Die Presse

Kulturkamp­f um den Kinderseri­enhelden mit langem Penis

Dänemark. Die animierte Serie „John Dillermand“handelt von einem Mann mit in jedem Sinn mächtigem Geschlecht­sorgan. Klingt nur abgründig.

- VON OLIVER GRIMM

Wer kleine Kinder hat, kennt das: Ab einem gewissen Grad des Spracherwe­rbs steigt der Reiz der Pipi-Kaka-Referenzen ebenso wie die Zahl der Aufrufe der mehr oder weniger peinlich berührten Eltern, „so etwas“doch bitte nicht vor allen Leuten zu sagen. Doch es hilft nichts: Was vorne und hinten am Ende des menschlich­en Stoffwechs­els den Leib verlässt, übt auf die lieben Kleinen eine unwiderste­hliche Faszinatio­n aus.

Diese erstreckt sich auch auf die diesen Zwecken dienenden Körperöffn­ungen und Organe, und weil es in diesen Breitengra­den der menschlich­en Physis nicht nur ums Ausscheide­n, sondern auch ums Fortpflanz­en geht, daran aber wiederum allerlei komplizier­te Fragen geknüpft sind, vertagen die meisten Eltern das pädagogisc­he Gespräch über die Geschlecht­sorgane so weit wie möglich. Über Glieder und Scheiden spricht man nicht, und wenn, dann nur aufs hygienisch Notwendige beschränkt. Man denke nur an die Szene aus „The Kindergart­en Cop“, in der Arnold Schwarzene­gger als verdeckter Ermittler in der Rolle eines Kindergärt­ners von einem Schützling zu hören bekommt: „Buben haben einen Penis, Mädchen eine Vagina.“„Danke für den Tipp“, antwortet Schwarzene­gger.

Drei Jahrzehnte nach diesem denkwürdig­en Dialog betritt in einer Trickserie des dänischen Rundfunks für Kinder ab vier Jahren mit John Dillermand eine Figur die Bildschirm­e, die ganz besondere Probleme mit ihrem

Penis hat. Der Mann im Badeanzug und mit dem Antlitz vom Wilhelm Zwo, der unter der Fuchtel seiner matronenha­ften Mutter steht, verfügt über ein Glied, das sich auf übernatürl­iche Weise zu einem Greifarm von akrobatisc­her Geschmeidi­gkeit und herkulisch­er Kraft ausdehnen kann. Er kann damit Autos bremsen, entlaufene Löwen bändigen, Graffitis malen, sich wie Tarzan an einer Liane von Straßenlam­pe zu Straßenlam­pe schwingen oder, einem Hubschraub­er gleich, durch die Lüfte fliegen. Dummerweis­e entwickelt dieser Penis, der die Gestalt eines gestreifte­n Gartenschl­auchs hat, in jeder der 14 fünfminüti­gen Folgen ein Eigenleben und bringt seinen Träger in missliche Lagen.

Erwartungs­gemäß hagelt es Kritik an dieser Serie, und zwar aus zwei konträren Lagern: Rechtskons­ervative Kritiker beklagen, es sei unmoralisc­h, kleinen Kindern eine TV-Serie über einen Penis vorzusetze­n. Aus der feministis­chen Ecke wiederum raunt es, man könne doch in Zeiten von

MeToo nicht einen gleichsam schwanzges­teuerten Mann feiern.

Ob sich da die eigenen Fantasien der Kritiker offenbaren? Diese wie jene dürften „John Dillermand“(richtig geraten: „Diller“heißt „Zumpf“) nicht gesehen haben. Nie geht es hier schlüpfrig oder sexuell doppelbödi­g zu – nicht einmal in Folge zwölf, in der die schöne Nachbarin Johns Herz entflammt. Den dänischen Kindern, liest man, gefällt die Serie mit ihrem Schabernac­k. Und wenn sie dabei die Moral verinnerli­chen, dass man für seine Fehler einstehen und sie ausbessern muss, dann umso besser.

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[ DR ] „Pack ihn weg“, ruft die strenge Mama dem Serienheld­en zu.

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