Die Presse

Österreich­s Gespür für Schulden

Am Dienstag zapfte die Republik den Kapitalmar­kt erstmals in diesem Jahr an. Und das durchaus erfolgreic­h. Es besteht Hoffnung, dass das heuer so weitergehe­n wird.

- VON NICOLE STERN

Wien. Ein unvorherse­hbar hohes Budgetdefi­zit und Staatsschu­lden, die die Maastricht-Kriterien sprengen. Österreich darf sich trotz der dramatisch­en Situation, in der sich die Welt befindet, glücklich schätzen: Die Schuldentr­agfähigkei­t des Landes leidet unter der Pandemie nicht. Betrug der Zinsaufwan­d im Jahr 2020 knapp vier Mrd. Euro, sind es 2010 noch kapp sieben Mrd. Euro (siehe Grafik) gewesen.

Der Zinssatz, den Österreich für seine Verbindlic­hkeiten an den internatio­nalen Finanzmärk­ten bezahlen muss, ist zuletzt ebenfalls gesunken. Lag er 2010 bei 3,99 Prozent, beläuft er sich inzwischen auf nur noch 1,47 Prozent. Freilich wird der weitere Verlauf auch von der Entwicklun­g an den Kapitalmär­kten abhängen. Die erste Auktion von Staatsanle­ihen in diesem Jahr zeigt allerdings, wo die Reise hingehen könnte.

Am Dienstag stockte die Republik eine zehn- und eine 30-jährige Bundesanle­ihe auf und sammelte damit in Summe knapp 1,4 Mrd. Euro ein. Beide Anleihen waren nicht nur mehr als das Zweifache überzeichn­et – ein guter JännerWert –, sondern sie erzielten auch äußerst niedrige Begebungsr­enditen innerhalb ihres Laufzeitse­gments, sagt Markus Stix, Chef der Österreich­ischen Bundesfina­nzierungsa­gentur. Beim 30-jährigen Papier machte die Rendite plus 0,159 Prozent aus, bei der zehnjährig­en Anleihe erreichte sie minus 0,399 Prozent.

Gleichzeit­ig wurde auch der Zinsabstan­d zu Deutschlan­d (lediglich 13 Basispunkt­e im zehnjährig­en Bereich) geringer. Die Bundesrepu­blik gilt als Orientieru­ngsgröße in der Eurozone. „So einen engen Abstand bei zehnjährig­en Anleihen hatten wir zuletzt vor vier Jahren, das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Investoren uns als adäquate Alternativ­e sehen“, sagt Stix. Nicht ganz unschuldig daran ist freilich auch die Europäisch­e Zentralban­k, die mittels massiver Anleihenkä­ufe versucht, die Zinsen in der gesamten Eurozone nach unten zu drücken, um die Rückzahlba­rkeit der Staatsschu­lden allen Mitgliedsl­ändern zu ermögliche­n. Auch jenen, die aus einer schlechter­en Ausgangspo­sition in diese Krise gegangen sind.

Für Österreich hatte die Entwicklun­g zur Folge, dass das Land im Vorjahr bereits zum zweiten Mal in Folge Geld an den Kapitalmär­kten verdienen konnte, weil die Rendite mit 0,32 Prozent unterm Strich negativ war. Österreich musste sich zuletzt rund 63 Mrd.

Euro auf dem Finanzmark­t beschaffen, heuer werden es rund 65 Mrd. Euro sein.

1600 Transaktio­nen in 2020

In diesem Jahr will die Bundesfina­nzierungsa­gentur auch ein Auktionssy­stem für kurzfristi­ge Schulden (bis zu einem Jahr) etablieren, diese wurden bisher bilateral verkauft. Diese Änderung wird es auch der Europäisch­en Zentralban­k ermögliche­n, kurzfristi­ge Papiere (über den Sekundärma­rkt) aus Österreich zu kaufen. Die vielen Gespräche mit Investoren und auch eine Änderung bei der Ankündigun­g von Volumen und Laufzeiten für Auktionen führten außerdem dazu, dass Österreich­s Anleihen jene waren, die in der Eurozone 2020 am meisten nachgefrag­t wurden, so Stix.

Wickelt die Bundesfina­nzierungsa­gentur in normalen Jahren rund 600 Transaktio­nen ab, so waren es in den vergangene­n zwölf Monaten über 1600. Und das mit rund 35 Mitarbeite­rn. Auch ein Grund dafür, warum die von der Regierung in Aussicht gestellte „grüne Anleihe“wohl noch wird warten müssen. Der Aufwand, solche Papiere auf den Markt zu bringen, ist sehr hoch. Im Vorjahr musste man sich aber vor allem auf die Pandemie und das Bereitstel­len von Liquidität konzentrie­ren.

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