Warum Österreich weniger im Krankenstand ist
Gesundheit. Trotz Pandemie sind die Krankenstandsmeldungen massiv zurückgegangen. Das hat mehrere Gründe.
Wien. Eine Pandemie wütet in Österreich. Insgesamt wurden 381.000 Corona-Infizierte registriert – sie alle mussten behördlich angeordnet 14 Tage zu Hause bleiben. Dennoch ist die Zahl der Krankenstände 2020 bis zu 40 Prozent zurückgegangen. Wie kann das sein?
Erstens: Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, bekommt einen Absonderungsbescheid laut Epidemiegesetz, und das wird nicht als Krankenstand gewertet. Somit fallen diese Personen aus der Statistik.
Davon abgesehen waren die Österreicher vergangenes Jahr aber auch sonst weniger krank – zumindest laut Einmeldungen bei der Österreichischen Gesundheitskasse, wo auch die Krankheitsgründe verzeichnet werden. In Spitzenzeiten verzeichnete die Kasse bis zu 40 Prozent weniger Krankenstände als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. „Während der strengen Lockdowns waren die Zahlen besonders niedrig. Wir haben noch nicht alle Daten, aber über das ganze Jahr gesehen, sind die Krankenstände wohl bis zu 20 Prozent zurückgegangen“, sagt Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse. Dafür gibt es einige Gründe.
Wenig Kontakt, wenig krank
Einer ist, dass die aktuellen Hygienemaßnahmen wie Abstandhalten und Mund-Nasenschutz-Tragen sowie Kontaktreduktion auch anderen Infektionskrankheiten vorbeugen – so gibt es dieses Jahr bisher kaum Krankmeldungen aufgrund grippaler Infekte oder der Influenza.
Die Grippesaison nimmt an Fahrt auf, bisher gibt es aber kaum Fälle. Zur Freude der Gesundheitsbehörden, weil die Intensivstationen damit nicht noch mehr belastet werden.
Ein weiterer Grund für weniger Krankmeldungen: Viele Firmen schickten ihre Mitarbeiter ins Home-Office. Es ist eine einfache Rechnung: Wer keinen Kontakt hat, kann sich nicht anstecken. Gerade in Großraumbüros kam es in der kalten Jahreszeit zu Häufungen von Infektionskrankheiten. Aber auch die Zahl stressbedingter Krankheiten sinkt.
Davon abgesehen, dass Mitarbeiter im Home-Office wohl wirklich gesünder sind, würden sie sich wohl auch weniger krank melden, ist Huss überzeugt. „Vorher ist man mit einem üblen Schnupfen vielleicht nicht ins Büro gegangen, jetzt haben viele Angst um ihren Arbeitsplatz, können es sich zu Hause flexibler richten und melden sich darum eben nicht krank“, sagt Huss. Studien hätten dazu ergeben, dass fünfzig Prozent der Österreicher angegeben haben, zumindest ein Mal im Jahr krank arbeiten zu gehen. „Das war vor der Pandemie. Jetzt bleiben bestimmt mehr zu Hause, wenn sie Symptome haben“, sagt Huss.
Ein Grund für die niedrigere Zahl der Krankenstände könnte auch sein, dass es derzeit fast eine halbe Million Arbeitslose gibt – sie melden sich wohl auch nur krank, wenn sie wegen schwerer Krankheit länger ausfallen und darum nicht vermittelbar sind.
Auch Kur- und Reha-Aufenthalte wurden massiv zurückgefahren. Während des ersten Lockdowns wurden Einrichtungen gänzlich geschlossen. Und zu guter Letzt haben auch die Schulen keinen Präsenzunterricht. Kinder gelten für viele Infektionskrankheiten als Motor, auch das fällt weg.
Künstler am wenigsten krank
Österreichs Krankenstandsquote war im Vergleich zu einigen Nachbarländern auch vor der Pandemie bereits eher niedrig: 3,6 Prozent aller Arbeitstage waren die Österreicher im Schnitt krank. In Deutschland sind es 4,4 Prozent und in der Schweiz 3,8 Prozent. Innerhalb der Branchen gibt es große Unterschiede.
Die höchste Quote verzeichnete 2019 die Land- und Forstwirtschaft (4,6 Prozent), gefolgt vom Baugewerbe (4,2 Prozent) – zwei Branchen, in denen es berufsbedingt viele Arbeitsunfälle und Verletzungen gibt. „Verkehr und Lagerei“verzeichnet mit vier Prozent ebenfalls eine relativ hohe Quote – „Immobilien“und „sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“liegen bei 3,8 Prozent. Am wenigsten häufig gehen Künstler und Kulturschaffende im Bereich „Unterhaltung“in Krankenstand (1,9 Prozent). Viele sind selbstständig und können sich Verdienstentgang einfach nicht leisten.