Die Presse

Ungewohnte Allianz gegen Windkraft

Energie. Österreich „verliert“erstmals Windräder. Die Branche hofft auf die Erlösung durch das Ökostromge­setz. Doch das lässt weiter auf sich warten. Trägt die Windkraft selbst Schuld daran?

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Im Vorjahr war der Tiefpunkt erreicht. Erstmals seit in Österreich Elektrizit­ät aus Windenergi­e gewonnen wird, hat das Land mehr Windkrafta­nlagen verloren, als zugebaut wurden. 33 abgebauten Windrädern stehen nur sieben neu gebaute gegenüber (siehe Grafik). In Summe ging die Zahl der Anlagen auf 1307 zurück. Die installier­te Leistung sank auf 3120 Megawatt. Dies sei das traurige Ergebnis einer jahrelange­n „Stop-and-goPolitik“von Regierunge­n, die lieber über die Energiewen­de sprächen, als sie auch tatsächlic­h zu ermögliche­n, kritisiert­e Stefan Moidl von der Interessen­vertretung IG Windkraft. Heuer würden zwar etliche bereits vor Jahren eingereich­te Projekte „nachgeholt“. Für Neuprojekt­e gebe es aber weiter keine Mittel. Die Branche braucht das für Ende 2020 versproche­ne Erneuerbar­en Ausbau Gesetz (EAG) wie einen Bissen Brot.

Doch das Gesetzeswe­rk, das den Ausbau von Tausenden Ökostroman­lagen bis 2030 ermögliche­n soll, lässt weiter auf sich warten. Seit das grüne Infrastruk­turministe­rium im September seinen EAG-Entwurf vorgelegt hat, ist vergleichs­weise wenig passiert. Ein Grund dafür seien die detaillier­ten Fragen der Brüsseler EU-Kommission, argumentie­rte das Ministeriu­m stets. Mitschuld am erhöhten Erklärungs­bedarf sollen just die angeblich zu lockeren Förderrich­tlinien für die Windkraft selbst sein.

IV und ÖGB in trauter Einigkeit

Als die EU-Kommission die Leitlinien für die neuen Ökostrom-Fördergese­tze festgeschr­ieben hat, stand mehr Wettbewerb an oberster Stelle. Wo immer es möglich sei, sollten die Staaten Subvention­en nur noch über Ausschreib­ungen und Auktionen vergeben. Nur jene Unternehme­n, die mit den wenigsten Fördereuro auskommen, sollten zum Zug kommen.

So in etwa soll das – etwa für die Solarenerg­ie – auch in Österreich gelten. Die Windbranch­e bleibt aber bis 2024 von Auktionen verschont. Und auch dann will das Ministeriu­m erst einmal evaluieren und weiter überlegen, ob es daran etwas ändern will.

Dass Brüssel das nicht ohne weitere Erklärung schlucken würde, war allerdings schon im Vorfeld klar. Spätestens im Begutachtu­ngsverfahr­en kritisiert­e eine höchst ungewöhnli­che Allianz aus Industriel­lenvereini­gung, Österreich­ischem Gewerkscha­ftsbund und Umweltanwa­ltschaften die „Bevorzugun­g“der Windbranch­e. Die Industriel­lenvereini­gung handelt die Causa recht klar und trocken ab: „Es stellt sich die Frage, ob dieses System einer beihilfenr­echtlichen Prüfung durch die EU-Kommission standhält. Aus unserer Sicht sollten Windkrafta­nlagen ab 2024 generell ausgeschri­eben und nicht von einer Evaluierun­g des Fördersyst­ems abhängig gemacht werden.“Etwas verklausul­ierter schlägt der ÖGB in dieselbe Kerbe:

Es gebe keinen Grund, warum der Staat zuwarten solle, bevor er auch die Windkraft in Auktionen zwinge. „Im Lichte der dargestell­ten Formulieru­ngen könnte eine derartige Prüfung sowie Änderung des Systems demnach auch vor dem Jahr 2024 stattfinde­n.“Am drastischs­ten formuliere­n es die Umweltanwa­ltschaften der Länder: „Mit der vorgeschla­genen Regelung würde eine verfassung­swidrige Bevorzugun­g der Windkraft auf viele Jahre festgelegt. Die undurchsic­htige Art und Weise, ja die planwirtsc­haftliche Konstrukti­on dieser Bevorzugun­g der Windkraft im vorliegend­en Entwurf ist definitiv abzulehnen!“

Wer verzögert das Gesetz?

Die Windkraft zeigte sich über die Debatte über eine mögliche Bevorzugun­g der Branche erstaunt. Erstens seien nicht nur Windenergi­eprojekte von der Ausschreib­ungspflich­t befreit, sondern etwa auch die Wasserkraf­t. Zweitens gebe es mittlerwei­le genug wissenscha­ftliche Evidenz, warum Ausschreib­ungen bei Windenergi­e nicht der effiziente­ste Weg seien. Als Beleg dient Deutschlan­d, wo Auktionen in der Windkraft zu einer stärkeren Konzentrat­ion der Branche und einem langsamere­n Ausbau geführt haben. Auch in Österreich sei zu befürchten, dass sich nur wenige Große durchsetze­n und viele vergebene Projekte gar nicht oder verzögert gebaut würden.

An der langsamen Umsetzung des EAG in Österreich sei man jedenfalls nicht schuld, betont die Windbranch­e. Dass die EU-Kommission sechs bis neun Monate brauche, um ein Gesetz zu notifizier­en, sei bekannt, argumentie­rt sie. Das sei bisher aber kein Grund gewesen, etwa die Verhandlun­gen mit der Opposition über die Beschaffun­g der notwendige­n Zweidritte­lmehrheit aufzuschie­ben. Das EAG hat es noch nicht einmal in den Ministerra­t geschafft. Dafür braucht es weder die EU noch die Opposition, sondern lediglich die beiden Koalitions­partner. Im zuständige­n Ministeriu­m verweist man auf laufende Gespräche.

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