Wiederholt sich das Trump-Drama in Brasilien?
Analyse. Brasiliens Präsident, Jair Bolsonaro, kopiert sein Vorbild im Weißen Haus. Auch er sät Zweifel, ob es bei elektronischen Wahlen in zwei Jahren mit rechten Dingen zugehen werde. Das Wahlgericht sieht die Demokratie gefährdet.
Buenos Aires/Brasilia. Wird er wieder sein Idol imitieren? In Brasilien wächst die Sorge, dass Präsident Jair Bolsonaro bei den Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren eine ähnliche Strategie anwenden könnte wie der scheidende US-Präsident, der am Dreikönigstag seine militanten Anhänger zum Sturm auf das Kapitol aufgerufen hat. Die Grundlage dafür liefert Bolsonaro selbst. „In Brasilien wird das Gleiche passieren wie in den Vereinigten Staaten, wenn wir 2022 elektronische Wahlen haben“, behauptete der Präsident nach der Stimmauszählung in den USA.
Wie Trump, der schon Monate vor der Wahl die Legitimität der Briefwahl infrage stellte und so unter seinen Anhängern Zweifel am Wahlausgang säte, versichert Bolsonaro, dass Brasiliens elektronisches Stimmsystem manipulationsanfällig sei. Seit 1996 wählt das 210-Millionen-Einwohner-Land mithilfe von Maschinen, bisher gab es keine Probleme damit. Im März 2020 verstieg sich der Präsident gar zu der These, er habe die Wahlen 2018 eigentlich schon in der ersten Runde gewonnen. Beweise legte er dafür allerdings nicht vor.
Und wie das US-Original hat der Tropen-Trump fanatische Anhänger, die in den sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien aller Art austauschen. Auch motiviert von Bolsonaros ebenso radikalen wie netzaffinen Söhnen unterstützen sie Bolsonaros Trommelfeuer gegen Medien. Ebenso die These, das „chinesische Virus“(dem mehr als 200.000 Brasilianer zum Opfer gefallen sind) verursache nur eine „kleine Grippe“. Gelegentlich marschierten militante Bolsonaristas bereits vor dem Kongress und dem Obersten Gerichtshof auf, nachdem sie vom Präsidenten selbst dazu ermuntert worden waren.
„Diese Logik der Betrugsvorwürfe verwenden viele radikale Führer auf ähnliche Weise. Sie ist ein einfaches Narrativ, das eine fanatische Anhängerschaft ausnutzt“, erklärte die Politologie-Professorin Esther Solano. Edson Fachin, Vize-Vorsitzender des Obersten Wahlgerichts, warnte, dass die Vorgänge in Washington „ein Alarmsignal für die brasilianische Demokratie sein sollen“.
„Brasilien ist pleite“
Bolsonaro, der den Sturm auf den US-Kongress nicht verurteilte, schlug selbst Alarm: „Brasilien ist pleite, ich kann nichts tun“, rief er am ersten Arbeitstag nach Rückkehr aus den Ferien seinen Anhängern zu. Die Hilfsgelder, mit denen die Regierung Unternehmen, aber auch das ärmste Drittel der Bevölkerung durch die erste Coronavirus-Welle brachte, rissen ein Riesenloch ins Budget. Die Staatsschuld lag im Jahr 2020 bei fast 100 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, so der Internationale Währungsfonds. Für ein Schwellenland, das wachsen muss, um Armut abzubauen, sind solche Werte deutlich zu hoch.
In der Regierung herrscht nun Uneinigkeit über die künftige Strategie. Der liberale Finanz- und Wirtschaftsminister, Paulo Guedes, möchte seine Reform- und Privatisierungsagenda wieder aufnehmen. Aber die mächtigen Militärs, die viele Schlüsselressorts besetzen, wollen der Krise durch ein staatliches Konjunkturprogramm entwachsen. Das aber dürfte viel Geld kosten. Zudem stockt die Impfkampagne. Obwohl Brasilien trotz des südlichen Sommers in einer zweiten Welle steckt und die Ansteckungszahlen deutlich zunehmen, hat Bolsonaros Regierung noch nicht mit den Immunisierungen begonnen. Wirtschaftsvertreter warnen, dass ein weiteres Zögern einen möglichen Aufschwung deutlich gefährden könnte.
Rückhalt der Armee
Unruhige Zeiten stehen der Regierung also bevor. Und Bolsonaro muss damit rechnen, dass ein Auslaufen der Stützen für die Armen auch seine in diesen Wählerschichten gewonnene Popularität wieder schmälern dürfte. Politisch formiert sich eine Gegenfront im breiten Zentrum des politischen Spektrums, umsichtig organisiert vom bisherigen Kongress-Präsidenten Rodrigo Maia. Bolsonaro hat allerdings einen erheblichen Rückhalt, der auch im Falle eines unklaren Wahlausgangs entscheidend werden könnte: Die Streitkräfte stehen noch hinter ihm.