Österreichs Gespür für Schulden
Am Dienstag zapfte die Republik den Kapitalmarkt erstmals in diesem Jahr an. Und das durchaus erfolgreich. Es besteht Hoffnung, dass das heuer so weitergehen wird.
Wien. Ein unvorhersehbar hohes Budgetdefizit und Staatsschulden, die die Maastricht-Kriterien sprengen. Österreich darf sich trotz der dramatischen Situation, in der sich die Welt befindet, glücklich schätzen: Die Schuldentragfähigkeit des Landes leidet unter der Pandemie nicht. Betrug der Zinsaufwand im Jahr 2020 knapp vier Mrd. Euro, sind es 2010 noch kapp sieben Mrd. Euro (siehe Grafik) gewesen.
Der Zinssatz, den Österreich für seine Verbindlichkeiten an den internationalen Finanzmärkten bezahlen muss, ist zuletzt ebenfalls gesunken. Lag er 2010 bei 3,99 Prozent, beläuft er sich inzwischen auf nur noch 1,47 Prozent. Freilich wird der weitere Verlauf auch von der Entwicklung an den Kapitalmärkten abhängen. Die erste Auktion von Staatsanleihen in diesem Jahr zeigt allerdings, wo die Reise hingehen könnte.
Am Dienstag stockte die Republik eine zehn- und eine 30-jährige Bundesanleihe auf und sammelte damit in Summe knapp 1,4 Mrd. Euro ein. Beide Anleihen waren nicht nur mehr als das Zweifache überzeichnet – ein guter JännerWert –, sondern sie erzielten auch äußerst niedrige Begebungsrenditen innerhalb ihres Laufzeitsegments, sagt Markus Stix, Chef der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur. Beim 30-jährigen Papier machte die Rendite plus 0,159 Prozent aus, bei der zehnjährigen Anleihe erreichte sie minus 0,399 Prozent.
Gleichzeitig wurde auch der Zinsabstand zu Deutschland (lediglich 13 Basispunkte im zehnjährigen Bereich) geringer. Die Bundesrepublik gilt als Orientierungsgröße in der Eurozone. „So einen engen Abstand bei zehnjährigen Anleihen hatten wir zuletzt vor vier Jahren, das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Investoren uns als adäquate Alternative sehen“, sagt Stix. Nicht ganz unschuldig daran ist freilich auch die Europäische Zentralbank, die mittels massiver Anleihenkäufe versucht, die Zinsen in der gesamten Eurozone nach unten zu drücken, um die Rückzahlbarkeit der Staatsschulden allen Mitgliedsländern zu ermöglichen. Auch jenen, die aus einer schlechteren Ausgangsposition in diese Krise gegangen sind.
Für Österreich hatte die Entwicklung zur Folge, dass das Land im Vorjahr bereits zum zweiten Mal in Folge Geld an den Kapitalmärkten verdienen konnte, weil die Rendite mit 0,32 Prozent unterm Strich negativ war. Österreich musste sich zuletzt rund 63 Mrd.
Euro auf dem Finanzmarkt beschaffen, heuer werden es rund 65 Mrd. Euro sein.
1600 Transaktionen in 2020
In diesem Jahr will die Bundesfinanzierungsagentur auch ein Auktionssystem für kurzfristige Schulden (bis zu einem Jahr) etablieren, diese wurden bisher bilateral verkauft. Diese Änderung wird es auch der Europäischen Zentralbank ermöglichen, kurzfristige Papiere (über den Sekundärmarkt) aus Österreich zu kaufen. Die vielen Gespräche mit Investoren und auch eine Änderung bei der Ankündigung von Volumen und Laufzeiten für Auktionen führten außerdem dazu, dass Österreichs Anleihen jene waren, die in der Eurozone 2020 am meisten nachgefragt wurden, so Stix.
Wickelt die Bundesfinanzierungsagentur in normalen Jahren rund 600 Transaktionen ab, so waren es in den vergangenen zwölf Monaten über 1600. Und das mit rund 35 Mitarbeitern. Auch ein Grund dafür, warum die von der Regierung in Aussicht gestellte „grüne Anleihe“wohl noch wird warten müssen. Der Aufwand, solche Papiere auf den Markt zu bringen, ist sehr hoch. Im Vorjahr musste man sich aber vor allem auf die Pandemie und das Bereitstellen von Liquidität konzentrieren.