Chefin Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin aufzustellen. Eine Frau gegen zwei Männer im Kampf um die ersten drei Plätze in der Post-Merkel-Ära.
Die SPD wird Olaf Scholz in die Wahl führen und CDU/CSU vielleicht Laschet, Röttgen oder Merz, vielleicht schalten sich auch CSUChef Markus Söder oder Gesundheitsminister Jens Spahn noch ein. Über die Kanzlerkandidatur wird im Frühjahr entschieden. Sicher scheint: Es wird ein Mann. Denn Frauen treten gar nicht an.
Die Frauen-Union hat eine klare Präferenz für Armin Laschet und Norbert Röttgen.
Annete Widmann-Mauz, Chefin der Frauen-Union, zur CDU-Chefwahl.