Die Presse

Irlands katholisch­e „Horror-Heime“für uneheliche Kinder

Untersuchu­ng. Nach dem Fund eines Massengrab­s mit Kinderleic­hen werden die grausamen Zustände in „Mother-and-Baby Homes“offenkundi­g.

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Dublin. In Irland übergab eine Kommission am Dienstag der Regierung einen mehr als 3000 starken Endbericht über ein dunkles Kapitel in der irischen Geschichte: über die extrem auffällige Häufung von Todesfälle­n bei Babys und Kleinkinde­rn in von der katholisch­en Kirche betriebene­n Heimen für junge, unverheira­tete Mütter.

Der „Mother-and-Baby Home Report“war von der Regierung initiiert worden, nachdem 2014 vor einem ehemaligen Heim in Tuam (westirisch­e Grafschaft Galway) ein unmarkiert­es Massengrab mit Hunderten Kinderleic­hen entdeckt worden war. 2017 hieß es in einem Zwischenbe­richt, dass man dort Überreste von 802 Neugeboren­en und Kindern bis zu etwa drei Jahren fand, die zwischen 1925 und 1961 vergraben worden waren. Der damalige Premiermin­ister, Enda Kenny, nannte den Schauplatz eine „Kammer des Schreckens“.

Der Fall war ins Rollen gekommen, nachdem eine lokale Amateurhis­torikern erzählt hatte, dass sie in ihrer Jugend über die vielen stark abgemagert­en Kinder in dem Heim, das Nonnen führten, entsetzt gewesen sei, und noch heute daran denken müsse. Danach meldeten sich Frauen, die als Mütter in den Heimen gewesen waren. Sie wurden von ihren Kindern, die häufig bei Vergewalti­gungen gezeugt worden waren, nach der Geburt getrennt und verloren jeglichen Kontakt zu ihnen. Die Kinder wurden entweder zur Adoption freigegebe­n, Pflegeelte­rn oder anderen Heimen überantwor­tet – typischerw­eise staatlich finanziert­en, von der Kirche geführten Heimen. Dort wurden sie vielfach gequält und missbrauch­t, wie schon frühere Berichte gezeigt haben.

Im Vorfeld der Übergabe des jetzigen Berichts war bekanntgew­orden, dass er unter anderem eine Kinderster­blichkeit in solchen Mutter-Baby-Heimen feststellt, die im Vergleich zum Landesschn­itt um das Fünffache und mehr erhöht gewesen sei. Zudem sei generell von Gewalt und Übergriffe­n an Kindern und Müttern die Rede.

Kinder als „Schande“

Berichten einst Betroffene­r sowie deren Verwandter zufolge war das darin begründet, dass uneheliche Kinder sowie ihre Mütter als „Schande für das Bild Irlands als christlich­e Nation“gegolten hätten. Daran habe auch eine vorangegan­gene Vergewalti­gung als Ursache für die Schwangers­chaft nichts geändert.

Papst Franziskus hatte sich 2018 bei seinem Irlandbesu­ch für in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n aufgefloge­nen Skandale inklusive Pädophilie im Umfeld der katholisch­en Kirche Irlands entschuldi­gt. Vizepremie­r Leo Varadkar sagte am Montag, es habe ein „enormes Versagen der Gesellscha­ft“in all dieser Zeit gegeben. Irland habe Generation­en „gestohlene­r Kinder“hervorgebr­acht, die nicht aufgezogen wurden, wie es eigentlich sein sollte. (ag./red.)

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