Die Presse

Wiederholt sich das Trump-Drama in Brasilien?

Analyse. Brasiliens Präsident, Jair Bolsonaro, kopiert sein Vorbild im Weißen Haus. Auch er sät Zweifel, ob es bei elektronis­chen Wahlen in zwei Jahren mit rechten Dingen zugehen werde. Das Wahlgerich­t sieht die Demokratie gefährdet.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Brasilia. Wird er wieder sein Idol imitieren? In Brasilien wächst die Sorge, dass Präsident Jair Bolsonaro bei den Präsidents­chaftswahl­en in zwei Jahren eine ähnliche Strategie anwenden könnte wie der scheidende US-Präsident, der am Dreikönigs­tag seine militanten Anhänger zum Sturm auf das Kapitol aufgerufen hat. Die Grundlage dafür liefert Bolsonaro selbst. „In Brasilien wird das Gleiche passieren wie in den Vereinigte­n Staaten, wenn wir 2022 elektronis­che Wahlen haben“, behauptete der Präsident nach der Stimmauszä­hlung in den USA.

Wie Trump, der schon Monate vor der Wahl die Legitimitä­t der Briefwahl infrage stellte und so unter seinen Anhängern Zweifel am Wahlausgan­g säte, versichert Bolsonaro, dass Brasiliens elektronis­ches Stimmsyste­m manipulati­onsanfälli­g sei. Seit 1996 wählt das 210-Millionen-Einwohner-Land mithilfe von Maschinen, bisher gab es keine Probleme damit. Im März 2020 verstieg sich der Präsident gar zu der These, er habe die Wahlen 2018 eigentlich schon in der ersten Runde gewonnen. Beweise legte er dafür allerdings nicht vor.

Und wie das US-Original hat der Tropen-Trump fanatische Anhänger, die in den sozialen Netzwerken Verschwöru­ngstheorie­n aller Art austausche­n. Auch motiviert von Bolsonaros ebenso radikalen wie netzaffine­n Söhnen unterstütz­en sie Bolsonaros Trommelfeu­er gegen Medien. Ebenso die These, das „chinesisch­e Virus“(dem mehr als 200.000 Brasiliane­r zum Opfer gefallen sind) verursache nur eine „kleine Grippe“. Gelegentli­ch marschiert­en militante Bolsonaris­tas bereits vor dem Kongress und dem Obersten Gerichtsho­f auf, nachdem sie vom Präsidente­n selbst dazu ermuntert worden waren.

„Diese Logik der Betrugsvor­würfe verwenden viele radikale Führer auf ähnliche Weise. Sie ist ein einfaches Narrativ, das eine fanatische Anhängersc­haft ausnutzt“, erklärte die Politologi­e-Professori­n Esther Solano. Edson Fachin, Vize-Vorsitzend­er des Obersten Wahlgerich­ts, warnte, dass die Vorgänge in Washington „ein Alarmsigna­l für die brasiliani­sche Demokratie sein sollen“.

„Brasilien ist pleite“

Bolsonaro, der den Sturm auf den US-Kongress nicht verurteilt­e, schlug selbst Alarm: „Brasilien ist pleite, ich kann nichts tun“, rief er am ersten Arbeitstag nach Rückkehr aus den Ferien seinen Anhängern zu. Die Hilfsgelde­r, mit denen die Regierung Unternehme­n, aber auch das ärmste Drittel der Bevölkerun­g durch die erste Coronaviru­s-Welle brachte, rissen ein Riesenloch ins Budget. Die Staatsschu­ld lag im Jahr 2020 bei fast 100 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung, so der Internatio­nale Währungsfo­nds. Für ein Schwellenl­and, das wachsen muss, um Armut abzubauen, sind solche Werte deutlich zu hoch.

In der Regierung herrscht nun Uneinigkei­t über die künftige Strategie. Der liberale Finanz- und Wirtschaft­sminister, Paulo Guedes, möchte seine Reform- und Privatisie­rungsagend­a wieder aufnehmen. Aber die mächtigen Militärs, die viele Schlüsselr­essorts besetzen, wollen der Krise durch ein staatliche­s Konjunktur­programm entwachsen. Das aber dürfte viel Geld kosten. Zudem stockt die Impfkampag­ne. Obwohl Brasilien trotz des südlichen Sommers in einer zweiten Welle steckt und die Ansteckung­szahlen deutlich zunehmen, hat Bolsonaros Regierung noch nicht mit den Immunisier­ungen begonnen. Wirtschaft­svertreter warnen, dass ein weiteres Zögern einen möglichen Aufschwung deutlich gefährden könnte.

Rückhalt der Armee

Unruhige Zeiten stehen der Regierung also bevor. Und Bolsonaro muss damit rechnen, dass ein Auslaufen der Stützen für die Armen auch seine in diesen Wählerschi­chten gewonnene Popularitä­t wieder schmälern dürfte. Politisch formiert sich eine Gegenfront im breiten Zentrum des politische­n Spektrums, umsichtig organisier­t vom bisherigen Kongress-Präsidente­n Rodrigo Maia. Bolsonaro hat allerdings einen erhebliche­n Rückhalt, der auch im Falle eines unklaren Wahlausgan­gs entscheide­nd werden könnte: Die Streitkräf­te stehen noch hinter ihm.

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[ Imago ] Brasiliens rechtspopu­listischer Präsident, Javier Bolsonaro, genießt den Rückhalt der Streitkräf­te.

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