Ungewohnte Allianz gegen Windkraft
Energie. Österreich „verliert“erstmals Windräder. Die Branche hofft auf die Erlösung durch das Ökostromgesetz. Doch das lässt weiter auf sich warten. Trägt die Windkraft selbst Schuld daran?
Wien. Im Vorjahr war der Tiefpunkt erreicht. Erstmals seit in Österreich Elektrizität aus Windenergie gewonnen wird, hat das Land mehr Windkraftanlagen verloren, als zugebaut wurden. 33 abgebauten Windrädern stehen nur sieben neu gebaute gegenüber (siehe Grafik). In Summe ging die Zahl der Anlagen auf 1307 zurück. Die installierte Leistung sank auf 3120 Megawatt. Dies sei das traurige Ergebnis einer jahrelangen „Stop-and-goPolitik“von Regierungen, die lieber über die Energiewende sprächen, als sie auch tatsächlich zu ermöglichen, kritisierte Stefan Moidl von der Interessenvertretung IG Windkraft. Heuer würden zwar etliche bereits vor Jahren eingereichte Projekte „nachgeholt“. Für Neuprojekte gebe es aber weiter keine Mittel. Die Branche braucht das für Ende 2020 versprochene Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) wie einen Bissen Brot.
Doch das Gesetzeswerk, das den Ausbau von Tausenden Ökostromanlagen bis 2030 ermöglichen soll, lässt weiter auf sich warten. Seit das grüne Infrastrukturministerium im September seinen EAG-Entwurf vorgelegt hat, ist vergleichsweise wenig passiert. Ein Grund dafür seien die detaillierten Fragen der Brüsseler EU-Kommission, argumentierte das Ministerium stets. Mitschuld am erhöhten Erklärungsbedarf sollen just die angeblich zu lockeren Förderrichtlinien für die Windkraft selbst sein.
IV und ÖGB in trauter Einigkeit
Als die EU-Kommission die Leitlinien für die neuen Ökostrom-Fördergesetze festgeschrieben hat, stand mehr Wettbewerb an oberster Stelle. Wo immer es möglich sei, sollten die Staaten Subventionen nur noch über Ausschreibungen und Auktionen vergeben. Nur jene Unternehmen, die mit den wenigsten Fördereuro auskommen, sollten zum Zug kommen.
So in etwa soll das – etwa für die Solarenergie – auch in Österreich gelten. Die Windbranche bleibt aber bis 2024 von Auktionen verschont. Und auch dann will das Ministerium erst einmal evaluieren und weiter überlegen, ob es daran etwas ändern will.
Dass Brüssel das nicht ohne weitere Erklärung schlucken würde, war allerdings schon im Vorfeld klar. Spätestens im Begutachtungsverfahren kritisierte eine höchst ungewöhnliche Allianz aus Industriellenvereinigung, Österreichischem Gewerkschaftsbund und Umweltanwaltschaften die „Bevorzugung“der Windbranche. Die Industriellenvereinigung handelt die Causa recht klar und trocken ab: „Es stellt sich die Frage, ob dieses System einer beihilfenrechtlichen Prüfung durch die EU-Kommission standhält. Aus unserer Sicht sollten Windkraftanlagen ab 2024 generell ausgeschrieben und nicht von einer Evaluierung des Fördersystems abhängig gemacht werden.“Etwas verklausulierter schlägt der ÖGB in dieselbe Kerbe:
Es gebe keinen Grund, warum der Staat zuwarten solle, bevor er auch die Windkraft in Auktionen zwinge. „Im Lichte der dargestellten Formulierungen könnte eine derartige Prüfung sowie Änderung des Systems demnach auch vor dem Jahr 2024 stattfinden.“Am drastischsten formulieren es die Umweltanwaltschaften der Länder: „Mit der vorgeschlagenen Regelung würde eine verfassungswidrige Bevorzugung der Windkraft auf viele Jahre festgelegt. Die undurchsichtige Art und Weise, ja die planwirtschaftliche Konstruktion dieser Bevorzugung der Windkraft im vorliegenden Entwurf ist definitiv abzulehnen!“
Wer verzögert das Gesetz?
Die Windkraft zeigte sich über die Debatte über eine mögliche Bevorzugung der Branche erstaunt. Erstens seien nicht nur Windenergieprojekte von der Ausschreibungspflicht befreit, sondern etwa auch die Wasserkraft. Zweitens gebe es mittlerweile genug wissenschaftliche Evidenz, warum Ausschreibungen bei Windenergie nicht der effizienteste Weg seien. Als Beleg dient Deutschland, wo Auktionen in der Windkraft zu einer stärkeren Konzentration der Branche und einem langsameren Ausbau geführt haben. Auch in Österreich sei zu befürchten, dass sich nur wenige Große durchsetzen und viele vergebene Projekte gar nicht oder verzögert gebaut würden.
An der langsamen Umsetzung des EAG in Österreich sei man jedenfalls nicht schuld, betont die Windbranche. Dass die EU-Kommission sechs bis neun Monate brauche, um ein Gesetz zu notifizieren, sei bekannt, argumentiert sie. Das sei bisher aber kein Grund gewesen, etwa die Verhandlungen mit der Opposition über die Beschaffung der notwendigen Zweidrittelmehrheit aufzuschieben. Das EAG hat es noch nicht einmal in den Ministerrat geschafft. Dafür braucht es weder die EU noch die Opposition, sondern lediglich die beiden Koalitionspartner. Im zuständigen Ministerium verweist man auf laufende Gespräche.