„TU Bratislava keine Titelschleuder“
Wissenschaft I. Plagiatsvorwürfe gegen Politiker, das ist in Bratislava nichts Ungewöhnliches. Die Causa Aschbacher ist es dennoch: nicht nur, weil sie die renommierte Technische Uni betrifft.
Bratislava. „Ein akademischer Titel soll keine Dekoration sein, mit der Politiker oder Unternehmer ihren sozialen Status steigern, sondern das Ergebnis einer ehrenhaften Forschungsarbeit.“Diese empörte Stellungnahme veröffentlichte die Slowakische Technische Universität (STU) 2020 nach einer Serie von Plagiatsskandalen anderer Hochschulen. Umso bestürzter ist die Universitätsleitung in Bratislava nun, dass der „Fall Aschbacher“die bisherige Vorzeige-Uni selbst in Misskredit gebracht hat.
Auch die slowakische Plagiatsjägerin Maria´ Benedikovicovˇa´ räumt gegenüber der „Presse“ein, dass von den zahlreichen Plagiatsskandalen bisher kein einziger auf die STU zurückfalle: „Sie betreffen hauptsächlich die vielen kleinen Privathochschulen, die ein niedriges Niveau haben und mit dem Vorwurf konfrontiert sind, Titel ließen sich leicht erkaufen.“Allein im vergangenen Jahr wies Benedikovicovˇa´ in der Tageszeitung „Denn´ık N“dem rechtspopulistischen Parlamentspräsidenten Boris Kollar,´ dem liberalen Bildungsminister Branislav Gröhling und schließlich auch Ministerpräsident Igor Matovicˇ nach, ihren Studienabschluss durch Plagiate und anderen Betrug erworben zu haben. Persönliche Konsequenzen zog bisher kein einziger von ihnen.
Sonderkommission klärt Fall
Deshalb zweifelt Benedikovicovˇa´ daran, dass der rasche Rücktritt Aschbachers auch den Druck auf die slowakischen Plagiatoren erhöhen könnte. Immerhin hat die von Igor Matovic,ˇ dem Gründer der populistisch-konservativen Bewegung Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen (OLaNO), geführte Regierung im November ein neues Hochschulgesetz verabschiedet, das überhaupt die Möglichkeit schafft, erschwindelte Titel abzuerkennen – aber nur solche, die nach dem 1. Jänner 2021 erworben werden. Von diesem
Schutzschild, den sich die slowakischen Politiker selbst schufen, profitiert auch Christine Aschbacher, die ihre Dissertation im Mai 2020 abgegeben hatte.
Die STU überprüft nun die Dissertation der zurückgetretenen österreichischen Ministerin. Bezüglich einer Titelaberkennung sei man aber an die Gesetze gebunden, erklärt Juraj Rybansky, der Sprecher der Uni. Dennoch sorgt die österreichische Ex-Ministerin für einen rechtlichen Präzedenzfall: Sollte nämlich die FH Wiener Neustadt Aschbachers Magistertitel für ungültig erklären, hätte sie gar keine Berechtigung mehr gehabt, ihr Studium in der Slowakei überhaupt zu beginnen.
Nach Ansicht von Benedikovicovˇa´ gäbe es dann die auch im slowakischen Rechtssystem vorgesehene Möglichkeit, einen auf illegaler Basis erfolgten Rechtsakt (in dem Fall die Verleihung des Titels) für nichtig zu erklären. Rybansky bleibt vorsichtig: Um sicherzugehen, müsste man dafür erst ein eigenes Rechtsgutachten erstellen lassen.
Ausländische Titel akzeptieren
Österreich ist jedenfalls von dieser in der Slowakei getroffenen Titelentscheidung abhängig. Denn alle Grade, die an anerkannten Hochschulen in den EU-Mitgliedsländern vergeben werden, müssen anerkannt werden. Dazu hat man sich durch einen völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet. Das ist angesichts dessen, dass Titel in der Slowakei bisher auch bei nachgewiesenen Plagiaten nicht aberkannt wurden, nicht unheikel.
Deshalb sei es wichtig, dass in allen EU-Ländern ähnliche, qualitätsorientierte Rechtsrahmen vorherrschen, sagt Elmar Pichl, der Hochschulsektionschef im Wissenschaftsministerium, zur „Presse“. De facto sei da aber häufig „noch viel Luft nach oben“.
Ein systematisches Problem mit slowakischen Abschlüssen ortet der Hochschulsektionschef nicht. „Die TU Bratislava ist keine Titelschleuder.“Es gebe im europäischen Hochschulraum zwar vereinzelt Hochschulen, „die einen teils fragwürdigen Bildungsexport betreiben“, dazu zähle diese Universität aber nicht.
Für Verwunderung sorgt das Vorgehen der STU bei Benedikovicovˇa´ aber allemal: „Ich verstehe nicht, warum die Uni überhaupt Dissertationen auf Deutsch akzeptiert, wenn sie dann nicht genug Lehrende hat, die sie ausreichend beurteilen können.“