Wenn Denkmalschutz vor Verantwortung schützt
Von Verlusten, die womöglich gar keine wären: Hinweise zum Museumsskelett am Karlsplatz.
Verluste hat ja niemand gern. Was man besitzt, das will man auch behalten, wenn nicht aus Überzeugung, so zumindest der Gewohnheit wegen. Schließlich gewährt uns Bestand das Wohlgefühl der Beständigkeit, das Unveränderte, hurtig zum Unveränderlichen fortgeschrieben, beschert uns jene Sicherheit, die unser Leben leichter macht, weil sie uns jede Auseinandersetzung mit Neuem, anderem erspart.
Es kommt nichts Besseres nach, heißt es denn hierorts oft, und gerade in Stadtbild-Angelegenheiten sehen wir uns durch allerlei Publikationen, die einen (mitunter nur vermeintlichen) Glanz von ehedem gegen die (auch nicht immer gar so schlimme) Gegenwart stellen, in unserer Veränderungsscheu bestärkt.
Andererseits: Manchmal muss selbst der Beharrungsseligste ins Grübeln kommen, ob denn nicht da und dort ein Verlust gar kein Verlust gewesen wäre. Seinesgleichen ging mir kürzlich durch den Sinn angesichts des Jammers, der sich derzeit nächst der Karlskirche offenbart: angesichts der Reste, die von Oswald Haerdtls Wien-Museum blieben, seit man dessen Sanierung und Erweiterung begonnen hat. Nichts gegen Haerdtl und seinen letzten Bau, eröffnet 1959, nur: Warum man, statt einen Neubau zu riskieren, unter größten – nicht zuletzt finanziellen – Mühen ausgerechnet diese Architektur bis aufs innerste Gerippe skelettiert, um sie dereinst, neu gefasst, ebenso kostspielig wiederauferstehen zu lassen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick – und was mich betrifft, auch nicht auf den zweiten.
Gewiss, der Haerdtl-Bau steht unter Denkmalschutz. Bleibt nur die Frage, wie viel Haerdtl denn da gegenwärtig noch zu schützen ist. Und ob nicht der Denkmalschutz in diesem Fall vorzüglich andere schützen musste: die Stadtverantwortlichen nämlich vor einer heiklen Neubau-Entscheidung an sensiblem Ort . . .
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