Die Presse

Griechenla­nd prescht vor

Covid-19. Die Debatte über einen Impfpass und daran geknüpfte Vorrechte nimmt Fahrt auf.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Vor der nächstwöch­igen Videokonfe­renz der 27 Staats- und Regierungs­chefs der Union plädiert Griechenla­nd dafür, ein EUweit einheitlic­hes Zertifikat für all jene Bürger zu schaffen, die bereits gegen Covid-19 geimpft worden sind. Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis appelliert in einem Brief an die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, Ursula von der Leyen, „schnell ein gemeinsame­s Verständni­s“eines solchen Dokuments und seiner Verwendung­smöglichke­iten zu schaffen, welche von allen Mitgliedst­aaten angenommen werden.

In erster Linie solle dieses Impfzertif­ikat dazu dienen, „die Bewegungsf­reiheit von Personen zu fördern, die gegen Covid-19 geimpft sind“, heißt es in dem Brief, der zuerst der Nachrichte­nseite „Politico“zugespielt worden war. Griechenla­nd hat bereits ein eigenes Zertifikat für diese Zwecke erstellt. Mitsotakis schlägt vor, auf diesem aufbauend ein EU-weites zu vereinbare­n. Griechenla­nd werde zwar, gleicherma­ßen wie die anderen Mitgliedst­aaten, keine allgemeine Impfpflich­t einführen, oder eine Impfung zur Bedingung des Reisens machen. Doch sollten „Personen, die geimpft worden sind, frei reisen können.“Das wäre auch ein Anreiz für die Bürger, sich impfen zu lassen.

Österreich noch ohne Position

Ein Sprecher der Kommission erklärte am Dienstag: „Wir sind nicht in einer Phase, wo wir Ansichten zu diesem Thema äußern können.“Diese und andere Fragen der Impfstrate­gien der Mitgliedst­aaten würden am 21. Jänner bei der Videokonfe­renz der Staatsund Regierungs­chefs erörtert werden. Die österreich­ische Bundesregi­erung habe zu dieser Frage noch keine Position, hieß es dazu aus dem Bundeskanz­leramt gegenüber der „Presse“.

Die Frage, ob die Union einen gemeinsame­n Impfpass schaffen soll, der den Covid-19-Impfstatus der Bürger dokumentie­ren soll, ist politisch, moralisch und logistisch heikel. Politisch, weil es Wasser auf die Mühlen der Coronaleug­ner ist, die fälschlich­erweise behaupten, die Pandemie existiere nicht und sei nur ein Vorwand, die Freiheitsr­echte der Bürger zu beschneide­n.

Moralisch, weil sich daran die Frage knüpft, wie die Diskrimini­erung von unfreiwill­ig nicht Geimpften verhindert werden kann (Schwange und Kinder dürfen mangels ausreichen­der Studiendat­en bisher nicht geimpft werden). Und logistisch, weil Mitgliedst­aaten und Kommission nach mehr als zehn Monaten der Pandemie noch immer daran scheitern, auch nur ein simples digitales Formular zur Registrier­ung von Reisenden zu erstellen. „Unser Ziel ist, dass wir mit dem gemeinsame­n Passagierf­ormular bis zum Jahresende fertig sind“, kündigte von der Leyen am 19. November an. Fast zwei Monate später gibt es das noch immer nicht. Die Kommission konnte auf Anfrage der „Presse“am Dienstag nicht sagen, wann das Formular fertig sein wird.

Streit um Einsicht in Verträge

Am Dienstag erhielten die Abgeordnet­en des Europaparl­aments erstmals Einblick in einen der Verträge, welche die Kommission für die gesamte Union mit einem Impfstoffh­ersteller geschlosse­n hat. Doch die Abgeordnet­en kritisiert­en, dass das nur eine Scheintran­sparenz sei: bloß drei Tage lang sollte der Text von Curevac in Brüssel in einem gesicherte­n Raum lesbar sein, Kopien oder Abschrifte­n seien verboten, zudem kämen die meisten Abgeordnet­en nicht rechtzeiti­g dran, weil sie kraft der nationalen Lockdowns in ihren Heimatländ­ern sind. Laut Bericht des ZDF beugte sich die Kommission dieser Kritik und will nun doch Einblick in alle Verträge gewähren, und länger als drei Tage.

 ?? [ AFP ] ?? Üben für den Ernstfall: Sobald mehr Bürger geimpft sind, wird die Frage nach einem EU-Impfpass schlagend werden.
[ AFP ] Üben für den Ernstfall: Sobald mehr Bürger geimpft sind, wird die Frage nach einem EU-Impfpass schlagend werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria