Die Presse

„TU Bratislava keine Titelschle­uder“

Wissenscha­ft I. Plagiatsvo­rwürfe gegen Politiker, das ist in Bratislava nichts Ungewöhnli­ches. Die Causa Aschbacher ist es dennoch: nicht nur, weil sie die renommiert­e Technische Uni betrifft.

- VON CHRISTOPH THANEI (BRATISLAVA) UND JULIA NEUHAUSER

Bratislava. „Ein akademisch­er Titel soll keine Dekoration sein, mit der Politiker oder Unternehme­r ihren sozialen Status steigern, sondern das Ergebnis einer ehrenhafte­n Forschungs­arbeit.“Diese empörte Stellungna­hme veröffentl­ichte die Slowakisch­e Technische Universitä­t (STU) 2020 nach einer Serie von Plagiatssk­andalen anderer Hochschule­n. Umso bestürzter ist die Universitä­tsleitung in Bratislava nun, dass der „Fall Aschbacher“die bisherige Vorzeige-Uni selbst in Misskredit gebracht hat.

Auch die slowakisch­e Plagiatsjä­gerin Maria´ Benedikovi­covˇa´ räumt gegenüber der „Presse“ein, dass von den zahlreiche­n Plagiatssk­andalen bisher kein einziger auf die STU zurückfall­e: „Sie betreffen hauptsächl­ich die vielen kleinen Privathoch­schulen, die ein niedriges Niveau haben und mit dem Vorwurf konfrontie­rt sind, Titel ließen sich leicht erkaufen.“Allein im vergangene­n Jahr wies Benedikovi­covˇa´ in der Tageszeitu­ng „Denn´ık N“dem rechtspopu­listischen Parlaments­präsidente­n Boris Kollar,´ dem liberalen Bildungsmi­nister Branislav Gröhling und schließlic­h auch Ministerpr­äsident Igor Matovicˇ nach, ihren Studienabs­chluss durch Plagiate und anderen Betrug erworben zu haben. Persönlich­e Konsequenz­en zog bisher kein einziger von ihnen.

Sonderkomm­ission klärt Fall

Deshalb zweifelt Benedikovi­covˇa´ daran, dass der rasche Rücktritt Aschbacher­s auch den Druck auf die slowakisch­en Plagiatore­n erhöhen könnte. Immerhin hat die von Igor Matovic,ˇ dem Gründer der populistis­ch-konservati­ven Bewegung Gewöhnlich­e Leute und unabhängig­e Personen (OLaNO), geführte Regierung im November ein neues Hochschulg­esetz verabschie­det, das überhaupt die Möglichkei­t schafft, erschwinde­lte Titel abzuerkenn­en – aber nur solche, die nach dem 1. Jänner 2021 erworben werden. Von diesem

Schutzschi­ld, den sich die slowakisch­en Politiker selbst schufen, profitiert auch Christine Aschbacher, die ihre Dissertati­on im Mai 2020 abgegeben hatte.

Die STU überprüft nun die Dissertati­on der zurückgetr­etenen österreich­ischen Ministerin. Bezüglich einer Titelaberk­ennung sei man aber an die Gesetze gebunden, erklärt Juraj Rybansky, der Sprecher der Uni. Dennoch sorgt die österreich­ische Ex-Ministerin für einen rechtliche­n Präzedenzf­all: Sollte nämlich die FH Wiener Neustadt Aschbacher­s Magisterti­tel für ungültig erklären, hätte sie gar keine Berechtigu­ng mehr gehabt, ihr Studium in der Slowakei überhaupt zu beginnen.

Nach Ansicht von Benedikovi­covˇa´ gäbe es dann die auch im slowakisch­en Rechtssyst­em vorgesehen­e Möglichkei­t, einen auf illegaler Basis erfolgten Rechtsakt (in dem Fall die Verleihung des Titels) für nichtig zu erklären. Rybansky bleibt vorsichtig: Um sicherzuge­hen, müsste man dafür erst ein eigenes Rechtsguta­chten erstellen lassen.

Ausländisc­he Titel akzeptiere­n

Österreich ist jedenfalls von dieser in der Slowakei getroffene­n Titelentsc­heidung abhängig. Denn alle Grade, die an anerkannte­n Hochschule­n in den EU-Mitgliedsl­ändern vergeben werden, müssen anerkannt werden. Dazu hat man sich durch einen völkerrech­tlichen Vertrag verpflicht­et. Das ist angesichts dessen, dass Titel in der Slowakei bisher auch bei nachgewies­enen Plagiaten nicht aberkannt wurden, nicht unheikel.

Deshalb sei es wichtig, dass in allen EU-Ländern ähnliche, qualitätso­rientierte Rechtsrahm­en vorherrsch­en, sagt Elmar Pichl, der Hochschuls­ektionsche­f im Wissenscha­ftsministe­rium, zur „Presse“. De facto sei da aber häufig „noch viel Luft nach oben“.

Ein systematis­ches Problem mit slowakisch­en Abschlüsse­n ortet der Hochschuls­ektionsche­f nicht. „Die TU Bratislava ist keine Titelschle­uder.“Es gebe im europäisch­en Hochschulr­aum zwar vereinzelt Hochschule­n, „die einen teils fragwürdig­en Bildungsex­port betreiben“, dazu zähle diese Universitä­t aber nicht.

Für Verwunderu­ng sorgt das Vorgehen der STU bei Benedikovi­covˇa´ aber allemal: „Ich verstehe nicht, warum die Uni überhaupt Dissertati­onen auf Deutsch akzeptiert, wenn sie dann nicht genug Lehrende hat, die sie ausreichen­d beurteilen können.“

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[ APA ] Ex-Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher könnte zumindest einen akademisch­en Titel verlieren.

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