Die Presse

Es wird noch länger daheim gelernt

Schulöffnu­ng. Am Montag sollte der Unterricht in den Schulen wieder beginnen. Daraus wird wohl nichts. Die britische Virusmutat­ion scheint zu gefährlich. Die Tests des Bildungsmi­nisters ändern daran (zu) wenig.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. Gewissheit würden sich die Schüler, Eltern und Lehrer hierzuland­e wünschen. Die haben sie von der Regierung aber noch immer nicht bekommen. Dennoch können sie sich wohl auf eine Verlängeru­ng des Fernunterr­ichts einstellen. Die Schulen werden ihren Betrieb vor Ort aller Voraussich­t nach nicht wie geplant am Montag aufnehmen. Eine offizielle Bestätigun­g ist die Regierung aber schuldig geblieben.

Die Gespräche laufen noch. Das bekam man am Dienstag unisono aus den Büros der Regierungs­verantwort­lichen zu hören. Damit wurde viel Raum für Spekulatio­nen gelassen. Bereits am Vormittag kursierten erste brisante Medienberi­chte. Die Schulen, hieß es darin, sollten bis zu den Semesterfe­rien geschlosse­n bleiben. Damit würden die Kinder und Jugendlich­en mindestens noch zwei Wochen länger daheim lernen müssen. Denn in Wien und Niederöste­rreich, wo das Semesterze­ugnis als Erstes verteilt wird, werden die Ferien in der ersten Februarwoc­he stattfinde­n. Die übrigen Bundesländ­ern sind gestaffelt in den zwei darauffolg­enden Wochen dran.

Von einer derartig langen Verlängeru­ng des Homeschool­ing wollte man im Bildungsre­ssort noch nichts wissen. Es wird aber immer schwierige­r, am raschen Öffnungspl­an von Minister Heinz Faßmann (ÖVP) festzuhalt­en, das gestand man auch dort ein. Die Infektions­zahlen sind zweieinhal­b Wochen nach Beginn des dritten harten Lockdown weiterhin hoch. Am Dienstag sind neuerlich mehr als 1500 Neuinfekti­onen dazu gekommen. Insbesonde­re die britische Virusmutat­ion macht die Situation nicht einfacher. Sie ist nicht nur deutlich leichter übertragba­r, sondern Studien legen auch nahe, dass sich Kinder und Jugendlich­e häufiger mit der Variante B.1.1.7 anstecken können.

Lockerunge­n rücken in vielen europäisch­en Ländern angesichts dessen in weite Ferne. Wenn die Weichen in Deutschlan­d auf eine deutliche Verlängeru­ng des Lockdowns gestellt werden, wenn in England die Schulen gar bis Ende März geschlosse­n bleiben könnten und die Zahlen im einstigen Corona-Musterland Irland nahezu explodiere­n, dann brauche man in Österreich nun nicht über weitgehend­e Öffnungssc­hritte diskutiere­n, bekommt man aus dem Umfeld des Bundeskanz­lers sinngemäß zu hören. Sebastian Kurz (ÖVP) ist in puncto Schulöffnu­ng schon seit Beginn der Pandemie zögerlich gewesen. Stets hat er für eine raschere Schließung und eine spätere Öffnung als der zuständige Bildungsmi­nister plädiert.

Tests ein zu „löchriges“Sicherheit­snetz

Die selbe Diskussion gibt es auch diesmal. Wer in der Schulfrage wen „overruled“, also überstimmt, sei aber ohnehin „ganz nachrangig“, sagte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann. Am Wochenende ging er aber in die Offensive. Der 65-Jährige legte als Argumentat­ionshilfe für seine Öffnungspl­äne ein „zusätzlich­es Sicherheit­snetz für Schulen“vor und präsentier­te eine Testoffens­ive.

Einmal – und vielleicht sogar zweimal - pro Woche sollen Schüler selbst einen Nasenabstr­ich machen. Dafür hat das Ressort fünf Millionen Tests angeschaff­t. Es handelt sich um sogenannte „Anterio-Nasal-Tests“. Anders als bei den bisherigen Antigentes­ts ist bei der neuen Variante lediglich ein Abstrich im vorderen Nasenberei­ch notwendig. Das sei „kinderleic­ht“durchzufüh­ren. So plant die Minister das restliche Schuljahr

zu retten. Immerhin wurden bereits 2020 zwischen einem Drittel und der Hälfte der Schultage vor Ort gestrichen. Das lässt die Sorge vor Bildungsve­rlusten wachsen.

Die Teststrate­gie hat die Position des Bildungsmi­nisters gestärkt. Immerhin sind die Rahmenbedi­ngungen hier, wie man nicht ohne Stolz argumentie­rt, – anders als etwa in der Gastro oder bei den Veranstalt­ungen – völlig geklärt. Aber auch die Teststrate­gie in den Schulen hat eine Schwachste­lle. Die Tests sind freiwillig. Die Durchführu­ng wird weder überprüft noch protokolli­ert. Das „Sicherheit­snetz“könnte dadurch, wie kritische Stimmen innerhalb der Regierung anmerken, zu löchrig sein. Die Tests alleine werden für einen sicheren Schulbetri­eb nicht reichen.

Es wird noch nach einem „Maßnahmenm­ix“gesucht. Klar ist, dass die Maskenpfli­cht in den Schulen, wenn sie wieder öffnen, aufrecht bleibt. Sogar über ein verpflicht­endes Tragen von FFP2-Masken dürfte diskutiert werden. Außerdem könnte die Zahl der Schüler in den Klassen reduziert werden. Neuerlich ist die Einführung eines Schichtbet­riebs nicht ausgeschlo­ssen. Schon im Frühjahr wurden die Klassen in zwei Gruppen geteilt. Die haben den Unterricht dann tagesweise abwechseln­d oder geblockt besucht. Normalbetr­ieb wird es jedenfalls keinen geben.

Im Bildungsmi­nisterium scheint man für viele Überlegung­en offen zu sein. Hauptsache die Kinder können die Schule (tageweise) besuchen. Immerhin gilt es, das Semester ordentlich abzuschlie­ßen. Hier müssen Fristen eingehalte­n und Noten vergeben werden. Die Zeit drängt also. Noch nicht vom Tisch sind übrigens auch regional differenzi­erte Entscheidu­ngen über den Zeitpunkt der Wiedereröf­fnung.

Betreuung oft genützt

Ganz geschlosse­n sind die Schulen in der Pandemie aber ohnehin nicht. Eine Betreuung steht zur Verfügung. 20 Prozent der Schüler würden die, wie es aus dem Ministeriu­m heißt, derzeit nützen. Tendenz steigend. Für viele werde es eben immer schwierige­r, die Kinder zu Hause zu betreuen und mit ihnen zu lernen. In manchen Klassen würden schon jetzt bis zu 50 Prozent der Schüler sitzen.

Medial geht es oft darum, wer hat wen overruled, für mich ist diese Frage ganz nachrangig.“

Heinz Faßmann Bildungsmi­nister

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Es wird keinen Normalbetr­ieb geben, wenn die Schulen wieder
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[ Reuters ] öffnen. Derzeit sucht man noch nach Lösungen. Neben Tests und Masken könnte es auch Schichtbet­rieb geben.

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